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10. Januar 2024

Pharmastandort Deutschland – quo vadis, 2024?

  • In-depth analysis

Unbürokratische Zulassungen für klinische Prüfungen mit Arzneimitteln, leichterer Zugang zu Gesundheitsdaten für Forschungszwecke, Anreize zur Ansiedlung von mehr Produktionsstätten und viele weitere Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Pharmastandortes Deutschland sind die wesentlichen Ziele, die sich die deutsche Bundesregierung in dem am 13. Dezember 2023 veröffentlichten Strategiepapier zur Stärkung des Forschungs- und Pharmastandorts Deutschland und seiner Wettbewerbsfähigkeit gesetzt hat.

Die wesentlichen Eckpunkte der Pharmastrategie im Überblick:

Verbesserung und Beschleunigung klinischer Humanarzneimittelprüfungen

Die am 31. Januar 2022 vollumfänglich in Kraft getretene Verordnung (EU) 536/2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln (Clinical Trials Regulation – CTR) führte durch ihre unmittelbare Geltung in allen EU-Mitgliedstaaten zu einer Harmonisierung des Genehmigungsverfahrens für klinische Prüfungen in der EU. Die nachfolgenden nationalen Maßnahmen sollen den mit der CTR intendierten Bürokratieabbau verstärken und zu einer weitergehenden Verbesserung und Beschleunigung klinischer Humanarzneimittelprüfungen in Deutschland beitragen:

Die Bundesregierung schlägt die Einrichtung einer zentralen, interdisziplinär besetzten Bundes-Ethik-Kommission vor, die als Unterabteilung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für bestimmte, besonders dringliche und anspruchsvolle Genehmigungsverfahren zuständig sein soll, mithin u.a. für klinische Studien, die in der Emergency Task Force der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) diskutiert werden, hochkomplexe Masterprotokoll-Studien sowie First-in-Human-Studien, bei denen neue Arzneimittel erstmalig am Menschen geprüft werden sollen. Darüber hinaus visiert das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) Gespräche mit den einzelnen Bundesländern an mit dem Ziel, eine weitere Harmonisierung bei den Entscheidungen der nach Landesrecht gebildeten Ethik-Kommissionen zu erreichen. Der Vorschlag der Einrichtung einer Bundes-Ethik-Kommission hat bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens für das 4. AMG-Änderungsgesetz, das in Deutschland u.a. flankierende Regelungen zur nationalen Umsetzung der CTR zum Gegenstand hatte, Kritik ausgelöst und nunmehr nachfolgend zu diesem Strategiepapier der Bundesregierung erneut Widerstand seitens der Bundesärztekammer und des Arbeitskreises Medizinischer Ethik-Kommissionen hervorgerufen , die die mangelnde Unabhängigkeit der ethischen Bewertung durch die Ansiedlung beim BfArM als ebenfalls am Genehmigungsverfahren beteiligten Bundesoberbehörde befürchten.

Neben der Verkürzung des Genehmigungsverfahrens sollen die Vertragsverhandlungen zwischen Sponsoren und Prüfzentren und damit die tatsächliche Initiierung klinischer Prüfungen durch Veröffentlichung von praxistauglichen Mustervertragsklausen in Gestalt einer Handreichung durch das BMG beschleunigt werden – eine Initiative, die bereits 2023 im Bereich der Onkologie durch das Bayerischen Zentrum für Krebsforschung (BZKF) sowie alle sechs Universitätskliniken Bayerns zusammen mit Vertretern der pharmazeutischen Industrie angestrengt wurde und in einem einheitlichen Vertragsmuster für klinische Prüfungen mündete. Anders als derzeit z. B. in Frankreich wird zwar keine gesetzliche Verpflichtung der Sponsoren zur Nutzung der nunmehr auch vom BMG angekündigten Mustervertragsklauseln erwachsen, ihre Veröffentlichung wird jedoch sicherlich Signalwirkung haben und Sponsoren klinischer Prüfungen jedenfalls eine vermehrte Auseinandersetzung mit den Mustervertragsklauseln abverlangen, sollten diese von deutschen Prüfzentren im Rahmen von Vertragsverhandlungen referenziert oder gar wortgleich in den klinischen Prüfvertrag übernommen werden. Mit Spannung bleibt daher vor allem die Ausgestaltung der Bestimmungen zur Übertragung von Erfindungen, insbesondere Arbeitnehmererfindungen, sowie zur Haftung der Akteure und etwaiger Haftungsbeschränkungen zu Gunsten der Prüfzentren abzuwarten, die für Sponsoren von besonderer Bedeutung sind und im Rahmen von Vertragsverhandlungen den größten Verhandlungsaufwand auslösen.

Mit Blick auf rein mononationale klinische Prüfungen sollen die Bearbeitungszeiten für Genehmigungsanträge um bis zu 19 Tage verkürzt werden: Die Bewertung der intendierten klinischen Prüfung durch die zuständige Bundesoberbehörde soll innerhalb von 26 Tagen nach Prüfung der Vollständigkeit der eingereichten Antragsunterlagen (Validierungsphase, für die nach Art. 5 Abs. 3 CTR derzeit bis zu 10 Tage vorgesehen sind) erfolgen, die Entscheidung über den Antrag sodann innerhalb von fünf weiteren Tagen dem Sponsor über CTIS kommuniziert werden. Die Verkürzung der Genehmigungsfristen bei rein mononationalen klinischen Prüfungen ist zu begrüßen. Sie wird nicht nur kleineren und mittelständischen Unternehmen, die lediglich und zunächst nur eine Erprobung ihres Wirkstoffkandidaten in Deutschland anstreben, einen Zeitgewinn von fast drei Wochen einbringen. Bereits vor vollumfänglicher Geltung der CTR zum 31. Januar 2022 sah das in Deutschland geltende Arzneimittelprüfrecht nach § 42 AMG a.F. i.V.m. § 8 Abs. 3 GCP-V eine Verkürzung des Genehmigungsverfahrens auf eine Frist von maximal 30 Tagen in ähnlicher Form für klinischen Prüfungen vor, die in lediglich einer einzigen Prüfstelle durchgeführt werden sollten.

Schließlich ist intendiert, dass die derzeit nach §§ 31, 32 Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) notwendige Anzeige bzw. Genehmigung von Verfahren beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) zur Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung am Prüfungsteilnehmer zur Vereinfachung in das Genehmigungsverfahren für klinische Arzneimittelprüfungen integriert, etwaige Fristen des Strahlenschutzverfahrens in entsprechender Anpassung an die Fristen der CTR verkürzt und Doppelprüfungen durch die beteiligten Akteure (Bundesoberbehörde, BfS, Ethik-Kommission) weiter abgebaut werden.

Stärkung der Zulassungsbehörden und Schaffung von Synergien bei Überwachungsbehörden

Die Bundesregierung kündigt eine Neuregelung der derzeit komplexen und getrennten Zuständigkeiten der beiden Bundesoberbehörden BfArM und PEI an: Das BfArM soll künftig die Koordinierung und das Verfahrensmanagement für Zulassungsverfahren und Anträge zu klinischen Prüfungen für alle Arzneimittel übernehmen (ausgenommen: Impfstoffe und Blutprodukte), als zentraler Ansprechpartner für die pharmazeutische Industrie agieren und u.a. die Verfahren zur Einholung von Ethik-Voten, Strahlenschutzprüfung sowie weitere Prozesse koordinieren.

Darüber hinaus werden zur weiteren Harmonisierung der Erteilung von Herstellungserlaubnissen die Bundesoberbehörden mit der Erstellung von Auslegungshilfen technischer Guidelines einschließlich der Anforderungen an QP (Qualified Person) beauftragt. Zudem soll Landesbehörden die Befugnis eingeräumt werden, in einer GMP-Auslegungsfrage eine Begutachtung durch die zuständige Bundesoberbehörde zu beantragen – ein Mechanismus, der durchaus zu einer Vereinheitlichung der Entscheidungspraxis der in Deutschland zuständigen GMP-Überwachungsbehörden führen kann, sofern diese hiervon Gebrauch machen.

Schließlich kündigt die Bundesregierung an, sich bei der Europäischen Kommission verstärkt dafür einzusetzen, dass im Rahmen von Mutual Recognition Agreements (MRA-Abkommen) GMP-Zertifikate auch für Betriebsstätten außerhalb der Territorien der EU/EWR anerkannt werden.

Stärkere Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung

Unter Anerkennung der zentralen Bedeutung von Gesundheitsdaten für (bio-)technologische Neuentwicklungen und der Anwendung neuer Therapien für Erfolge in der pharmazeutischen Forschung kündigt die Bundesregierung an, die Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung (weiter) voranzutreiben. Unter Verweis auf das sich derzeit noch im parlamentarischen Verfahren befindliche Gesundheitsdatennutzungsgesetz, das im Kern die Erschließung von Gesundheitsdaten für die Forschung (u.a. durch Aufbau einer dezentralen Gesundheitsdateninfrastruktur mit einer zentralen Datenzugangs- und Koordinierungsstelle für die Nutzung von Gesundheitsdaten) zum Ziel hat, sollen bestehende Hürden bei der Nutzung von Gesundheitsdaten weiter abgebaut und insbesondere Daten des Forschungsdatenzentrums (angesiedelt beim und verwaltet vom BfArM) auch für pharmazeutische Unternehmen zugänglich gemacht werden.

Darüber hinaus soll der pharmazeutischen Industrie der Zugang zu und die Nutzung von Daten aus dem Modellvorhaben Genomsequenzierung, im Rahmen dessen genomische und klinische Daten im Bereich seltener und onkologischer Erkrankungen qualitätsgesichert erhoben und für Versorgung und Forschung zugänglich gemacht werden, ermöglicht werden. Zudem wird eine europäische Anbindung über die europäische Genomdateninfrastruktur (die sich derzeit noch im Aufbau befindet) und über den europäischen Gesundheitsdatenraum vorbereitet.

Anreize zur Ansiedlung von Herstellungsstätten in der EU und Diversifizierung der Lieferketten

Durch Abbau von Bürokratie, die Prüfung von Investitionsbezuschussungen für Produktionsstätten sowie von Zuschüssen zur Gewährung der Versorgungssicherheit soll die Herstellung von Arzneimitteln inklusive Wirk- und Hilfsstoffproduktion zurück nach Deutschland bzw. in die EU geholt werden. Auch wenn das Strategiepapier noch keine konkreten Anreize zum Aufbau und zur Förderung von mehr Produktionsstätten in Deutschland nennt, setzen sich das BMG und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen einer gemeinsamen Projektstruktur zum Ziel, gezielte Förderinstrumente wie Subventionen insbesondere für Investitionen in Herstellungsstätten für Antibiotika und Onkologika zu erarbeiten.

Darüber hinaus werden weitere Zuschüsse zur Gewährung der Versorgungssicherheit im Rahmen der sozialrechtlichen Preisregulierung angekündigt. Die bereits im Sommer 2023 im Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) getroffenen Maßnahmen zur kurz- und langfristigen Stärkung der Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln in Deutschland u.a. im Bereich der Festbeträge, Rabattverträge sowie Medikamentenproduktion sollen nunmehr im Rahmen der Rabattverträge zur Stärkung des EU-Standortes auf weitere, insbesondere onkologische Arzneimittel ausgeweitet werden. Diesbezüglich wird von pharmazeutischen Unternehmen und dem Großhandel, die bereits durch das ALBVVG erhöhten verbindlichen Bevorratungspflichten unterworfen werden, im Kontext der angekündigten Entwicklungen zu beobachten sein, ob und auf welche Arzneimittel die bestehenden Regelungen des Lieferengpassbekämpfungsgesetzes ausgeweitet werden.

Regulatorische Rahmenbedingungen zur Sicherstellung der EU-Wettbewerbsfähigkeit

In Anknüpfung an das am 26. April 2023 von der Europäischen Kommission vorgelegte Pharmapaket zur Überarbeitung des EU-Arzneimittelrechts spricht sich die Bundesregierung für die regulatorische Vereinfachung der Zulassungsverfahren (z. B. Verkürzung von Bearbeitungsfristen, Reduzierung der Zahl der wissenschaftlichen Ausschüsse, Wegfall eines Verlängerungsantrags für die Zulassung) und starke Wettbewerbsfähigkeit der regulatorischen Rahmenbedingungen aus. Allerdings positioniert sich die Bundesregierung auch im Strategiepapier gegen die im EU-Pharmapaket vorgeschlagene Verkürzung des Unterlagenschutzes, der nach derzeit geltender Rechtslage nach § 24b Abs. 1 AMG (Art. 10 RL 2011/83/EG) für alle Arzneimittel acht Jahre ab Zulassung beträgt und im Rahmen der von der EU vorgeschlagenen Reform auf sechs Jahre (mit verschiedenen, an zusätzliche Voraussetzungen geknüpften Verlängerungsoptionen) reduziert werden soll (vgl. Art. 81 RL-E 2023/0132 (COD)). Ebenfalls ablehnend positioniert sich die Bundesregierung (weiterhin) zu der (auch nur zeitweisen) Aussetzung geistiger Eigentumsrechte in Form eines TRIPS-Waivers (Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights) und einem verpflichtenden Technologietransfer.

Förderung von Innovations- und Forschungsprojekten

Ein besonderes Augenmerk richtet die Bundesregierung zudem auf Start-Ups und kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Deutschland, denen es zur Finanzierung ihrer Forschungsvorhaben insbesondere in der Wachstums- und Reifephase an einem ausreichenden Angebot an Fremdkapital mangelt, und stellt dabei nicht nur Anreize zur Mobilisierung und Kanalisierung von Kapital, sondern auch die gezielte (steuerliche) Förderung von Forschung, Entwicklung, Innovationen, Transfer und Gründungen in Aussicht. Diese soll schwerpunktmäßig Arzneimittel betreffen, bei denen aufgrund geringer Renditeerwartungen das Marktpotential fehlt (u.a. Antibiotika, Arzneimittel für Seltene Erkrankungen, Impfstoffe und Arzneimittel zur Pandemieprävention).

Mit Verweis auf das im November 2023 vom Deutschen Bundestag verabschiedete Wachstumschancengesetz, das u.a. eine umfangreiche Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung (Forschungszulage) vorsieht, betont das Strategiepapier die sich hieraus für die in Deutschland forschenden Pharmaunternehmen ergebenden finanziellen Vorteile: So werden die förderfähigen Aufwendungen auf (bestimmte) Sachkosten ausgeweitet und die Bemessungsgrundlagenhöchstgrenze auf 12 Millionen Euro verdreifacht. KMU wird die Möglichkeit in Aussicht gestellt, auf Antrag einen um zehn Prozentpunkte höheren Fördersatz zu erhalten (vorbehaltlich der Vereinbarkeit mit dem EU-Beihilferechtsrahmen).

GKV-Finanzstabilisierung: Arzneimittelversorgung

Die im Herbst 2022 durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz vollzogene Reform der Erstattungsbetragsverhandlungen von neuen Arzneimitteln (AMNOG-Reform) soll 2024 einer weitergehenden Evaluierung, auch unter Beteiligung von Stakeholdern, unterzogen werden mit dem Ziel der Überprüfung, ob bereits Effekte durch die Reform auf die Versorgungssicherheit und den Produktionsstandort Deutschland erkennbar sind und ob weitergehende Maßnahmen zur Förderung verlässlicher, nachvollziehbarer und einfach umsetzbarer Rahmenbedingungen bei der Preisbildung und Erstattung von Arzneimitteln notwendig sind für mehr Investitionen pharmazeutischer und biotechnologischer Unternehmen in Forschung, Entwicklung und Produktion in Deutschland.

Weiterhin kündigt die Bundesregierung neue Regelungen zur Ermöglichung vertraulicher Erstattungsbeiträge an. Diese sollen bei Verhandlungen etwa zur Hilfstaxe und in anderen Erstattungsbetragsverhandlungen berücksichtigt werden. Sichergestellt werden soll, dass vertrauliche Erstattungsbeiträge bei neuen Arzneimitteln weder zu Mehrausgaben noch zu neuer Bürokratie für das deutsche Gesundheitswesen führen.

Darüber hinaus verpflichtet sich die Bundesregierung, den Herstellungsabschlag für erstattungsfähige Arzneimittel ohne Festbetrag auf dem derzeitigen Niveau von sieben Prozent (7%) zu stabilisieren.

Ausblick: Weitere Entbürokratisierung

Abschließend setzt sich die Bundesregierung im Strategiepapier weitergehenden Abbau von Bürokratievorgaben und Verwaltungsprozessen zum Ziel und betont, im angekündigten Bürokratieentlastungsgesetz IV auch die besonderen Anforderungen der Pharmabranche zu berücksichtigen. Schließlich setzt sich die Bundesregierung für eine verstärkte und umfassendere Digitalisierung der Antragsprozesse in Genehmigungsverfahren ein.

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