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25. September 2023

Aktuelle Entwicklungen im Bereich klinischer Arzneimittelstudien in Deutschland – Stellschrauben zur Verkürzung der Verfahrensdauer vor Beginn einer klinischen Studie

  • Briefing

Klinische Studien sind ein essentieller Baustein in der (Weiter-) Entwicklung von Arzneimittel und der Erforschung von Krankheiten. Sie tragen nicht nur wesentlich zum Fortschritt der medizinischen Entwicklung und zur Ermöglichung einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung bei, sondern sind Teil eines milliardenstarken deutschen Wirtschaftszweiges. Trotz dieser enormen Bedeutung verliert der Standort Deutschland für die Forschungs- und Entwicklungsbranche im internationalen Vergleich an Bedeutung.

Eine Auswertung des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (kurz „vfa“) anhand des öffentlichen Studienregisters Clinicaltrials.gov ergab einen Rückgang an in Deutschland durchgeführten Arzneimittelstudien. Kam Deutschland im Jahr 2016 noch auf 641 durch die Pharmaindustrie veranlasste klinischen Studien und erreichte damit im weltweiten Vergleich Platz 2 hinter den USA, sinken diese Zahlen seit Beginn der Covid-19 Pandemie stetig. Im Jahr 2021 wurden nur noch 589 Studien in Deutschland veranlasst, womit Deutschland nur noch Platz 6 hinter den USA, China, Spanien, UK und Kanada erreicht .

Die Gründe für diesen Rückgang sind vielfältig. Verzögerungen beim Beginn geplanter klinischer Studien lassen sich unter anderem auf den im weltweiten Vergleich hohen bürokratischen Aufwand in Deutschland und oft umfangreiche Verhandlungen zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen zurückführen. Ohnehin hohe Anforderungen an den Datenschutz in der EU verschärfen sich in Deutschland durch die Vielzahl an Landesdatenschutzbeauftragten und den eingeschränkten Zugang zu Gesundheitsdaten selbst für Forschungszwecke.

Herausforderung für klinische Studien durch bürokratischen Aufwand

Eine gewisse Reduzierung des bürokratischen Aufwands hat die EU-Verordnung 536/2014 bereits gebracht. Nach Errichtung eines funktionsfähigen EU-Portals trat diese klinische Prüfverordnung 536/2014 mit Verzögerung zum 31. Januar 2022 in Kraft. In Anpassung der Rechtslage hat Deutschland das Verfahren zur Einbindung der Ethikkommission in das Antrags- und Bewertungsverfahren für klinische Prüfungen unter anderem neu geregelt. Während vor der Neuregelung separate Anträge bei der Bundesoberbehörde und der Ethikkommission erforderlich waren, die unabhängig und damit auch teilweise unterschiedlich voneinander beschieden wurden, ist nun ein gemeinsames Bewertungsverfahren von Bundesoberbehörde und Ethikkommission vorgesehen.

Diese Neuerung bringt nicht nur administrative Erleichterungen, sondern führt auch zu einer einheitlichen Entscheidung über die Genehmigung der Durchführung einer klinischen Studie. Probleme ergeben sich in der praktischen Umsetzung durch die Nutzerunfreundlichkeit des neuen europäischen „Clinical Trials Information Systems“ (CTIS). Seit Februar 2023 müssen sämtliche Anträge auf Durchführung einer klinischen Arzneimittelstudie in der EU über das CTIS-System eingereicht werden. Zahlreiche Ethikkommissionen bemängeln einen erheblichen Mehraufwand bei der Bewertung von Studienanträgen durch unnötige Formalien der unstrukturierten und fehleranfälligen CTIS-Plattform. Der Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen in der Bundesrepublik Deutschland (AKEK) und die Bundesärztekammer fordern in einer Pressemitteilung vom 08. März 2023, die CTIS-Plattform systematisch zu überprüfen und auf eine Überführung in CTIS der Daten aus im herkömmlichen Verfahren zuvor genehmigten Studien zu verzichten. Die EMA („European Medicines Agency“) veröffentlicht für die Mitgliedsstaaten, die EU-Kommission und EMA-Nutzer regelmäßig eine Liste mit bekannten Anwendungsproblemen zu CTIS und Handhabungsmöglichkeiten in der Praxi, zuletzt am 06. März 2023. Lösungsmöglichkeiten durch eine Umstellung des CTIS sind von offizieller Stelle nicht angekündigt; die Nutzung ist EU-weit weiterhin verbindlich.

Für Deutschland könnte eine angekündigte nationale Gesetzesinitiative weitere Erleichterungen bringen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will bis Ende dieses Jahrs ein Gesetz mit Erleichterungen der Forschungsbedingungen vorlegen, damit der Forschungsstandort Deutschland nicht weiter an Attraktivität verliert. Dieses geplante Gesetz zur Beschleunigung der Forschung und Zulassung von Arzneimitteln kündigte Lauterbach am Rande des Treffens der G20-Gesundheitsminister im indischen Gandhinagar an. Neben Arzneimitteln soll das geplante Gesetz auch Medizinprodukte wie Kernspintomographen erfassen.

An welchen Stellschrauben der deutsche Gesetzentwurf drehen wird bleibt abzuwarten. Da der Regulierungsrahmen durch die Klinische Prüfverordnung 536/2014 EU weit vereinheitlich ist, wird es vermutlich um Vereinfachung der Verwaltungsabläufe bei Genehmigungsverfahren in Deutschland gehen.

Mögliche Erleichterungen für klinische Studien durch vereinheitlichte Studienverträge

Auch auf Boden des bestehenden Rechtsrahmens können Sponsoren klinischer Prüfungen in Abstimmung mit den Prüfzeiten auf schnelle Abläufe hinwirken. Dabei kann ein Rückgriff auf einheitliche Musterverträge dazu beitragen, die Verhandlungsdauer zu verkürzen.

Der vfa veröffentlichte im Jahr 2019 gemeinsam mit der Deutsche Hochschulmedizin und dem KKS-Netzwerk einzelne Musterklauseln für Studienverträge. Die Musterklauseln bezeichnet der vfa als Orientierungshilfe bei stets wiederkehrenden Punkten, da keine zwei Studien völlig gleich sind.

Noch konkreter wird eine Initiative im Bereich der Onkologie des Bayerischen Zentrums für Krebsforschung (BZKF) sowie aller sechs bayerischen Universitätsklinika, die mit insgesamt sieben pharmazeutischen Unternehmen (Novartis, MSD, Servier, Ipsen, Amgen, BMS und Roche) ein einheitliches Vertragsmuster für klinische Studien im Bereich der Onkologie vereinbarten. Nutzt ein Sponsor das einheitliche Vertragsmuster, akzeptieren es alle sechs onkologischen Kliniken in Bayern.

Das BZKF Vertragsmuster umfasst, ohne Anlagen, 18 Seiten und enthält die wesentlichen Bestimmungen, die im Rahmen eines typischen Studienvertrags zu erwarten sind. Die Vereinbarung bewegt sich im Rahmen üblicher Regelungen; wobei häufig den Universitätskliniken entgegenkommende Regelungen gewählt wurden. So ist die Haftung der ausführenden Universitätskliniken im BZKF für leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen (§ 9). Die allgemeinen vfa Musterklauseln aus 2019 sehen für leichte Fahrlässigkeit Begrenzungen der Höhe nach vor (etwa im Verhältnis zum Auftragswert) aber keinen generellen Haftungsausschluss.

Das BZKF Vertragsmuster weist die in der Studie gewonnenen nicht schutzrechtsfähigen Arbeitsergebnisse dem Unternehmen als Sponsor zu. Zum häufig diskutierten Unterpunkt der Arbeitnehmererfindungen sieht das Vertragsmuster eine Rechteübertragung an den Sponsor nur gegen eine finanzielle Gegenleistung. Diese Vergütung von Erfindungen kann entweder aus einem fixen Betrag bestehen, der nachverhandelt werden kann; oder eine offene Vergütung die in einer separaten noch zu verhandelnden Vereinbarung festgesetzt wird. Die dem Sponsor eingeräumten Fristen zur Mitteilung, ob eine gemeldete Erfindung an ihn übertragen werden soll oder ob Anmerkungen zu einer geplanten Publikation bestehen, beträgt vergleichsweise kurze 30 Tage.

Es bleibt abzuwarten, ob das Projekt eines Mustervertrags sich auf die Forschung in der Onkologie am Standort Bayern beschränkt oder durch die zu erwartende Verfahrensbeschleunigung Beispielwirkung zeigt.

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