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21. September 2022

Klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln unter der neuen Verordnung über klinische Prüfungen (EU) Nr. 536/2014 („CTR“)

  • In-depth analysis

Teil 1.
Überblick über regulatorische Rahmenbedingungen, Anwendbarkeit der CTR und Übergangsfristen

Am 31. Januar 2022 ist die neue Verordnung (EU) Nr. 536/2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln (Clinical Trials Regulation – „CTR“) vollumfänglich in Kraft getreten. Die CTR ersetzt die bislang geltende Good-Clinical-Practice-Richtlinie 2001/20/EG („GCP-Richtlinie“) und führt durch ihre unmittelbare Geltung in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union („EU“) zu einer Harmonisierung des Antrags-, Genehmigungs- und Überwachungsverfahrens für die Durchführung klinischer Prüfungen in der EU.

1. Wesentliche Erwägungsgründe und Zielsetzung

Die Europäische Kommission gab erstmals im Dezember 2008 ihr Vorhaben bekannt, die Auswirkungen und die Funktionsfähigkeit der GCP-Richtlinie in der Praxis evaluieren zu wollen und setzte damit nur vier Jahre nach ihrer Umsetzung in den Mitgliedstaaten zum 1. Mai 2004 einen neuen Gesetzgebungsprozess zur fortschreitenden Vereinheitlichung der Vorschriften für klinische Prüfungen in der EU in Gang. Die Erfahrungen mit der GCP-Richtlinie hätten gezeigt, so die Kommission, dass der harmonisierte Ansatz der Regulierung klinischer Prüfungen nur teilweise verwirklicht wurde: Die unterschiedliche Anwendung der durch die GCP-Richtlinie etablierten Anforderungen für die Genehmigung klinischer Prüfungen in den Mitgliedstaaten führte nicht nur auf Seiten der Sponsoren zu steigenden Verwaltungskosten und erheblichen Verzögerungen beim Beginn multinationaler klinischer Prüfungen, sondern auch aus mitgliedstaatlicher Perspektive zu einem ineffizientem Umgang mit Ressourcen auf Grund unnötiger Mehrfachbewertung derselben Informationen.

Mit der CTR hat sich die Kommission daher zum Ziel gesetzt, die Durchführung größerer klinischer Prüfungen in mehreren Mitgliedstaaten der EU zu erleichtern und den Forschungsstandort Europa zu stärken. Der Informationsaustausch aller am Genehmigungsverfahren beteiligten Akteure soll verbessert und die kollektive Entscheidungsfindung bei klinischen Prüfungen erleichtert werden. Weitere wesentliche Ziele sind die Erhöhung der Transparenz und die Gewährleistung höherer Sicherheitsstandards für alle Teilnehmer an klinischen Prüfungen in der EU.

2. Überblick über die wesentlichen Neuerungen der CTR

  • Neues Genehmigungsverfahren: Im Falle multinationaler klinischer Prüfungen wird fortan ein Mitgliedstaat als Reporting Member State („rMS“) die Koordination des Genehmigungsverfahrens übernehmen. Ihm kommt zudem mit Blick auf allgemeine Aspekte der klinischen Prüfung die Aufgabe zu, diese federführend und für alle beteiligten Mitgliedstaaten, in denen die klinische Prüfung ebenfalls durchgeführt werden soll („Member States concerned“ – „MSc“), verbindlich zu überprüfen. Ein Abweichen („opt-out”) der betroffenen Mitgliedstaaten von dieser Bewertung ist nur in eng normierten Ausnahmefällen möglich. Der Prüfungsumfang der betroffenen Mitgliedstaaten umfasst vorwiegend nationale Aspekte wie den Schutz der Prüfungsteilnehmer, die Qualifikation des Prüfteams und die Eignung der Prüfstellen.
  • Beteiligung der Ethik-Kommissionen am Genehmigungsverfahren: Darüber hinaus hat das neue Genehmigungsverfahren eine Abkehr vom Zwei-Säulen-System der parallelen und eigenständigen Bewertungen durch die zuständige nationale Genehmigungsbehörde und eine lokale Ethik-Kommission zur Folge. Die Genehmigung der klinischen Prüfung (oder deren Versagung) erhält der Sponsor lediglich in Form einer einzigen Entscheidung; die Pflicht zur gesonderten Beantragung und Einholung der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission entfällt. In welchem Umfang lokale Ethik-Kommissionen fortan in das Genehmigungsverfahren einbezogen werden, ist der mitgliedstaatlichen Ausgestaltung überlassen.
  • Clinical Trials Information System (CTIS): Sponsoren stellen ihre Anträge für die Genehmigung intendierter klinischer Prüfungen fortan über ein zentrales Online-Portal, das als Kommunikationsplattform zwischen dem Antragsteller und den einzelnen, an der Genehmigungsentscheidung beteiligten Akteuren in den Mitgliedstaaten fungiert. Die Antragseinreichung über das CTIS ist für mononationale wie multinationale klinische Prüfungen gleichermaßen verpflichtend.
  • Neue Begriffsbestimmungen: Mit einem umfangreichen Katalog an (teils neuen) Begrifflichkeiten führt die CTR zu einem EU-weit einheitlichen Verständnis der im Kontext klinischer Prüfungen stehenden Begrifflichkeiten. Die klinische Prüfung fällt nunmehr neben der nicht-interventionellen Studie unter den Oberbegriff der klinischen Studie. Neu ist zudem die Definition der minimal-interventionellen klinischen Prüfung. Darüber hinaus, wenn auch nicht eigens definiert und vorbehaltlich einer abweichenden mitgliedstaatlichen Ausgestaltung, ermöglicht die CTR unter Einräumung erleichterter Anforderungen an die Einholung der Einwilligung nach Aufklärung die Durchführung sog. Cluster-randomisierter klinischer Prüfungen.
  • Neue regulatorische Verantwortlichkeiten möglich: Die CTR ermöglicht die Durchführung klinischer Prüfungen durch mehrere Sponsoren und führt damit das Konzept des Co-Sponsorings ein. Voraussetzung hierfür ist vor allem eine klare Aufgabenzuweisung und Aufteilung ihrer Verantwortlichkeiten in einem schriftlichen Vertrag. Diese Neuerung soll ausweislich der Erwägungen der Kommission vor allem informellen Netzwerken von Forschenden und Forschungseinrichtungen durch geteilte Verantwortlichkeiten Erleichterungen bringen. Die Möglichkeit des Co-Sponsorings ist jedoch nicht auf diese sog. Investigator-initiated Trials beschränkt, sondern kann auch für kleinere pharmazeutische Unternehmen sowie Forschungskooperationen zwischen der pharmazeutischen Industrie und akademischen Institutionen mehr Flexibilität in der Zusammenarbeit bedeuten.
  • Materiell-rechtliche Anforderungen zum Probandenschutz: Die Regelungen zum Schutz der Prüfungsteilnehmer werden umfangreich ausgestaltet. Allein den Anforderungen an die informierte Einwilligung als unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme an einer klinischen Prüfung widmet die CTR gleich zwei Artikel und legt ausführliche Bestimmungen zu Inhalt, Umfang und Durchführung der Aufklärung und zur Einholung der Einwilligungserklärung fest. Neben allgemeinen, für alle Prüfungsteilnehmer geltenden Schutzvorschriften sieht die CTR darüber hinaus detaillierte Vorgaben zur Einbeziehung Minderjähriger, nicht-einwilligungsfähiger Volljähriger, Notfallpatienten, Schwangerer und Stillender vor. Die Möglichkeit der Einbeziehung volljähriger einwilligungsunfähiger Prüfungsteilnehmer in sog. gruppennützige Forschungsvorhaben wurde nach hitzigen Diskussionen im Verordnungsgebungsverfahren letztlich den Mitgliedstaaten zur strengeren Ausgestaltung überantwortet.
  • Verlängerung der Aufbewahrungsfristen: Neben der Normierung konkreter Anforderungen an die Archivierung des Master File über die klinische Prüfung verpflichtet die CTR Prüfer und Sponsoren zur Archivierung des Inhalts ihres Master Files auf mindestens 25 Jahre nach Beendigung der klinischen Prüfung – eine Neuerung, die fortan in klinischen Prüfverträgen entsprechend ausgestaltet sein sollte. Die Aufbewahrung der Patientenakten der Prüfungsteilnehmer richtet sich jedoch (weiterhin) nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaates.

3. Übergangsbestimmungen

Die CTR sieht für klinische Prüfungen einen Übergangszeitraum von drei Jahren vor, der wie folgt ausgestaltet ist:

  • Innerhalb des ersten Jahres ab Geltungsbeginn der CTR wird Sponsoren ein Wahlrecht eingeräumt: Vom 31. Januar 2022 bis zum 30. Januar 2023 können sie die Genehmigung noch nach dem alten, rein nationalen Verfahren nach dem vormals geltenden Regelungskorsett der GCP-Richtlinie (in ihrer jeweiligen mitgliedstaatlichen Ausgestaltung) oder gemäß den neuen Vorgaben der CTR über das CTIS beantragen.
  • Ab dem 31. Januar 2023 müssen alle Anträge auf neue klinische Prüfungen in der EU/im EEA nach den neuen Vorgaben der CTR über das CTIS eingereicht werden.
  • Ab dem 31. Januar 2025 (und damit nach Ablauf der Übergangsfrist von drei Jahren) müssen alle klinischen Prüfungen, die noch nach der GCP-Richtlinie initiiert wurden, in das neue Verfahren der CTR umgestellt werden. Dies bedeutet zwar nicht zwingend, dass eine (neue) Genehmigung der laufenden klinischen Prüfung nach CTR-Vorgaben erforderlich ist, doch müssen alle Studiendokumente in das CTIS eingestellt werden. Ob hierfür gesonderte Überleitungsvorschriften von der Kommission erarbeitet werden, bleibt abzuwarten.

Damit kann die Initiierung einer klinischen Prüfung nach der GCP-Richtlinie nur bei kurzer Studiendauer und damit begründeter Wahrscheinlichkeit der Beendigung der klinischen Prüfung bis zum 30. Januar 2025 sinnvoll erwogen werden. Für Sponsoren, die sich noch nicht mit den neuen Anforderungen der CTR, insbesondere dem neuen Genehmigungsverfahren und der Funktionsweise des CTIS auseinandergesetzt haben, besteht jetzt dringender Handlungsbedarf. Denn eine Verlängerung der Drei-Jahres-Frist sieht die Verordnung nicht vor.

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