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21. Dezember 2023

Neue Entwicklungen in der EU-Elektrosicherheit: Aktueller Durchführungsbeschluss und die Bedeutung der Niederspannungs-Richtlinie

  • Briefing

Die Niederspannungs-Richtlinie: Sicherheitsstandard für elektrische Betriebsmittel

Haartrockner, Fernseher, Computer und Kühlschrank – Elektrogeräte sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Um sicherzustellen, dass wir diese auch sicher und bedenkenlos verwenden können, wurde die Niederspannungs-Richtlinie1 („Niederspannungs-RL“) entwickelt. Hierbei handelt es sich um ein Gesetz der Europäischen Union, das die Sicherheit elektrischer Betriebsmittel regelt. Die Niederspannungs-RL soll sicherzustellen, dass Produkte, die in der EU auf den Markt gebracht werden, Sicherheitsstandards erfüllen, die ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit und Sicherheit von Menschen und Haus- und Nutztieren sowie Güter gewährleisten und das Funktionieren des Binnenmarkts garantieren, Art. 1 Abs. 1 Niederspannungs-RL. Die Richtlinie gilt für elektrische Betriebsmittel im Spannungsbereich zwischen 50 und 1000 Volt Wechselstrom und zwischen 75 und 1500 Volt Gleichstrom, Art. 1 Abs. 2 Niederspannungs-RL.

Die Niederspannungs-RL richtet sich in Kapitel 2 (Artikel 6 bis 11) an sämtliche Wirtschaftsakteure: Hersteller, Bevollmächtigte, Inverkehrbringer und Händler. Als Grundvoraussetzung gilt für alle Wirtschaftsakteure, ihren Sorgfaltspflichten, vor allem den gebotenen Verkehrssicherungspflichten für ihren jeweiligen Anteil nachzukommen.

Die nationale Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht erfolgt durch das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) über die 1. Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (Verordnung über elektrische Betriebsmittel – 1. ProdSV). § 3 Abs. 1 und 2 ProdSG legen grundlegende Sicherheitsanforderungen fest, enthalten jedoch keine technischen Spezifikationen bezüglich der Umsetzung dieser Anforderungen. Bei der Beurteilung, ob ein Produkt den Anforderungen nach § 3 Abs. 1 oder 2 ProdSG entspricht, können und werden daher sogenannte „harmonisierte Normen“ zugrunde gelegt, § 4 Abs. 1 ProdSG.

Harmonisierte Normen: Einheitliche Maßstäbe für Produktkonformität

Harmonisierte Normen sind in der Regel nicht-verbindliche detaillierte technische Spezifikationen, die anerkannte europäische Normungsgremien entwickelt haben, um die Konformität mit EU-Richtlinien wie der Niederspannungs-RL zu erleichtern. Die harmonisierten Normen werden in Bezug auf die Niederspannungs-RL überwiegend auf internationaler Ebene durch die International Electrotechnical Commission (IEC) erarbeitet und durch das Europäische Komitee für elektrotechnische Normung (Cenelec) verabschiedet.

Obwohl die Einhaltung dieser Normen grundsätzlich freiwillig ist, genießen Produkte, die den harmonisierten Normen, die im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind, entsprechen, eine Vermutungswirkung der Konformität mit § 3 Abs. 1 und 2 ProdSG, § 4 Abs. 2 ProdSG.2 Der Vorteil harmonisierter Normen besteht damit allgemein darin, einen einheitlichen Rahmen für die Bewertung der Konformität von Produkten zu schaffen. Sie bieten Wirtschaftsakteuren klare Leitlinien, anhand derer sie die Konformität der Produkte prüfen können. Darüber hinaus baut die Einhaltung der Normen gegenüber Verbrauchern Vertrauen auf und trägt zum Schutz der Umwelt und der Gesundheit der Verbraucher bei.

Harmonisierte Normen erleichtern den Handel innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums, da sie eine gemeinsame Basis für die Bewertung der Konformität schaffen. Sie helfen, technische Barrieren abzubauen und den freien Verkehr von Waren zu fördern, indem sie einen gemeinsamen Standard für Produkte schaffen, der in verschiedenen EU-Ländern akzeptiert wird.

Neue Entwicklung: Aktueller Durchführungsbeschluss (EU) 2023/2723

In Bezug auf die Niederspannungs-RL kamen jedoch Schwierigkeiten für die Wirtschaftsakteure dadurch auf, dass nicht übersichtlich war, welche harmonisierten Normen im Rahmen der Richtlinie galten. Die Europäische Kommission beauftragte daher das Europäische Komitee für Normung (CEN), das Europäische Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI), und Cenelec, die erste vollständige Liste der Titel harmonisierter Normen vorzulegen und harmonisierte Normen für elektrische Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen zur Unterstützung der Richtlinie 2014/35/EU auszuarbeiten, zu überarbeiten und zu vervollständigen.3

Am 6. Dezember 2023 hat die Europäische Kommission daraufhin den Durchführungsbeschluss (EU) 2023/2723 erlassen, der in seinem Anhang I eine vollständige Liste der harmonisierten Normen enthält. Diese Liste wurde am 13.12.2023 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Deren Anwendung löst damit die Vermutungswirkung zur Konformität mit der Niederspannungsrichtlinie aus.4  Die harmonisierten Normen, die in diesem Durchführungsbeschluss festgelegt sind, bieten Herstellern eine klare und übersichtliche Grundlage für die Sicherheitsanforderungen, die ihre Produkte in Bezug auf die Niederspannungs-RL erfüllen müssen, um auf dem EU-Markt vertrieben werden zu können.

Weiterhin hebt der neue Durchführungsbeschluss den bisherigen Durchführungsbeschluss (EU) 2019/1956 und die Mitteilung 2018/C 326/02 auf,5  da letztere laut Europäischer Kommission teilweise Produktnormen enthalten, die die Sicherheitsziele der Niederspannungs-RL nicht erfüllen könnten.6 Um den Herstellern ausreichend Zeit zu geben, ihre elektrischen Betriebsmittel, die von diesen harmonisierten Normen und deren Änderungen abgedeckt werden, anzupassen, wird die Streichung der Fundstellen dieser harmonisierten Normen jedoch bis zu dem jeweils in Anhang II und III festgelegten Zeitpunkten zurückgestellt,7 die zwischen dem 11.07.2024 und 13.06.2025 liegen.

Diese jüngsten Entwicklungen in Bezug auf die Niederspannungs-RL bieten Herstellern eine klarere Grundlage für die Sicherheitsanforderungen ihrer Produkte im EU-Markt, könnten jedoch dazu führen, dass sie ihre Produkte bald anpassen müssen, um sich weiterhin auf die Vermutungswirkung berufen zu können.


1 Richtlinie 2014/35/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26. 2. 2014 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung elektrischer Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen auf dem Markt.

2 Soweit diese Anforderungen von den betreffenden Normen oder von Teilen dieser Normen abgedeckt sind, § 4 Abs. 2 ProdSG.

3 Grund (2), Durchführungsbeschluss (EU) 2023/2723 Der Kommission vom 6. Dezember 2023 über harmonisierte Normen für elektrische Betriebsmittel zur Unterstützung der Richtlinie 2014/35/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (Durchführungsbeschluss).

4 Vgl. hierzu auch Art. 1 Durchführungsbeschluss.

5 Artikel 2 Abs. 1 und Artikel 3 Abs. 1 Durchführungsbeschluss.

6 Vgl. Grund 7 Durchführungsbeschluss.

7 Vgl. Grund 2, Artikel 2 Abs. 2 und Artikel 3 Abs. 2 Durchführungsbeschluss.

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