18. Dezember 2023
Co-Autorin: My Anh Cao
Wenngleich das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 24. Juni 2021 (Az.: 3 U 98/20) schon etwas älter ist, soll es aufgrund seiner Relevanz für die Werbung international tätiger Pharmaunternehmen kurz besprochen werden. Es betrifft u.a. die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bei Werbung, die im Internet abrufbar ist und die Frage des Vorliegens von heilmittelrechtlicher Absatzwerbung in Geschäftsberichten.
Die Parteien des Rechtsstreits waren beide auf dem Gebiet der Herstellung und des Vertriebs von Arzneimitteln tätig und daher Mitbewerber. Sie sind zugleich international tätige Aktiengesellschaften. Die Antragsgegnerin bewarb ihr Arzneimittel in einer Pressemitteilung bzw. Kapitalmarktinformation sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch sowie in einer Internetpräsentation. In der ersten Instanz stand im Raum, dass sich die Werbung nicht an inländische Fachkreise richten würde, da es sich lediglich um Unternehmenswerbung mit dem Adressatenkreis von US-amerikanischen Inverstoren und Analysten handeln würde.
Das Oberlandesgericht Hamburg entschied am 24. Juni 2021 über die von der Antragstellerin eingelegte Berufung. Es stellte fest, dass deutsche Gerichte gemäß Art. 7 Nr. 2 VO 1215/2012 (Brüssel-I-VO) international zuständig seien, da die angegriffene und im Internet verbreitete Werbung den erforderlichen Inlandsbezug habe. Der für Internetveröffentlichungen erforderliche Inlandsbezug sei dann gegeben, wenn sich die Veröffentlichungen bestimmungsgemäß auch im Inland auswirken. Dagegen spricht auch nicht, dass die Werbung auf Englisch veröffentlicht ist, wenn auf dem angesprochenen Markt die Verwendung englischsprachiger Informationen ohne weiteres üblich ist. Die Werbung in den Geschäftsberichten, mit denen Kapitalgesellschaften ihrer Publizitätspflicht nach §§ 264, 289 HGB nachkommen, richte sich nicht ausschließlich an US-amerikanische Investoren, sondern global an alle Interessierten sowie inländische Kapitalanleger und Analysten. Geschäftsberichte, die die unternehmensspezifische Situation und Angaben über den Produktions- und Leistungsbereich sowie Prognose-, Forschungs-, und Entwicklungsberichte enthalten, seien unabhängig von der Benennung eines Arzneimittels oder der Umschreibung von dessen Anwendungsbereich und des erwarteten wirtschaftlichen Erfolgs grundsätzlich als Unternehmenswerbung und nicht als heilmittelwerberechtlich relevante Absatzwerbung anzusehen. Eine heilmittelwerberechtlich relevante Absatzwerbung liege bei einer Investorenmitteilung über die wirtschaftlich geplante Entwicklung eines auf dem Markt eingeführten Arzneimittels in der Regel nicht vor, da die Absatzförderung hierbei nicht das Kommunikationsziel sei. Sobald allerdings derartige Investor-Relations-Maßnahmen auch als Instrument für absatzbezogene Werbebotschaften benutzt werden, indem beispielsweise die Funktion und die Wirkungsweise des zur Zulassung anstehenden Präparats so detailliert beschrieben werden, dass dies über den Zweck einer Investorenunterrichtung über das wirtschaftliche Potenzial des Präparats hinausgeht, kommt eine heilmittelwerberechtliche Absatzwerbung in Betracht.
Des Weiteren entschied das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, dass eine Angabe in einem Sternchenhinweis zu einer inhaltlich eindeutigen Werbeaussage diese nicht ins Gegenteil verkehren kann. Obwohl der Sternchenhinweis oft noch am Blickfang teilnimmt, erwartet der Verkehr bei einer eindeutigen Aussage im Hinweis keine gegenteilige Erläuterung mehr. Dieser Punkt spielt gerade in der Praxis eine wichtige Rolle, da Unternehmen ihren Werbeaussagen oftmals Sternchenhinweise hinzufügen, um etwaige Irreführungen zu beseitigen. Das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg zeigt aber einmal mehr, dass ein Sternchenhinweis kein „Allheilmittel“ ist.
von Dr. Daniel Tietjen und Katharina Hölle