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Dr. Gregor Staechelin

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27. September 2023

Dumm gelaufen - oder warum es anspruchsvoll sein kann, die kurze transportrechtliche Verjährung zu hemmen

  • Briefing

Ein jüngeres Urteil des OLG Saarbrücken (5 U 34/21 vom 20.05.2022) bietet Anlass, sich mit den Erfordernissen an eine wirksame Hemmung der Verjährung auseinanderzusetzen. Im Transportrecht herrschen bekanntlich kurze Verjährungsfristen (typischerweise 1 Jahr nach § 439 HGB bzw. Art. 32.1 CMR). Deren Grundlagen haben wir bereits an anderer Stelle dargestellt (Besonderheiten der Verjährung im Transportrecht). Umso bedeutender sind die Vorschriften, die es einem Anspruchssteller ermöglichen, eine Hemmung der Verjährung herbeiführen und auch nach Ablauf eines Jahres diese noch rechtshängig machen zu können.

Dies ist die sogenannte Haftbarhaltung nach § 439 Abs. 3 HGB (bzw. Reklamation nach Art. 32.2 CMR). Daneben kommt, nach überwiegender Ansicht, auch der Rechtsgrund der Verhandlungen über einen Anspruch nach § 203 BGB als Hemmungstatbestand in Frage. Schließlich kommt, insbesondere bei einer Transport- und Haftungskette und zur Sicherung eines Rückgriffsanspruches, die Streitverkündung in Betracht (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB).

Sachverhalt (vereinfacht)

Dem vom OLG Saarbrücken entschiedenen Fall lag, leicht vereinfacht, folgender Sachverhalt zugrunde: Die Firma F hatte im Dezember 2010 die Firma G, die hiesige Klägerin, mit dem Transport von 114 Motoren zur Empfängerin V in Schweden beauftragt. Die Firma G vergab den Auftrag an Ihr Tochterunternehmen, die Firma E. Diese wiederum beauftragte die Beklagte den Transport durchzuführen. Die Ware kam in der Obhut der Beklagten bei einer Massenkarambolage in einem Schneesturm in Dänemark am 16. Dezember 2010 zu Schaden, wobei die Schadenshöhe ca: EUR 250.000 betrug. Auf deren Ersatz nahm die ursprüngliche Versenderin F die hiesige Klägerin G in einem vorangegangenen Prozess erfolgreich in Anspruch. In diesem Vorverfahren verkündete die G der hiesigen Beklagten den Streit, weil sie geltend machte, im Falle einer Verurteilung zur Haftung gegenüber der ursprünglichen Versenderin Regressansprüche in Bezug auf die hiesige Beklagten zu haben, ohne dies näher zu begründen. Die E wiederum trat ihren Anspruch aus dem Subunternehmervertrag gegenüber der hiesigen Beklagten entlang der (rückabgewickelten) Transportkette an ihre Mutter G ab. Aus diesem abgetretenen Recht nahm nun die hiesige Klägerin G die Beklagte in Anspruch. Die Klage wurde am 4. April 2016 eingereicht und am 30. September 2016 der Beklagten zugestellt. Sie war im Ergebnis erfolglos, nachdem die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben hat, obwohl die G bzw. die E diverse Versuche unternommen hatten, die geltend gemachte Forderung gegen Verjährung zu schützen.

Keine wirksame Haftbarhaltung bzw Reklamation

Die Klägerin hatte vorgetragen, die E habe im März 2011 ihre Ansprüche aus dem Schadensfall bei der Beklagten angemeldet und damit nach Art. 32.2 Satz 1 CMR die Verjährung gehemmt. Die Beklagte hatte dies bestritten und der Klägerin ist nicht der Beweis gelungen, dass die Haftbarhaltung zugegangen sei. Die Übersendung durch die E sei, so die Klägerin, sowohl per email, wie auch per Telefax erfolgt. Sie konnte aber weder eine Zustell- oder Lesebestätigung für die Email vorlegen, noch ein Faxjournal.

Als weiteren Versuch der Haftbarhaltung übermittelte die E (oder die Klägerin - das lassen die Urteilsgründe offen) der Beklagten noch vor Eintritt der Verjährung eine Rechnung über die Schäden am Transportgut. Diese war aber nicht geeignet, eine verjährungshemmende Wirkung zu entfalten. Nach Art. 32.2 CMR muss die Reklamation schriftlich erfolgen, wobei jede Form der Lesbarkeit genügt. Für eine wirksame Reklamation muss der Anspruchsteller aber auch eine Erklärung abgeben, aus der der Frachtführer unzweideutig seine Inanspruchnahme durch einen bestimmten Anspruchsteller erkennen kann. Der Anspruchsteller muss erklären, dass und wem gegenüber der Transportunternehmer für welche Güterschäden oder Verluste am Transportgut einstehen soll (OLG Saarbrücken, 5 U 34/21, Rz. 26). Der Rechnung aber fehlte es an einer deutlichen Erklärung über das Bestehen von Schäden am Transportgut und die unmissverständliche Klarstellung, dass und wem gegenüber der Transportunternehmer für diese Schäden einstehen solle.

Weiter meldete ein von der Klägerin eingeschalteter Havariekommissar mit E-Mail vom 15. Dezember 2011, also ebenfalls noch vor Eintritt der Verjährung, den Schaden und die Ersatzansprüche der Klägerin bei der Beklagten an. Mit E-Mailschreiben vom 24. April 2012 teilte die Beklagte dem Havariekommissar im Zuge von Korrespondenz über einen Verjährungsverzicht jedoch mit, dass der Anspruch bereits zuvor zurückgewiesen wurde. Auch wenn ein vorheriges Zurückweisen nicht aktenkundig war, ging das OLG Saarbrücken davon aus, dass jedenfalls in dem E-Mailschreiben vom 24. April 2012 selbst eine unmissverständliche Zurückweisung der Schadenersatzforderung lag. Dementsprechend endete die Hemmung der Verjährung am 24. April 2012 (Art. 32.2 Satz 1 CMR).

Keine Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB

Die Klägerin argumentierte dann, dass ungeachtet einer Haftbarhaltung die Verjährung des Anspruches jedenfalls durch Verhandlungen im Zeitraum zwischen dem 15. Dezember 2011 und dem 16. Dezember 2013 gemäß § 203 BGB gehemmt gewesen sei. In der Tat gab es weitere Korrespondenz zwischen den Parteien und öffnet nach überwiegender Ansicht Art. 32.3 CMR den zusätzlichen Anwendungsbereich des nationalen Hemmungsrechtes. Jedoch fehlte es, nach Ansicht des Senates an zweierlei. Erstens trat die Beklagte nicht in ernsthafte Verhandlungen, sondern monierte fehlende Unterlagen und gewährte der Klägerin lediglich wiederholt Verjährungsverzichtserklärungen, jeweils unter dem Vorbehalt, dass Verjährung nicht bereits eingetreten war. Zweitens bedeutet Hemmung der Verjährung, dass die bereits angelaufene Verjährung zwar frühestens 3 Monate nach dem hemmenden Ereignis ablaufen kann, nach diesem aber weiter läuft (§ 203 S. 2 BGB). Da vor Aufnahme der seitens der Klägerin behaupteten Verhandlungen bereits 11 Monate der Verjährung abgelaufen waren, konnte sich die Klägerin nicht auf die Klageerhebung am 4. April 2016 berufen. Selbst die Verhandlungen unterstellt, wäre Verjährung längst eingetreten.

Keine wirksame Streitverkündung

Schließlich war auch die seitens der Klägerin gegenüber der Beklagten im Vorprozess ausgesprochenen Streitverkündung vom 21. Mai 2014 nicht geeignet, die Verjährung im hiesigen Regressprozess zu hemmen. Eine wirksame Streitverkündung setzt voraus, dass die streitverkündende Partei dem Streitverkündungsempfänger mitteilt, aus welchem Recht, ggf. auch aus abgetretenem Recht, sie vorgeht. Dieses Rechtsverhältnis ist unter Angabe der tatsächlichen Grundlagen so genau zu bezeichnen, dass der Streitverkündungsempfänger, ggf. nach Einsicht in die Prozessakten prüfen kann, ob es für ihn angebracht ist, dem Rechtsstreit beizutreten (so zB BGH IV ZR 209/02). Daran fehlte es vorliegend, da unsere Klägerin der heutigen Beklagten nicht mitgeteilt hatte, dass die E, also die unmittelbare Auftraggeberin der Beklagten ihren Regressanspruch zuvor an die Klägerin abgetreten hatte.

Fazit

Wegen der kurzen Verjährungsfristen spielt die Hemmung der Verjährung im Transportrecht eine besonders bedeutende Rolle. Mit Blick auf deren Bewirkung ist aber jeweils sorgfältig vorzugehen, insbesondere sind entsprechende Kommunikationen zu dokumentieren und erfordert eine Zurückweisung die rechtzeitige Einleitung anderer Schritte zum Schutz eines Anspruches vor dem Eintritt der Verjährung. Als solcher kommen auch Verhandlungen iS des § 203 BGB in Frage, die aber ernsthafte Auseinandersetzungen über den Anspruch und/oder seine tatsächlichen Grundlagen voraussetzen. Auch hier ist dann eine andere Vorgehensweise gefragt, wenn die andere Partei die Fortsetzung solcher ernsthaften Auseinandersetzung verweigert.
Da im Transportgewerbe oft eine Kette an Subunternehmern involviert ist, kommt zum Schutz eines (Regress-) Anspruches vor Verjährung regelmäßig auch eine Streitverkündung in Betracht, die aber nur wirksam ist, wenn deren Empfänger in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob es für ihn angebracht ist, dem Rechtsstreit beizutreten. Dazu gehört im Zweifel auch, dass der Streitverkündende offenlegt, aus – welchem – abgetretenen Recht er vorgeht.

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