10. Februar 2022
Das Transportrecht ist ein Rechtsgebiet mit verschiedenen Sonderregelungen, die sich leicht als Haftungsfallen entpuppen. So gelten auch für die Verjährung von Ansprüchen aus einer Beförderung, auf die die allgemeinen Vorschriften über das Frachtgeschäft (bei nationalen Straßentransporten: §§ 407 ff. HGB) anwendbar sind, besondere Regeln.
Nach § 439 Abs. 1 HGB verjähren solche Ansprüche bereits in einem Jahr. Nach Artikel 32 Nr. 1 der CMR gilt dies auch für grenzüberschreitende Straßentransporte. Entsprechend kurze Verjährungsregelungen finden sich auch in den für andere Beförderungsmittel spezifischen Rechtsgrundlagen, so für den Eisenbahnfrachttransport (Artikel 48 § 1 COTIF-CIM) für die Beförderung per Luftfracht (Artikel 35 Ziff. 1 des Montrealer Übereinkommens) und für die Binnenschifffahrt (Artikel 24 Abs. 1 CMNI). Der Lauf der Verjährung beginnt nach HGB mit dem Ablauf des Tages, an dem das Gut abgeliefert wurde oder – im Falle des Verlustes - hätte abgeliefert werden sollen. Der Gesetzgeber wollte so sicherstellen, dass im Bereich des Massengeschäfts frühzeitig Rechtssicherheit einkehrt. Diese besonderen Verjährungsregeln gehen den allgemeinen Verjährungsregeln des BGB als sogenannte lex specialis vor. Sie sind zudem AGB-fest (§ 439 Abs. 4 HGB).
Ausgenommen von dieser kurzen Verjährung sind Ansprüche wegen Vorsatz oder qualifiziertem Verschulden (z.B. § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB und für grenzüberschreitende Straßentransporte Artikel 32 Nr. 1 Satz 2 CMR). In diesen Fällen verlängert sich die Verjährung auf drei Jahre. Nach § 435 HGB liegt qualifiziertes Verschulden vor, wenn der Schaden auf eine Handlung oder ein Unterlassen zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder einer in § 428 HGB genannte Person vorsätzlich oder leichtfertig, in dem Bewusstsein begangen hat, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Eine ähnliche Regelung findet sich in Art. 29 Abs. 1 CMR, wobei hier zu beachten ist, dass bei fehlendem Vorsatz nach dem Recht des angerufenen Gerichts zu bewerten ist, ob ein qualifiziertes Verschulden vorliegt. Da dies nach den verschiedenen Rechtsordnungen keineswegs einheitlich bewertet wird, ist hier ggf. Platz für „Forum Shopping“.
Von dieser kurzen Verjährung sind insb. Haftungsansprüche des Versenders gegen den Frachtführer betroffen. Ob die vorstehend beschriebenen Grundsätze auch für die Verjährung von Primäransprüchen gilt, zB die Zahlung der Fracht, ist jedenfalls in der Begründung nicht ganz unumstritten, aber relevant, weil die Nichtzahlung einer in Rechnung gestellten Leistung regelmäßig vorsätzlich sein wird (für die dreijährige Verjährung zB Koller, Transportrecht, 10. A., Rz. 27 zu § 439 HGB und BGH I ZR 31/08, abgedruckt in Transportrecht 2010, S. 225; anders MüKo-Eckhardt, Rz. 12 zu § 439 HGB, der auf Schadenersatz als sekundären Erfüllungsanspruch abstellt). Hat ein Versender seinen Frachtführer überzahlt, zB weil unberechtigte Aufschläge abgerechnet wurden oder der Versender aus Versehen doppelt gezahlt hat (so in OLG Saarbrücken, 5 U 726/03-8(04), BeckRS 2005, 403), so ist auch ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Rückforderung von den besonderen Verjährungsregelungen des § 439 HGB erfasst. Entsprechendes gilt für deliktische Ansprüche basierend auf Handlungen oder Unterlassen, die aufgrund eines Transportvertrages erfolgen; die allgemeinen Verjährungsregeln werden insoweit derogiert.
Das Damoklesschwert der kurzen transportrechtlichen Verjährung wird dadurch entschärft, dass der Lauf der Verjährung gehemmt wird, wenn der Anspruchsteller seine Ersatzansprüche erhebt und zwar solange, bis der Verpflichtete diese (endgültig) ablehnt. Beides muss (mindestens) in Textform dokumentiert werden. Eine erneute Haftbarhaltung wegen desselben Ersatzanspruches setzt keine weitere Hemmung in Gang. Dieser Mechanismus ist in § 439 Abs. 3 HGB wegen seiner besonderen Bedeutung mit Blick auf diese kurze Verjährung gesondert geregelt. Noch nicht endgültig geklärt ist, ob daneben bzw. darüber hinaus auch § 203 BGB Anwendung findet, also die Hemmung der Verjährung wegen Verhandlungen; dies ist wohl hinsichtlich der Rechtsfolgen der Hemmung (Eintritt der Verjährung frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung - § 203 S. 2 BGB) zu bejahen, wird aber wegen des Grundsatzes der lex specialis nicht zu einer Aufhebung der von § 439 HGB statuierten Formerfordernissen führen können.