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23. Januar 2023

EU-Taxonomie und die Immobilienbranche: Viele Fragen und einige Antworten

  • Briefing

Die Europäische Kommission veröffentlichte am 19. Dezember 2022 einen Entwurf für FAQs zum Thema EU-Taxonomie und technische Bewertungskriterien. Wir haben einen ersten Blick in die FAQs geworfen und fassen die für die Immobilienbranche wichtigsten Antworten nachfolgend zusammen.

Am 16. Dezember 2022 wurde die Corporate Sustainability Reporting Directive („CSRD“) im Europäischen Amtsblatt veröffentlicht und trat am 5. Januar 2023 in Kraft. Gemäß CSRD sind beginnend mit dem Jahr 2023 stufenweise immer mehr Unternehmen verpflichtet, über sog. ESG-Themen zu berichten. Die Abkürzung ESG steht dabei für die Begriffe „Environment“, „Social“, „Governance“, gemeinhin auch unter dem Begriff der „Nachhaltigkeit“ verstanden.

Auch zur EU-Taxonomie-Verordnung („Taxonomie-VO“) gibt es wichtige Neuigkeiten. Im europäischen Kontext gewinnt der Begriff der Nachhaltigkeit durch die Taxonomie-VO zunehmend an Kontur. Die Taxonomie-VO regelt, unter welchen Voraussetzungen eine wirtschaftliche Tätigkeit als nachhaltig eingestuft werden kann. Voraussetzung hierfür ist u.a., dass eines von sechs definierten Umweltzielen gefördert wird. Am 19. Dezember 2022 hat die Europäische Kommission nun gleich zwei Entwürfe mit FAQs zu verschiedenen Fragen rund um die Taxonomie-VO veröffentlicht. Der erste FAQ-Entwurf beschäftigt sich mit Fragen zu Art. 8 Taxonomie-VO und die sich hieraus ergebenden Berichtspflichten für Unternehmen. Der zweite, im Folgenden näher beleuchte FAQ-Entwurf beinhaltet insgesamt 187 Fragen zu technischen Bewertungskriterien für die Umweltziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“. Die technischen Bewertungskriterien sind in der Delegierten Verordnung 2021/2139 („Delegierte VO“) enthalten. Die Entwürfe sind im Wesentlichen von der Europäischen Kommission genehmigt und werden – nebst Übersetzungen – im weiteren Fortgang im EU-Amtsblatt veröffentlicht.

Für die Immobilienbranche sind die Ziffern 7.1 bis 7.7 des Anhangs 1 und Anhangs 2 Delegierte VO relevant. Der Entwurf der FAQs beinhaltet einige für die Praxis wichtige Aussagen.

1. Was für einen Energieausweis braucht man? (Questions 104, 115, 145)

Anknüpfungspunkt für die Prüfung der Taxonomiekonformität einer Immobilie ist u.a. der Energieausweis. In den FAQs wird klargestellt, dass sowohl ein Energiebedarfs- als auch ein Energieverbrauchsausweis Grundlage für die Bewertung einer Immobilie sein kann. Da der Energieausweis erst nach Fertigstellung der Immobilie ausgestellt werden kann, wäre es aus Sicht der Europäischen Kommission ein gangbarer Weg, bis zum Zeitpunkt der Fertigstellung mit einem vorläufigen Energieausweis auf Basis der Planung zu arbeiten, der dann aber nach der Fertigstellung durch einen regulären Energieausweis ersetzt werden muss.

Soweit es für bestimmte Gebäude keinen Energieausweis gibt, weil sich diese außerhalb der EU befinden oder weil innerhalb der EU für eine bestimme Gebäudeart keine Energieausweise ausgestellt werden, darf auf „Energy Performance Certificate (EPC) equivalents“ zurückgegriffen werden.

Offen bleibt allerdings, wie mit der Situation in Deutschland für Nichtwohngebäude umzugehen ist. Für Nichtwohngebäude gibt es zwar Energieausweise, diese weisen allerdings keine Energieeffizienzklassen aus. Dies ist im Zusammenhang mit der Taxonomie-VO insoweit problematisch, als gemäß Ziffer 7.7. des Anhangs 1 und des Anhangs 2 Delegierte VO ein Gebäude dann taxonomiekonform ist, wenn es über einen Energieausweis der Klasse A oder besser verfügt. Solange es in Deutschland keine passenden Energieausweise für Nichtwohngebäude gibt, kann dieses Kriterium nicht erfüllt werden. Es bleibt den Immobilieneigentümern wohl vorerst nichts anderes übrig, als den alternativ zulässigen, allerdings wesentlich aufwendigeren Nachweis zu führen, dass sein Gebäude zu den besten 15% (bzw. 30%) des nationalen oder regionalen Gebäudestandes bezogen auf den Primärenergiebedarf gehört. Der Primärenergiebedarf ist die Energiemenge, die zur Deckung des Energiebedarfs im Zusammenhang mit der typischen Nutzung eines Gebäudes benötigt wird.

2. Was sind die besten 15% bzw. 30% des Gebäudebestandes? (Questions 149, 150)

Stellt sich die Frage, wie ein Gebäudeeigentümer überhaupt ermitteln kann, ob sein Gebäude zu den besten 15% bzw. 30% des Gebäudebestandes bezogen auf den Primärenergiebedarf gehört. Offizielle Daten hierzu gibt es für Deutschland nicht. Auch zu dieser Frage hat sich die Europäische Kommission geäußert. Die Europäische Kommission weist darauf hin, dass es keine speziellen Regeln zur Ermittlung des Top-15% bzw. Top-30%-Gebäudebestands gibt. Es sollen – so die Idee der EU-Kommission – technische Studien zur Ermittlung der Top-15%- bzw. Top-30%-Benchmark von willigen Stakeholdern durchgeführt werden. Auf dem deutschen Markt gibt es bereits Anbieter, die damit werben, diese Benchmark ermittelt zu haben. Der Immobilieneigentümer hat dann ausreichende Belege dafür zu liefern, dass seine Immobilie oberhalb der Benchmark liegt. Die Europäische Kommission weist ausdrücklich darauf hin, dass es nicht ausreichend ist, pauschal z. B. alleine auf das Baujahr eines Gebäudes abzustellen. Es ist immer ein Vergleich des Primärenergiebedarfs mit der Benchmark durchzuführen.

3. Wir wird das Baujahr eines Gebäudes ermittelt? (Questions 106/114/143)

Die technischen Bewertungskriterien unterscheiden zwischen Gebäuden, die bis Ende 2020 errichtet wurden und später gebauten Gebäuden. Die Europäische Kommission stellt klar, dass das Datum des Einreichens des vollständigen Bauantrags für die Ermittlung des Baualters ausschlaggebend ist.

4. Wie lange gilt die Taxonomie-VO und die technischen Bewertungskriterien? (Questions 2, 152)

Die Europäische Kommission weist darauf hin, dass mit regelmäßigen Anpassungen zu rechnen ist. Die Anpassungen sind in verschiedenen Bereichen denkbar. Zum einen ist eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Taxonomie-VO denkbar. Bisher fallen nur die wirtschaftlichen Tätigkeiten in den Anwendungsbereich der Taxonomie-VO, die nach Einschätzung des EU-Gesetzgebers besondere Relevanz für den Umweltschutz haben. So fällt z.B. die Vermietung von Immobilien in den Anwendungsbereich, nicht jedoch die Anmietung. Dies könnte sich zukünftig ändern. Auch die technischen Bewertungskriterien könnten geändert werden. Insbesondere für die sogenannten Übergangstätigkeiten sollen die technischen Bewertungskriterien regelmäßig alle drei Jahre geprüft werden. Übergangstätigkeiten sind solche, die den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft ermöglichen. Im Bereich der Immobilienwirtschaft ist das z.B. die Renovierung bestehender Gebäude. Wenn irgendwann der Großteil des Gebäudebestandes einen optimalen, klimaneutralen Zustand erreicht hat, werden Renovierungen zur Optimierung des Energiebedarfs nicht mehr erforderlich sein. Auf dem Weg dorthin wird regelmäßig geprüft werden, unter welchen (technischen) Voraussetzungen die Renovierung eines vielleicht ohnehin schon sehr energieeffizienten Gebäudes noch einen sinnvollen Schritt in Richtung Klimaneutralität darstellt.

5. Gibt es Bestandsschutz? (Question 152)

Wenn mit regelmäßigen Anpassungen der Taxonomie-VO und der hierzu erlassenen delegierten Rechtsakte zu rechnen ist und darüber hinaus ein Teil der einzuhaltenden Kriterien sog. „moving targets“ sind, stellt sich die Frage, ob es Bestandsschutz in dem Sinne gibt, dass ein einmal als taxonomiekonform eingestuftes Gebäude auch nach Änderungen der entsprechenden Bewertungskriterien ein solches bleibt. Insbesondere die Top-15%- bzw. Top-30%-Benchmark wird sich im Laufe der Zeit deutlich verschieben. Diese Frage beantwortet die Europäische Kommission mit einem deutlichen Nein. Die Taxonomie-VO und die technischen Bewertungskriterien sehen keinen Bestandsschutz vor. Bestandsschutz im weiteren Sinne kann sich nur aus z.B. Vorschriften für Finanzinstrumente ergeben. In Art. 7 Abs. 5 der Delegierten Verordnung 2021/2178 ist beispielsweise geregelt, dass bei Änderungen technischer Bewertungskriterien für Finanzinstrumente eine Übergangsfrist von fünf Jahren gilt.

6. Für welche Gebäude gelten die Anforderungen an den maximalen Wasserdurchfluss in Sanitärinstallationen? (Question 122)

Für Neubauten und Renovierungsmaßnahmen gibt es sehr konkrete Vorgaben zum maximalen Wasserdurchfluss der Sanitärinstallationen (vgl. Ziffern 7.1. und 7.2 des Anhangs 1 und des Anhangs 2 Delegierte VO, hier jeweils Ziffer 3 der DNSH-Kriterien). Die Europäische Kommission stellt klar, dass es – entgegen dem missverständlichen Wortlaut – keine grundsätzliche Ausnahme für Wohngebäude gibt. Die Ausnahme von der Anforderung, wassersparende Sanitärinstallationen einzubauen, gilt nur für den privaten Eigenheimbesitzer und nicht für Mehrfamilienhäuser, die einem einzelnen Eigentümer gehören. Die denkbaren Übergänge zwischen privatem Wohnungseigentümer und professioneller Wohnungsgesellschaft sind fließend und es bleibt unklar, in welche Kategorie der Wohnungseigentümer fällt, der z.B. zwei Wohnungen vermietet.

7. Zusammenfassung und Ausblick

Die FAQs der Europäischen Kommission sind von einem gehörigen Maß an Pragmatismus geprägt und verlangen von der Immobilienbranche einiges an Flexibilität. Wo es keine Benchmark gibt, sollen die Stakeholder eine schaffen. Auch wenn noch nicht alle Fragen geklärt wurden, geben die FAQs der Praxis wertvolle Hilfestellung für das Verständnis der technischen Bewertungskriterien. Klar ist jedenfalls schon heute, dass in den nächsten Jahren noch einiges auf die Immobilienbranche zukommen wird.

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