9. Dezember 2021

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BGH: Irreführende Werbung mit objektiv richtigen Angaben bei medizinischem Tätigkeitsschwerpunkt

  • Briefing

Der BGH hat mit Urteil vom 29.07.2021 (Az. I ZR 114/20; GRUR 2021, 1315) bestätigt, dass auch objektiv richtige Werbeangaben – hier über besondere berufliche Qualifikationen – eine unlautere Irreführung begründen können, wenn sie beim Verkehr eine Fehlvorstellung auslösen. Der Fehlvorstellung ist dann durch zumutbare Aufklärung entgegenzuwirken.

Der Beklagte, ein niedergelassener Zahnarzt, hatte einen Masterabschluss mit dem Titel „Master of Science Kieferorthopädie (MSc)“ erworben und erbrachte seit Jahren kieferorthopädische Leistungen. Eine Weiterbildung zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie hat er nicht absolviert. Auf seinem Internetauftritt warb der Beklagte u.a. mit der Geschäftsbezeichnung „(Zahnarzt-)Praxis für Kieferorthopädie“, ohne darauf hinzuweisen, dass er kein Fachzahnarzt ist. Dies mahnte die Klägerin, welche die Berufsaufsicht über Zahnärzte in ihrem Bezirk ausübt, als irreführend ab.

Der BGH stellt fest, dass der Durchschnittsverbraucher den Begriff „Fachzahnarzt für Kieferorthopädie“ bzw. die gebräuchlichere Abkürzung „Kieferorthopäde“ kennt. Er stelle sich darunter einen Zahnarzt vor, der eine von der zuständigen Berufsaufsicht anerkannte Weiterbildung im Fachgebiet der Kieferorthopädie mit bestandener Prüfung absolviert hat, mache sich aber keine vertieften Gedanken zur Dauer und zum Inhalt einer solchen Weiterbildung. Dass das für Ärzte grundsätzlich bestehende Verbot, außerhalb ihres Fachgebiets tätig zu werden, für Zahnärzte nicht gilt und kieferorthopädische Leistungen daher auch durch approbierte Zahnärzte, die keine Fachärzte für Kieferorthopädie sind, erbracht werden dürfen, wisse der Durchschnittsverbraucher nicht. Ein erheblicher Teil der Verkehrskreise gehe vielmehr davon aus, nur ein Fachzahnarzt für Kieferorthopädie dürfe kieferorthopädische Leistungen erbringen und entnehme den streitgegenständlichen Werbeangaben daher die implizite Aussage, der Beklagte sei ein solcher Fachzahnarzt. Auch wenn die vom Beklagten gewählte Bezeichnung objektiv zutreffend war, führten also die fehlenden Kenntnisse der angesprochenen Verkehrskreise von den Besonderheiten des zahnärztlichen Berufsrechts zu einem falschen Verständnis der Werbeangaben.

Zudem stellte der BGH fest, dass es einem Zahnarzt unter Berücksichtigung seiner Berufsausübungsfreiheit grundsätzlich möglich bleiben muss, für die ihm erlaubte Erbringung kieferorthopädischer Leistungen zu werben, auch wenn er kein Fachzahnarzt für Kieferorthopädie ist. Der Beklagte dürfe die streitgegenständlichen Angaben daher verwenden, soweit er der Irreführung des Verkehrs durch aufklärende Hinweise entgegenwirke, insbesondere durch einen deutlichen Hinweis auf die Art der von ihm erworbenen Zusatzqualifikation und den Umfang seiner praktischen Erfahrung.

Praxishinweis:

Die Entscheidung bestätigt einmal mehr, dass auch an sich richtige Angaben in der Werbung irreführend und daher unlauter sein können, wenn sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen ein Verständnis erwecken, das nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmt. Es liegt an dem Werbenden, einer solchen Fehlvorstellung durch geeignete aufklärende Hinweise entgegenzuwirken. Insbesondere bei Angaben, die berufsrechtlich geregelten Qualifikationen wie Fachzahnarzttiteln nahekommen, ist nicht nur aus berufs- sondern auch aus wettbewerbsrechtlichen Gründen besondere Vorsicht geboten. Die Angabe von Spezialisierungen sollte in Zweifelsfällen durch die Art der erworbenen Weiterbildung und den Umfang der praktischen Kompetenz erläutert werden. Diese Erwägungen gelten nicht nur für Zahnärzte, sondern grundsätzlich auch für andere Berufsträger, die mit besonderen Qualifikationen werben.

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