9. Dezember 2021
Die Klägerin, eine deutsche Lack- und Farbenherstellerin, hatte im Wege einer internationalen Registrierung unter Benennung der EU für nachfolgend wiedergegebene Wort-/Bildmarke für diverse Waren/Dienstleistungen der Klassen 2, 16, 19, 35, 37 und 39 im Zusammenhang mit Farben sowie Bauwesen- und Malertätigkeiten Schutz beansprucht.
Gegen diese Eintragung erhob die Streithelferin, eine Lack- und Farbenherstellerin aus Österreich,
Widerspruch aus ihrer nachfolgend wiedergegebenen Unionsmarke, ebenfalls mit Schutz für diverse Waren/Dienstleistungen der Klassen 2, 16, 19, 35, 37 und 39 im Zusammenhang mit Farben sowie Bauwesen- und Malertätigkeiten.
Sowohl die Widerspruchsabteilung als auch die Beschwerdekammer (BK) des EUIPO bejahten eine Verwechslungsgefahr: die sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen seien jeweils entweder identisch oder ähnlich. Die Zeichen seien zwar visuell nur unterdurchschnittlich, aber phonetisch durchschnittlich ähnlich, so dass insgesamt Verwechslungsgefahr vorliege; für die nicht-deutschsprachigen Verkehrskreise der EU hätten die Zeichen mangels inhaltlichem Verständnis auch keine begriffliche Ähnlichkeit.
Die Klage beim EuG gegen diese Entscheidung begründete die Klägerin u.a. damit, dass keine Verwechslungsgefahr bestehe: Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, warum Deutsch als zweitwichtigste Handelssprache nicht in den von der BK genannten Mitgliedsstaaten verstanden würde. Außerdem sei der Gesamteindruck der Widerspruchsmarke fehlerhaft beurteilt worden, da dem Element „Freude an Farbe“ stärkere Bedeutung beigemessen worden sei als dem Wortelement „Glemadur“ sowie den Bildbestandteilen.
Das EuG wies die Klage ab (Urteil vom 23. September 2020, T‑401/19).
Fremdsprachenkenntnisse könnten nur ausnahmsweise als offenkundige Tatsache gelten. Die Klägerin hätte somit eine entsprechende Kenntnis der Verkehrskreise darlegen und beweisen müssen, was durch die bloße Behauptung, Deutsch sei die zweitwichtigste Handelssprache in der Union, nicht geschehen sei. Außerdem gehöre ohnehin der deutsche Begriff „Freude“ nicht zur deutschen Handelssprache. Die Beurteilung des Gesamteindrucks der Widerspruchsmarke durch die BK sei ebenfalls ohne Fehler: beiden Wortelementen komme die gleiche Relevanz zu, „Glemadur“ hebe sich in bildlicher Hinsicht nicht von „Freude an Farbe“ ab, die Bildelemente seien rein dekorativ und somit nicht relevant. Der Umstand, dass sich das einzige Wortelement der Anmeldemarke gänzlich in der Widerspruchsmarke wiederfinde, sei ein Indiz für die Zeichenähnlichkeit. Zudem rücke das Element „Freude an Farbe“ in beiden Marken nicht in den Hintergrund, da weder der Farbexplosion in der streitigen Marke noch dem Wortbestandteil „Glemadur“ in der älteren Marke eine überragende Relevanz zukomme.
Praxishinweis:
Die Entscheidung macht deutlich, dass auf europäischer Ebene auch glatt beschreibenden und nicht-unterscheidungskräftigen Wortbestandteilen im Rahmen von Widerspruchsverfahren unter Umständen eine (entscheidungs-)erhebliche Bedeutung zukommen kann, wenn diese nicht für alle europäischen Verkehrskreise unmittelbar verständlich sind. Diesen Umstand sollte man in der Anmeldepraxis berücksichtigen: einerseits kann man vor diesem Hintergrund auch durchaus die Anmeldung von Kombinationsmarken bestehend aus stark und schwach kennzeichnenden Wortbestandteilen in Erwägung ziehen. Andererseits ist eine Vorabrecherche auch in Bezug auf vermeintlich rein beschreibende Begriffe zu empfehlen, um entsprechende Kollisionen mit Drittmarken zu vermeiden.