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30. April 2021

Weitere Verschärfung und Ausweitung der deutschen Investitionsprüfung

  • Briefing

Das Bundeskabinett hat die 17. AWV-Novelle zur Verschärfung und Ausweitung der deutschen Investitionsprüfung am 27. April 2021 beschlossen. Die Änderungen treten am 1. Mai 2021 in Kraft. Zur Vermeidung von Sicherheitsgefahren kann das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) den Erwerb inländischer Unternehmen durch ausländische Erwerber im Einzelfall überprüfen. Hierbei kommt es zum einen auf den Tätigkeitsbereich des Zielunternehmens und zum anderen auf die prozentuale Höhe des Beteiligungserwerbs an. 

Im vergangenen Jahr hatte die Bundesregierung die Regelungen des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) / AWV, die grundlegenden Normen des deutschen Investitionsprüfregimes, bereits deutlich verschärft und ausgeweitet (Newsletter aus 2020DER BETRIEB, PDF-Download des Aufsatzes). Damit einher ging ein deutlicher Anstieg von Prüffällen beim BMWi. Im letzten Jahr wurden zwei von drei geplanten Reformvorhaben umgesetzt. Die Ausweitung der Investitionsprüfungen mit weiteren Fallgruppen meldepflichtiger Erwerben ins deutsche Recht erfolgt nun im letzten Schritt mit der sog. 17. AWV-Novelle. Wenn ein Nicht-EU-Investor 20 % der Stimmrechtsanteile oder mehr an einem deutschen Unternehmen aus bestimmten Zukunftsbranchen erwerben will, greift künftig eine Meldepflicht und ein strafbewehrtes Vollzugsverbot. Dabei geht es um Tätigkeitsgebiete wie Künstliche Intelligenz, autonomes Fahren, Teilbereiche der Robotik, Halbleiter und Cybersicherheit. Im Bereich besonders sensibler kritischer Infrastrukturen, etwa der Strom- und Wasserversorgung (sektorübergreifende Investitionsprüfung) oder auch dem Rüstungssektor (sektorspezifische Investitionsprüfung), gilt eine Erst-Prüfschwelle von 10 %. Bestehen bleibt weiterhin die Prüfeintrittsschwelle von 25 % bei allen weiteren deutschen Unternehmen im Rahmen der sektorübergreifenden Investitionsprüfung. Eine Meldepflicht ist damit aber nicht verbunden. 

 

Nachfolgend finden Sie einen Überblick über die Änderungen

Die 17. AWV-Novelle zielt darauf ab, die Regeln für Investitionsprüfungen durch die Ausweitung des Anwendungsbereichs weiter zu stärken. Zudem ist nunmehr ausdrücklich festgelegt, dass über den Erwerb von Stimmrechten hinaus auch der Erwerb von Kontroll- und Verwaltungsrechten überprüfbar ist. Die 17. AWV-Novelle bestätigt die bestehende Praxis, Anteilsaufstockungen / Hinzuerwerbe erneut der Investitionskontrolle zu unterwerfen, selbst wenn die Schwellenwerte bereits vor der Transaktion überschritten waren.

Erweiterung des Regelbeispielkatalogs im sektorübergreifenden Prüfregime (§ 55a Abs. 1 AWV)

Im Rahmen des sektorübergreifenden Prüfregimes werden die meldepflichtigen Tatbestände (sog. Regelbeispiele) von 11 auf 27 erweitert. Die sicherheitspolitische Bedeutung der durch die in diesen Fallgruppen erfassten Sektoren beziehungsweise Technologien sieht die Bundesregierung als besonders hoch an. Mit den neuen Fallgruppen werden weitere Fälle festgelegt, in denen eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit besonders naheliegt. Dabei gilt ein Schwellenwert von mind. 20 % der Stimmrechte.

  1. Hochwertige Erdfernerkundungssystemen (aus dem Satellitendatensicherheitsgesetz) (Nr. 12);
  2. Künstliche Intelligenz, die missbräuchlich eingesetzt werden könnte (Nr. 13); 
  3. autonome Kraftfahrzeuge oder unbemannte Luftfahrzeuge (inkl. Drohnen) sowie wesentliche Komponenten oder Software (Nr. 14);
  4. spezielle Teilbereiche der Robotik (Nr. 15);
  5. bestimmte Halbleiter wie integrierte Schaltungen auf einem Substrat und diskrete Halbleiter sowie Optoelektronik (Nr. 16);
  6. IT-Produkte und -Komponenten zum Schutz von IT-Systemen, zur Abwehr von Cyberangriffen und IT-Technologie zur Aufklärung von Straftaten und zur Beweissicherung durch Strafverfolgungsbehörden (Nr. 17);
  7. Luftfahrtunternehmen i.S.d. Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 sowie Luft- und Raumfahrtunternehmen, die bestimmte Dual-Use-Güter oder Güter oder Technologien, die für die Verwendung in der Luft- und Raumfahrt oder für den Einsatz in Raumfahrtinfrastruktursystemen bestimmt sind, entwickeln oder herstellen (Nr. 18);
  8. Entwickler oder Hersteller von Nukleartechnologie (Nr. 19);
  9. Entwickler oder Hersteller von Gütern und wesentlichen Komponenten der Quantentechnologie (Nr. 20);
  10. Entwickler oder Hersteller von additiven Fertigungen (3D-Druck) (Nr. 21);
  11. Netztechnologien, insbesondere im Bereich 5G-Netze (Nr. 22);
  12. Smart-Meter-Gateways und Sicherheitsmodule für diese (Nr. 23);
  13. Unternehmen das Personen beschäftigt, die für die Bundesrepublik Deutschland wichtige Leistungen und Dienstleistungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik, z.B. im Bereich Digitalfunk erbringen (Nr. 24);
  14. Rohstoffgewinner, -verarbeiter und -veredler wie auf der Liste kritischer Rohstoffe der EU ausgeführt (Nr. 25);
  15. Waren, die als Geheimpatente gesetzlich geschützt sind (Nr. 26) und
  16. Unternehmen, die unmittelbar oder mittelbar eine landwirtschaftliche Fläche von mehr als 10.000 Hektar bewirtschaften (Nr. 27).

    Der Verordnungsgeber hat die zu Grunde liegende Terminologie der EU-Screening-Verordnung teilweise konkretisiert – entweder durch Verweis auf spezielle deutsche oder EU-Gesetze wie das Satellitendatensicherheitsgesetz oder bestimmte Positionsnummern der Verordnung 428/2009. Dieser Ansatz ist zu begrüßen, da er zu einer klareren Abgrenzung der relevanten Tätigkeiten führt als die EU-Vorschriften. Andere Mitgliedstaaten haben die EU-Regeln lediglich 1:1 in ihr nationales Recht "kopiert" haben. 

Änderungen im sektorspezifischen Prüfregime

Im Bereich der sektorspezifischen Prüfung wird künftig Bezug auf sämtliche Rüstungsgüter im Sinne von Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste genommen. Bislang waren nur einzelne Listenpositionen im Bereich der Rüstungsindustrie erfasst. Eine neu eingeführte zweite Fallgruppe erfasst bestimmte Wehrtechnik, auf die sich geheime Patente oder bestimmte geheime Gebrauchsmuster beziehen, entwickeln, herstellen, verändern oder in ihrem Besitz haben. Diese Patente und Gebrauchsmuster werden aufgrund einer Prüfung als Staatsgeheimnis eingestuft. Aus Gründen des Geheimhaltungsschutzes müssen betroffene Unternehmen sicherstellen, dass die Patente und Technologien nicht veröffentlicht werden und kein Abfluss von Know-how ins Ausland erfolgt. Während die dritte Fallgruppe der sektorspezifischen Regelung (Produkte mit IT-Sicherheitsfunktionen zur Verarbeitung von Verschlusssachen der öffentlichen Hand) weitgehend unverändert bleibt, wird durch die 17. AWV-Novelle eine vierte Kategorie "verteidigungswichtiger" Einrichtungen im Sinne des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes eingeführt, d.h. Einrichtungen außerhalb der Zuständigkeit des Bundesministeriums der Verteidigung, die der Herstellung oder Aufrechterhaltung der Verteidigungsbereitschaft dienen und deren Beeinträchtigung mangels kurzfristiger Substituierbarkeit eine erhebliche Gefährdung der Funktionsfähigkeit, insbesondere der Ausrüstung, Führung und Unterstützung der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie des Zivilschutzes darstellt. Erfasst werden von der vierte Kategorie Unternehmen, die zum Beispiel unmittelbar mit dem Bau von wehrtechnischem Material befasst sind.


Anpassung der Erst-Prüfschwellen

Die Erst-Prüfschwellen im Rahmen der sektorübergreifenden Investitionsprüfung sind nun gestaffelt. Zuvor galt für alle Regelbeispiele des § 55 Abs. 1 AWV a.F. eine Prüfschwelle von 10%. Aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sah der Verordnungsgeber es nun aber als geboten an, die besonders strenge Erst-Prüfschwelle von 10 % künftig auf kritische Infrastrukturen (im Sinne der Nr. 1 bis 7 in § 55a Abs. 1 AWV) sowie den Rüstungssektor (sektorspezifische Prüfung) zu beschränken. Dies ist zu begrüßen, da die 10%-Prüfschwelle für sämtliche meldepflichtigen Erwerbe und das damit verbundene strafbewehrte Vollzugsverbot als zu weitgehende Belastung der Transaktionspraxis empfunden wurde. Bei den sonstigen Fallgruppen Nr. 8 bis 27 des § 55a Abs. 1 AWV gilt nun eine Prüfeintrittsschwelle von 20 %. Im Übrigen gilt für Unternehmen keine Meldepflicht. Die allgemeine Prüfeintrittsschwelle liegt im Bereich der sektorübergreifenden Investitionsprüfung bei allen anderen Unternehmen bei 25 %


Atypischer Kontrollerwerb als neuer Aufgreif- und Kontrolltatbestand

Mit der 17. AWV-Novelle wird nun klargestellt, dass entsprechend der bisherigen Praxis des BMWi auch „Hinzuerwerbe“ über den Erst-Prüfschwellen ebenfalls in den Anwendungsbereich der Investitionsprüfung fallen. Allerdings wurde der noch im Referentenentwurf vorgesehene undifferenzierte Ansatz nicht gewählt. Stattdessen hat sich der Verordnungsgeber für ein abgestuftes Modell entschieden. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit wird die Prüfrelevanz von Hinzuerwerben nun auf bestimmte gesellschaftsrechtlich besonders relevante Schwellenwerte begrenzt. Dies sind die Schwellen 25 %, 50 % und 75 %, deren Erreichen beziehungsweise Überschreiten gesellschaftsrechtlich unmittelbar mit einer Verfestigung der Gesellschafterpositionen und entsprechenden erweiterten Einfluss- beziehungsweise Kontrollrechten einhergeht. 
Neu und besonders relevant ist, dass Kontrollrechte außerhalb der formellen Stimmrechte eine Prüfung durch das BMWi auslösen können (aber keine Meldepflicht auslösen). Die Bundesregierung bezieht sich auf die Besetzung von Aufsichtsgremien, Geschäftsführungen sowie auf Vetorechte bei strategischen Geschäftsentscheidungen und umfangreiche Informationsrechte. Zur Auslegung dieser unbestimmten Begriffe bietet sich eine Heranziehung des Kartellrechts an, da die Prüfung von (Mit-)Kontrollrechten bei der Fusionskontrolle zum Standard gehört.

Änderung im Verfahrensrecht

Das Bestehen einer Meldepflicht im Bereich der sektorübergreifenden Prüfung gemäß einer der speziell geregelten Fallgruppen des neuen § 55a Abs. 1 AWV und ein paralleler (hilfsweiser) Antrag auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung für nicht konkret genannte Tätigkeiten schließen sich künftig aus. Zudem wird klargestellt, dass das BMWi von der sektorübergreifenden in die sektorspezifische Prüfung und umgekehrt wechseln kann. Die Praxis der letzten Jahre zeigt, dass sich immer mehr Fälle an der Schnittstelle der Anwendungsbereiche von sektorübergreifender und sektorspezifischer Investitionsprüfung bewegen. Oft kann erst im weiteren Verfahrenslauf nach Eingang und Prüfung von Detailinformationen festgestellt werden, welches Prüfverfahren im konkreten Fall tatsächlich einschlägig ist.

 

Auswirkungen für Investoren

Deutschland und die EU verfügen nach wie vor über eines der weltweit offensten Investitionsprüfregime. Insofern sind die jüngsten Anpassungen als eine Annäherung an internationale Standards zu begrüßen. In der Praxis dürften weiterhin nur in Ausnahmefällen Untersagungsentscheidungen ergehen. Dennoch wird die 17. AWV-Novelle weitreichende Auswirkungen auf ausländische Investitionen in Deutschland haben. Die Zahl der meldepflichtigen Transaktionen wird sich wahrscheinlich mehr als verdoppeln. In Anbetracht der strengen Sanktionen (einschließlich bis zu fünf Jahren Haft bei vorsätzlichem Verstoß) ist es zu begrüßen, dass der Gesetzesentwurf mehr Rechtssicherheit bietet als die undefinierten Begriffe in der EU-Screening-Verordnung. Aus Sicht der M&A-Praxis positiv sind auch die differenzierten Prüfeintrittsschwellen von 10 %, 20 % oder 25 % für den Ersterwerb sowie die festgelegten Schwellenwerte für den Hinzuerwerb von Stimmrechtsanteilen. Investoren und Zielunternehmen sind gut beraten, mit Blick auf die Ausweitung der meldepflichtigen Regelbeispiele und das korrespondierende strafbewehrte Vollzugsverbot sowie der teils noch immer langen Verfahrensdauern ein noch größeres Augenmerk auf die Vorbereitung der AWV-Investitionsprüfung zu legen. Es sollte ein entsprechender Zeitrahmen für eine etwaige Anmeldung der Transaktion beim BMWi eingeplant werden. 

 
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