30. Dezember 2020
How dare you: Müssen Immobilien Nachhaltigkeitskriterien genügen? – 2 von 3 Insights
Die Taxonomie-VO mit ihrem einheitlichen Klassifikationssystem richtet sich unmittelbar an die EU-Mitgliedsstaaten, an die Finanzmarktteilnehmer, die Finanzprodukte bereitstellen, und an Finanzberater. Der Adressatenkreis ist in Art. 2 Ziff. 1 und Ziff. 11 der Verordnung (EU) 2019/2088 definiert (Offenlegungs-VO bzw. SFDR – Sustainable Finance Disclosure Regulation).
In der Immobilienbranche zählen daher schon als direkt von der Taxonomie-VO adressierte Marktteilnehmer die Investmentvermögen, OGAW und (Spezial-)AIF (§ 1 KAGB). Diese Finanzmarktteilnehmer müssen die in der Taxonomie-VO niedergelegten Umweltziele in ihre Prozesse einbeziehen, wie etwa im Bereich der Immobilientransaktionen in ihren An- und Verkaufsprozess. Namentlich richtet sich die Taxonomie-VO darüber hinaus an solche Unternehmen, die eine nichtfinanzielle Erklärung nach §§ 289b, 289c HGB abzugeben haben.
Die Immobilienbranche ist daher zum großen Teil unmittelbar Adressat der Taxonomie-VO oder zumindest mittelbar davon betroffen. Verkauft zum Beispiel ein mittelständischer Projektentwickler – der selbst weder als Finanzmarktteilnehmer noch als adressiertes Unternehmen qualifiziert – ein Projekt an einen Immobilienfonds, so wird dieser als direkt adressierter Finanzmarktteilnehmer das Ankaufsobjekt nach den Vorgaben der Taxonomie-VO und der delegierten Rechtsakte bewerten. Aus Sicht des Projektentwicklers kann es somit ein veritables Vermarktungshindernis darstellen, wenn beim Bau, bei der Sanierung oder bei der Vermietung des Projekts die Vorgaben aus der Taxonomie-VO (einschließlich der delegierten Rechtsakte) nicht beachtet wurden.
Für die Finanzmarktteilnehmer in der Immobilienbranche geht mit der Taxonomie-VO eine Verschärfung der Offenlegungspflichten der Offenlegungs-VO bzw. SFDR einher. Sie müssen nun neue Transparenzvorschriften u.a. in vorvertraglichen Informationen und regelmäßigen Berichten erfüllen (vgl. Art. 5, 6, 7 der Taxonomie-VO). Wird mit einem Finanzprodukt in eine Wirtschaftstätigkeit investiert, die einen Einfluss auf die Erreichung eines der Umweltziele hat, muss offengelegt werden, um welches Umweltziel es sich handelt und außerdem wie und in welchem Umfang die Investition eine ökologisch nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit darstellt. Gleiches gilt, wenn ein Finanzprodukt mit ökologischen Merkmalen beworben wird. Wenn ein Finanzprodukt hingegen keines der Umweltziele berücksichtigt, muss die Erklärung beigefügt werden, dass die Investition die EU-Kriterien nicht berücksichtigt.
Allerdings sind sie Nachhaltigkeitskriterien von Finanzinvestitionen im Immobilienbereich in der Praxis derzeit noch lückenhaft. Qualifizierte ökologische Audits für Immobilien in Deutschland gibt es in der erforderlichen Form noch nicht. Übergangsweise wird mit den bestehenden nationalen Standards und Regularien gearbeitet. Ein Immobilienfonds kann sich danach schon als nachhaltig bezeichnen, wenn die von ihm erworbenen oder gehaltenen Immobilien hinsichtlich der Energieeffizienz zu den (in dieser Hinsicht) besten 15 % der Immobilien im Markt zählen. In der Übergangszeit bedient man sich zur Bestimmung dieses Werts der sogenannten Energy Performance Certificate (EPC) Ratings, also in Deutschland des Energieausweises.
Im europäischen Markt sind bereits heute vielfältige Zertifizierungen mit und ohne Bezug auf ESG-Kriterien im Umlauf. In Deutschland setzen sich z.B. für den Neubau und die Sanierung die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), die Leadership in Energy and Environmental Design (LEED) oder auch regione Spezialisten wie das Hamburger Umweltzeichen HafenCity mit den Kriterien zur Nachhaltigkeit auseinander.
Die Kriterien in der Taxonomie-VO sind Stand heute nicht abschließend bekannt und werden in delegierten Rechtsakten spezifiziert, die derzeit im Entwurfsstadium sind. Pauschale Aussagen wie etwa „diese Zertifizierung ist Taxonomie-VO konform“ sind Stand heute somit nicht möglich. Vielmehr ist die Antwort auf die Frage, ob die konkreten Kriterien mit bzw. im Rahmen der Zertifizierung geprüft und nachgewiesen werden, im Fluß und anhand der weiteren Entwicklung auf europäischer Ebene zu prüfen. Dies gilt natürlich für alle Zertifizierungen, bei denen der Einklang mit oder die Abweichungen von den konkreten Vorgaben der Taxonomie-VO ebenfalls im Einzelfall festzustellen ist.
Ob Ihr Projekt, Ihr Leistungsangebot oder Ihre Immobilie ESG-compliant ist, bemisst sich neben der Taxonomie-VO an den im Entwurf befindlichen delegierten Rechtsakten. Zu den einzelnen Kriterien gibt es schon jetzt eine Fülle von weiterführenden Richtlinien, Gutachten und Stellungnahmen. Daher kann dieser Beitrag eine rechtliche Beurteilung Ihrer Prozesse und Kriterien in Bezug auf Ihre konkrete Immobilie nicht ersetzen und stellt lediglich einen ersten unverbindlichen Überblick dar.
Bitte wenden Sie sich daher mit Fragen gern an unsere ExpertInnen.
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