9. Dezember 2024
Bislang mussten Gewerberaummietverträge mit einer festen Laufzeit von mehr als einem Jahr die Schriftform gemäß §§ 578, 550, 126 BGB erfüllen. Dieses Formerfordernis diente hauptsächlich dem Schutz eines Immobilienkäufers, der gemäß § 566 BGB durch Erwerb einer vermieteten Immobilie in den Mietvertrag eintritt. Ab dem 1. Januar 2025 reicht bereits die Textform für den formgerechten Abschluss und die Änderung solcher Verträge aus.
Das bedeutet: Die Erstellung einer physischen Vertragsurkunde, d.h. Unterschriften auf einem ausgedruckten Dokument sind nicht mehr erforderlich. Die Neuregelung soll Vertragsabschlüsse vereinfachen und beschleunigen. Weiteres erklärtes Ziel ist es, die Möglichkeit vorzeitiger Kündigungen durch die Ausgangsparteien eines Mietvertrags aufgrund von Formverstößen zu reduzieren, den Erwerberschutz aber beizubehalten. Das bisherige strenge Schriftformerfordernis führte oft dazu, dass Mietverträge bereits wegen kleinerer Formfehler vorzeitig gekündigt werden konnten.
Was bedeutet Textform? Textform (§ 126b BGB) bedeutet eine lesbare Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger, die die Person des Erklärenden nennt. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal muss die Erklärung weiterhin einen räumlichen Abschluss aufweisen. Der Austausch von E-Mails kann z.B. für den Vertragsschluss ausreichen.
Was passiert, wenn die gesetzliche Textform nicht eingehalten wird? Was bisher für die Schriftform galt, gilt nun für die Textform: Werden die gesetzlichen Anforderungen an die Form nicht eingehalten, führt das dazu, dass ein befristeter Mietvertrag vorzeitig gekündigt werden kann.
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Die Gesetzesänderung gibt der Branche einen begrüßenswerten Digitalisierungsimpuls, der viele Vorteile verspricht. Weil aber im Detail noch offene Rechtsfragen bestehen sollte angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung von Gewerbemietverträgen die Umstellung auf Textform behutsam angegangen werden und dabei größte Sorgfalt an den Tag gelegt werden. Zwar erlaubt der Gesetzgeber künftig mehr Flexibilität, indem er auf das Erfordernis einer physischen Urkunde verzichtet. Dennoch sollten Verträge – ob digital oder in Papierform – mit der gleichen Akribie gestaltet werden wie bisher. Es ist bislang offen, in welchem Umfang einzelne durch die Rechtsprechung entwickelte Anforderungen an die Schriftform auch auf die Textform anwendbar sein könnten. Besonders bei Nachträgen ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass die alten Grundsätze zur so genannten Urkundeneinheit auch zukünftig für die Textform, ggf. in modifizierter Form gelten. Es erscheint ratsam, sich bei der Gestaltung von Verträgen in Textform an der bisherigen Gestaltung von Vertragsurkunden zu orientieren. Formfehler in Nachträgen können den gesamten Vertrag gefährden und – wie bisher auch – die Kündigung des gesamten Vertrags ermöglichen.
Bei der digitalen Unterzeichnung von Mietverträgen lohnt es sich, auf etablierte Signaturtools zu setzen. Diese Tools unterstützen alle Arten von elektronischen Signaturen – einfach, fortgeschritten und qualifiziert – und können auch dann genutzt werden, wenn Vertragspartner keinen eigenen Account beim jeweiligen Anbieter besitzen. Das erforderliche Sicherheitsniveau der Signatur sollte im Einzelfall geprüft werden. Falls gewünscht können „Signatur-Policies“ für unterschiedliche Vertragstypen (z.B. Büro- Lager- und Stellplatzmietverträge) festgelegt werden. Für die Einhaltung der Textform sind grundsätzlich alle Signaturtypen geeignet. Wird ein Signaturtool eingesetzt, können nachträgliche Änderungen im Dokument schnell erkannt werden. Außerdem erhalten alle Bestandteile des digital signierten Dokuments eine Signatur-ID, die eine Zuordnung von Anlagen zu einem Vertrag vereinfachen. Im Streitfall sind nach den Regeln der Zivilprozessordnung jedoch nur elektronische Dokumente mit qualifizierter Signatur den bisherigen Vertragsurkunden beweisrechtlich gleichgestellt.
Allerdings bietet auch das beste Signaturtool keinen absoluten Schutz vor Missbrauch durch z.B. Fälschung. Und: Auch zukünftig dürfen die Anlagen nicht vergessen werden! Gewerbemietverträge beinhalten häufig umfangreiche Dokumente wie Grundrisse und technische Unterlagen. Bevor der Vertrag auf digitalem Wege abgeschlossen wird, sollte überprüft werden, ob diese Anlagen vollständig und in der notwendigen Qualität übermittelt werden können. Gerade bei der Nutzung von Signaturtools gibt es häufig Beschränkungen hinsichtlich der Dateigröße. Hier kann es notwendig sein, eine geeignete alternative Methode zu finden, um alle relevanten Informationen in den Vertrag einzubeziehen.
Für alle Beteiligten entsteht für die Zukunft eine neue Herausforderung, keine vertragsrelevanten Änderungen über informelle Kommunikationswege zu vereinbaren, die möglicherweise die Form wahren und folglich nicht einmal mehr zur Kündbarkeit des Vertrags führen. Änderungsvereinbarungen gehören immer in einen separaten, dokumentierten Nachtrag. Die vom Gesetzgeber ermöglichte schnelle Abwicklung z.B. per E-Mail kann dazu führen, dass Änderungen am Mietvertrag ungeplant und unbeabsichtigt vorgenommen werden. Schnell verschickte Nachrichten zwischen Property Management und Mieter können schon als Vertragsänderung gelten. Es kann sich daher die Aufnahme eines entsprechenden Disclaimers in E-Mail-Signaturen anbieten, der darauf hinweist, dass Verträge oder Vereinbarungen nicht durch einfache E-Mail-Kommunikation abgeschlossen werden. Da auch die Wirkung eines solchen Disclaimers begrenzt ist, entbindet ein solcher Hinweis nicht davon, bei der Kommunikation im Zusammenhang mit Mietverhältnissen besonders aufmerksam zu agieren.
Die Umstellung auf die Textform wirkt sich auf die Durchführung von Immobilientransaktionen aus. Mietverträge und Nachträge – egal ob physisch oder digital – müssen so transparent und nachvollziehbar gestaltet sein, dass auch zukünftige Erwerber sich im Rahmen der üblichen Ankaufsprüfung (Due Diligence) über den Inhalt des Mietverhältnisses umfassend informieren können. Ansonsten drohen Schwierigkeiten im Verkaufsprozess. Es ist in jedem Fall damit zu rechnen, dass Garantieklauseln zum Inhalt und zur Form von bestehenden Mietverträgen in Kaufverträge verhandelt werden.
Es gilt daher zu verhindern, dass es für Erwerber (aber auch für Eigentümer selbst) künftig schwieriger wird, genau nachzuvollziehen, was zwischen den Vertragsparteien vereinbart wurde. Wird die Umstellung auf die Textform schlecht implementiert, könnte statt einer strukturierten Sammlung von Dokumenten, die ein Erwerber prüfen und bewerten kann, in Zukunft eine Vielzahl von unübersichtlichen physischen und digitalen Dokumenten oder sogar nur Chatnachrichten den Vertragsinhalt ausmachen.
Der Aspekt des Erwerberschutzes ist auch für denjenigen relevant, der seine Immobilie aktuell nicht verkaufen möchte. Ob es bereits ein Erwerber gibt oder ob überhaupt nur die Veräußerung der Immobilie geplant ist, spielt für die Formfragen keine Rolle. Ein Verstoß liegt nach der Rechtsprechung zum bisherigen Recht bereits dann vor, wenn ein potenzieller Erwerber die Vertragsvereinbarungen nicht mehr zweifelsfrei zuordnen kann.
Für Bestandsmietverträge gilt eine Übergangsfrist von einem Jahr. Erst ab 2026 gilt für diese Verträge die reduzierten Anforderungen der Textform. D.h., dass nur noch bis Ende 2025 die Möglichkeit besteht, befristete Mietverträge unter Berufung auf einen Schriftformmangel vorzeitig zu kündigen.
Die Übergansfrist verkürzt sich, wenn man ab dem 1. Januar 2025 Änderungen vereinbart. Dann gilt die Textform ab der Änderungsvereinbarung.
In Abwandlung einer alten Immobilienweisheit lautet unser Rat: Sorgfalt, Sorgfalt, Sorgfalt. Der Gesetzgeber hat den Abschluss von Gewerberaummietverträge zwar vereinfacht. Aufgrund der noch bestehenden rechtlichen Unsicherheiten und der oftmals hohen wirtschaftlichen Bedeutung von Gewerberaummietverträgen raten wir, beim Abschluss von Mietverträgen und Nachträgen weiterhin sorgfältig zu arbeiten und auf eine genaue Dokumentation aller Absprachen zum Vertrag zu achten.
von Franziska Hahn
von Franziska Hahn und Niels Heim