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Carsten Bartholl

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Matthias Swiderski, LL.M.

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24. April 2020

Veranstaltungen abgesagt, Geld weg?

Was Veranstalter, Aussteller, Künstler und Dienstleister jetzt tun können.

Zu den ersten Maßnahmen im Rahmen der COVID-19-Pandemie gehörten Absagen von Großveranstaltungen. Das Verbot entsprechender Veranstaltung ist mit der sog. Bund-Länder-Einigung gerade erst bis 31. August 2020 verlängert worden. Das ist mit erheblichen Umsatzeinbußen und ungewollten Kosten für Messe- und Konzertveranstalter, Aussteller und Künstler und die weiteren Dienstleister verbunden. Es bestehen allerdings Möglichkeiten, die aktuelle Situation und ihre finanziellen Folgen abzumildern.

 

I. Personelle Maßnahmen

In der Veranstaltungsbranche stehen Arbeitgeber vor der Frage, wie mit bestehenden Arbeitsverhältnissen umzugehen ist, während Aufträge ausbleiben. Häufige Maßnahmen sind der Abbau von Überstunden, angeordneter Betriebsurlaub, geänderte Altersteilzeitregelungen oder schließlich der Personalabbau, der besonders Messebauer und Veranstaltungstechniker trifft.

Kurzarbeit

Auch das Thema Kurzarbeit ist eine Option. Die betriebsübliche Arbeitszeit wird hierbei für einen begrenzten Zeitraum (i.d.R. bis zu 12 Monate) zur Senkung der Personalkosten verkürzt und der entsprechende Verdienstausfall durch Kurzarbeitergeld kompensiert. Zur Beantragung von Kurzarbeit muss sich der Arbeitgeber auf eine Rechtsgrundlage stützen (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder eine einzelvertragliche Regelung) und eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen. Um Unternehmen in der aktuellen Krisensituation einen einfacheren Zugang zur Kurzarbeit zu ermöglichen und Kündigungswellen vorzubeugen, hat die Bundesregierung neue Regelungen zum Kurzarbeitergeld verabschiedet. Dazu gehören die Verlängerung der Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes auf bis zu 24 Monate, ein erleichterter Zugang zur Kurzarbeit über ein Absenken des erforderlichen Auftragsrückgangsbetroffener Beschäftigter von 30% auf 10%, eine vereinfachte nochmalige Antragstellung nach Unterbrechung der Kurzarbeit sowie der Zugang zum Kurzarbeitergeld für Beschäftigte in Zeitarbeit. Die Große Koalition hat sich zudem nunmehr auf eine Erhöhung des Kurzarbeitergelds verständig.

Hilfe für Selbständige

Obwohl in Krisenzeiten Maßnahmen wie Kurzarbeit möglichst vielen Berufsgruppen helfen sollen, haben Arbeitnehmer auf Grund der Heterogenität der Veranstaltungsbranche unterschiedliche Ansprüche auf staatliche Beihilfen. Selbständige Künstler etwa profitieren nicht von der Kurzarbeitsreform, da sie in keinem Angestelltenverhältnis arbeiten. Um Kleinstunternehmen, Soloselbstständige und Freiberufler vor existenzbedrohenden Situationen zu retten, bietet der Bund jedoch unbürokratische Soforthilfen an. In allen 16 Bundesländern werden auf Basis des Bundesprogramms an Selbstständige und Unternehmen mit bis zu 5 Beschäftigten (Vollzeitäquivalent) eine Einmalzahlung von bis zu 9.000 Euro für 3 Monate und an Selbstständige und Unternehmen mit bis zu 10 Beschäftigten (Vollzeitäquivalent) eine Einmalzahlung von bis zu 15.000 Euro für 3 Monate ausgezahlt. Die Bundesländer stocken die Soforthilfe des Bundes darüber hinaus durch eigene Mittel auf.

 

II. Umgang mit Verträgen und vertraglichen Verpflichtungen

Moratorium der Bundesregierung

Für Verträge, die vor dem 8. März 2020 geschlossen wurden, steht dem Schuldner, der Kleinstgewerbetreibender oder Verbraucher ist, jetzt grundsätzlich ein Leistungsverweigerungsrecht bis zum 30. Juni 2020 zu. Voraussetzung ist, dass er seine Pflichten pandemiebedingt nicht mehr erfüllen kann, ohne die wirtschaftliche Grundlage seines Betriebes zu gefährden (Art. 240 § 1 Abs. 1 EGBGB). Kleinstgewerbetreibende sind Unternehmen mit bis zu neun Beschäftigten und einem Jahresumsatz von bis zu zwei Millionen Euro. Die Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrechts erfolgt einredeweise, sodass der Schuldner, der pandemiebedingt nicht leisten kann, sich ausdrücklich hierauf berufen muss und grundsätzlich zu belegen hat, dass er gerade wegen der Corona-Pandemie nicht leisten kann.

Das Leistungsverweigerungsrecht gilt dabei nur in Bezug auf Dauerschuldverhältnisse. Jedoch gilt es nicht für Miet-, Pacht- und Darlehensverträge sowie im Zusammenhang mit Arbeits-, Pauschalreise- und Beförderungsverträgen. Es ist außerdem ausgeschlossen, sofern die Leistungsverweigerung für den Vertragspartner unzumutbar ist (Art. 240 § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB). Dann steht dem Schuldner jedoch das Recht zu, vom Vertrag zurückzutreten bzw. diesen zu kündigen.

Force Majeure und Unmöglichkeit

Verträge zwischen Messeveranstaltern, Ausstellern und Messebauern enthalten häufig sogenannte „Force-Majeure-Kauseln“. Gleiches gilt für Verträge zwischen Veranstaltern und Künstlern sowie den weiteren Dienstleistern, Agenturen und ihren Kunden, usw. Diese Klauseln regeln den Umgang mit unvorhergesehenen Situationen, die sich aus höherer Gewalt ergeben. Je nach Formulierung der Klausel ist auch die COVID-19-Pandemie davon erfasst. Solche Klauseln sind als vertragliche Absprache grundsätzlich vorrangig zu berücksichtigen. Liegt keine vertragliche Absprache vor, sind nach deutschem Recht häufig die gesetzlichen Regeln der Unmöglichkeit (§ 275 BGB) oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) anwendbar. Hierfür kann erheblich sein, ob der Veranstalter aufgrund behördlicher Anordnungen gehandelt oder eigenmächtig abgesagt hat.

Für zukünftige Verträge sollte eine umsichtige Regelung in Bezug auf die Pandemie getroffen werden. Force-Majeure-Klauseln stellen dafür ein geeignetes Gestaltungsmittel dar. Es gilt allerdings zu beachten, dass Höhere Gewalt typischerweise die Unvorhersehbarkeit des Ereignisses voraussetzt, was in der derzeitigen Pandemie aber nicht ohne Weiteres begründbar sein wird. Insofern sollte bei der Gestaltung solcher Klauseln besondere Sorgfalt angewendet werden.

Ticketing

Im Hinblick auf die Veranstaltungsbesucher stellt sich u. a. die Frage nach dem Umgang mit bereits erworbenen und bezahlten Tickets. Auch gegenüber dem Besucher ist zunächst nach vorrangigen vertraglichen Absprachen im Hinblick auf die aktuelle Situation zu suchen. Liegen solche nicht vor, kann auch hier ein Fall der Unmöglichkeit vorliegen, wodurch im Gegenzug auch keine Zahlungsverpflichtung begründet wird. Es droht in einem solchen Fall die Rückzahlung der bereits eingenommenen Ticketzahlungen.

Nachdem Interessenvertreter verstärkt auf eine Regelung zur Abmilderung der finanziellen Folgen für die Veranstalter gedrängt haben, liegt nunmehr eine sogenannte Formulierungshilfe für einen Gesetzesentwurf des Kabinetts vor. Demnach sollen Kunden für alle Tickets und Nutzungsberechtigungen, die vor dem 8. März gekauft wurden, Gutscheine erhalten. Eine Erstattung muss dann zunächst nicht erfolgen. Die Gutscheine sind bis Ende 2021 befristet. Löst der Kunde seinen Gutschein bis Ende 2021 nicht ein, muss der Veranstalter oder Betreiber dessen Wert letztendlich doch erstatten. Ist ein Gutschein aufgrund der persönlichen Situation nicht zumutbar, kann der Kunde wie bisher auch direkt eine Erstattung verlangen. Durch diese Regelung soll das Verbraucherschutzinteresse mit den Interessen der sonst durch die Erstattungen finanziell überforderten Veranstalter ausbalanciert werden. Von der Gutscheinregelung ausgenommen wären aber auch weiterhin Veranstaltungen im beruflichen Kontext wie Fachmessen, Kongresse und Fortbildungen. Details zu den geplanten Änderungen finden Sie hier.

Mietvertragliche Pflichten

Grundsätzlich laufen Mietzahlungsverpflichtung sowohl für Wohn- als auch für Gewerbeflächen weiter. Gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB, kann der Vermieter dem Mieter normalerweise außerordentlich kündigen, wenn dieser seiner Verpflichtung zur Zahlung der Miete für zwei aufeinander folgende Termine zu einem nicht unerheblichen Teil nicht nachkommt. Das Kündigungsrecht des Vermieters wurde nun aber erheblich eingeschränkt. Bei pandemiebedingten Zahlungsrückständen, die für den Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 bestehen, dürfen Vermieter das Mietverhältnis nicht kündigen (Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB). Der Kündigungsausschluss nach Absatz 1 ist gemäß Art. 240 § 2 Abs. 3 EGBGB auch entsprechend auf Pachtverträge anzuwenden. In der Veranstaltungsbranche sind davon neben Büros insbesondere auch Veranstaltungsflächen als Gewerbeflächen betroffen.

 

III. KfW-Kreditförderungen

Als Reaktion auf die „Coronakrise“ fordern Branchenverbände wie der VPLT bereits in einem öffentlichen Statement politische Förderprogramme wie Bürgschaften für Verbindlichkeiten, verstärkte Aus- und Fortbildungsmaßnahmen sowie den Zugang zu zinslosen Krediten für die Veranstaltungsbranche. Branchenübergreifender Beistand ist in diesem Zusammenhang bereits seitens der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) angekündigt worden. Ein KfW-Sonderprogramm für Unternehmen, die krisenbedingt in existenzbedrohende Finanzierungsschwierigkeiten geraten sind und daher nicht ohne weiteres Zugang zu bestehenden Förderprogrammen haben, soll kurzfristig Kredite bereitstellen. Ein detailliertes Merkblatt zur KfW-Kreditförderung finden Sie hier, weitergehende Informationen zu staatlichen Unterstützungen hier.

 

IV. Versicherungsleistungen

Relevant können in der aktuellen Situation auch bestehende Versicherungen, vor allem in Form der Betriebsschließungsversicherung sowie (Veranstaltungs-)Ausfallversicherung sein. Während Betriebsschließungsversicherung Versicherungsschutz für die finanziellen Folgen in Form des Ertragsausfalls und der Lohnkosten der Angestellten – eines aufgrund behördlicher Anordnung – stillgelegten oder gestörten Betriebes bieten, sollen Ausfallversicherungen für Kosten und Verbindlichkeiten bei nicht vom Versicherungsnehmer zu vertretendem Ausfall, vorzeitiger Beendigung oder Verschiebung von Veranstaltungen aufkommen. Ob Versicherungsschutz besteht, kann nur im Einzelfall anhand der konkreten Police und den Versicherungsbedingungen ermittelt werden, eine pauschale Aussage verbietet sich. Bestehende Versicherungsverträge gilt es daher zu überprüfen.

 

V. Liquidität sichern

Vor dem Hintergrund der Vielzahl an potentiell relevanten rechtlichen (Teil-)Aspekten, ist es gerade jetzt wichtig, nicht den Überblick zu verlieren und die kritischen bzw. wesentlichen vertrags-, arbeits- sowie subventionsrechtlichen Möglichkeiten zu ermitteln und die entsprechenden, zur Verfügung stehenden Maßnahmen zu ergreifen. Das wird dazu beitragen, Cashflow zu sichern und damit das Unternehmen ggf. vor einer etwaigen Liquiditätskrise oder sogar einer Existenzvernichtung bewahren.

 

Wir haben für Sie umfassende Informationen und Handlungsempfehlungen zu zahlreichen rechtlichen Implikationen im Kontext der Coronavirus-Pandemie zusammengestellt: Coronavirus - Antworten zu rechtlichen Implikationen

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