26. November 2025
Die Möbelbranche verschifft seit Jahren viel zu viel Luft. Während in anderen Industrien „Right Sizing“, modulare Flatpacks und standardisierte Rückführsysteme längst zum Alltag gehören, fahren bei Möbeln und Küchen häufig sperrige Packstücke durchs globale Netz – teuer in der Logistik, klimaschädlich in der Bilanz.
Genau hier setzt die neue EU Verpackungsordnung (Packaging and Packaging Waste Regulation – PPWR) an: sie zwingt alle Branchen – auch Möbler und ihre Zulieferer – zu weniger Material, weniger Leervolumen, mehr Rezyklierbarkeit und, je nach Verpackungsart, mehr Wiederverwendung. Auch die Möbelbranche muss die Anforderungen der PPWR entlang der Lieferkette einhalten, anderenfalls darf sie Verpackungen nicht in Verkehr bringen. Die PPWR ist seit 11. Februar 2025 in Kraft, gilt ab 12. August 2026 und ersetzt die bisherige Verpackungsrichtlinie 94/62/EG.
Spätestens ab 1. Januar 2030 gilt bei Um-, Transport und E-Commerce-Verpackungen eine maximale Leervolumen Quote von 50% im Verhältnis zwischen Produkt und Leerraum der Verpackung. Das Verfahren zur Berechnung präzisiert die Kommission bis 12. Februar 2028. Für Möbel-Logistik heißt das: Schluss mit „teurer Luft“ – Right Sizing, modulare Polsterkonzepte und kluge Bündelung werden Pflicht, denn Raum, der mit Füllmaterial wie Papier, Luftpolstern, Luftpolsterfolie, Schwamm- oder Schaumstoff-Füllmaterial, Holzwolle, Polystyrol oder Styropor-Chips befüllt ist, gilt als Leerraum. Zusätzlich verlangt die PPWR generelle Material-und Volumen-Minimierung (kein Doppelboden, keine Scheinvergrößerung, es sei denn, zwingend funktionsbedingt).
Praxis-Impuls: Wer heute noch großvolumig verpackt, sollte Flatpack Potenziale, variable Zuschnitte (On Demand Kartonagen), Mehrweg Außenverpackungen für B2B und intralogistische Mehrwegtrays prüfen.
Ab 2030 muss jede Verpackung recycelbar sein – faktisch heißt das: Verpackungen müssen derart gestaltet sein, dass die Qualität ihrer Sekundärrohstoffe nach Zerlegung in ihre Einzelteile der Qualität von Primärrohstoffen entspricht und sie erneut als Verpackungsmaterial verwendet werden können. Zudem dürfen Verpackungsabfallstoffe die Abfallströme nicht verunreinigen, sodass beispielsweise Etikettfarbstoffe keine Auswirkung auf die Recyclingfähigkeit der Verpackung im Falle der Entsorgung haben dürfen. Zur transparenten Bewertung führt die EU ein Rezyklierbarkeits-Notensystem mit den Recyclingbewertungsstufen A–C und schrittweise verschärften Anforderungen ein.
Was droht bei Fehlkonstruktion? Verpackungen, die die nach dem Rezyklierbarkeits Notensystem vorgegebene Mindestleistung nicht erreichen, werden perspektivisch vom Markt ausgeschlossen. Dies gilt bereits, wenn die Leistungsstufe für die Recyclingfähigkeit einer Verpackungseinheit mit unter 70% (Mindestleistungsstufe zur Einstufung der Kategorie „C“) angesetzt wird, weil diese Verpackungen technisch als recyclingunfähig gelten.
Praxis-Impuls: Monomaterial bevorzugen, kritische Additive/Inkjet Dekore vermeiden, Sleeves/Etiketten recyclingverträglich auslegen, Polstermaterialien (z.B. Schäume) so wählen, dass Sortierung & Recycling funktionieren – oder auf Faser /Papierlösungen umsteigen.
Die PPWR führt verbindliche Rezyklatquoten ein (gewichtsbasiert, berechnet als Jahresdurchschnitt je Werk/Format).
Praxis Impuls: Für viele Möbelverpackungen (Folien, Beutel, Kantenschutz, Blister) wird damit PCR-Material zum Kosten- und Beschaffungsfaktor. Frühzeitige Lieferantenqualifizierung lohnt sich.
Die PPWR setzt Wiederverwendungsziele für verschiedene Streams, z.B. Getränke- aber auch Transport- und Verkaufsverpackungen. Die Details und Quoten unterscheiden sich je Kategorie. Die Mitgliedstaaten erhalten unter der PPWR begrenzte Flexibilitäten und es folgen noch Durchführungsakte. Für die Möbel Supply Chain besonders relevant: B2B-Transportverpackungen und E-Commerce-Außenverpackungen werden regulatorisch in Reuse-Systeme gedrängt – wo es ökologisch sinnvoll und logistisch beherrschbar ist.
Blick über den Tellerrand (Food & Beverage): In Getränkeströmen kommen Reuse Vorgaben und Pfandsysteme (DRS) als Infrastruktur-Rückgrat – ab 2029 muss die separate Sammlung für Kunststoff & Metall Einweggetränkegebinde 90% erreichen (Mitgliedstaaten benötigen dafür in der Regel DRS).
Praxis-Impuls: Für Möbel ist das eher Inspiration als Pflicht – aber: Die Logikelemente (Pooling, Serialisierung, Rücklaufquoten) lassen sich auf Mehrweg-Transporthüllen, Kisten, Palettenaufsätze übertragen.
Kern der PPWR ist eine EU-weit harmonisierte Verpackungskennzeichnung: Materialpiktogramme, Sortierhinweise und Digital IDs (QR Codes) für Informationen über den Hersteller, zu Zusammensetzung, Reuse Status, Pfand- und Rückgabesystemen oder zur entsprechenden Entsorgung. Zeitlich staffeln sich Text und Sekundärrecht: Implementierungsakte und Kennzeichnungsstandards folgen; die Anwendung – von der EU vorgegebener – harmonisierter Labels wird ab Mitte/Ende 2028 erwartet.
Praxis-Impuls: Verpackungs-Artwork und Stammdaten sollten deshalb jetzt PPWR-ready gestaltet werden.
Lebensmittelkontakt Verpackungen mit PFAS oberhalb definierter Grenzwerte sind ab 12. August 2026 verboten. Für klassische Möbelverpackungen (ohne Food Kontakt) ist das indirekt relevant – über Beschichtungen, Faserschutz oder Rezyklatqualitäten in gemischten Linien. Schwermetall Grenzwerte (Summe Pb/Cd/Hg/Cr(VI) ≤ 100 mg/kg) bleiben bestehen.
Praxis-Impuls: Kommission/ECHA erstellen bis Ende 2026 einen Bericht zu „Substances of Concern“ (besorgniserregende Stoffe) in Verpackungen – was auch die Möbelbranche betreffen kann. Möbler und ihre Zulieferer sollten sich bereits jetzt regelmäßig über die Entwicklungen der Kommission/ECHA informieren und falls betroffen, die von ihnen verwendeten Substanzen durch PPWR-konforme Stoffe ersetzen.
Die PPWR schärft Rollen und Pflichten aller Wirtschaftsakteure (Hersteller von Verpackungen und verpackten Produkten, Importeure, Distributoren, Fulfillment Dienstleister). Dazu zählen erweiterte Herstellerverantwortung (EPR), modulierte Entgelte, Erklärung der Konformität (inkl. technischer Dokumentation) und teils Bevollmächtigte im Mitgliedstaat, für Hersteller aus Drittstaaten. Achtung: Die Richtlinie wird 18 Monate nach Inkrafttreten abgelöst; bis die Sekundärrechtsakte stehen, bleiben Übergänge komplex.
Praxis-Impuls: Compliance-Roadmaps mit konkreten Timestamps sowohl zur Umsetzung als auch Ablösung einzelner Verpflichtungen sind Pflicht.
E-Commerce & Versandhandel: 50 %-Leervolumen ab 2030 erzwingt automatisiertes Right-Sizing (On-Demand-Kartons), Polsterreduktion und Artikel-Redesign – eine Blaupause für Möbel Direct to Consumer.
Getränke & Take-away: DRS als Rückgrat für hohe Sammelquoten; Reuse-Angebote verpflichtend im Außer-Haus-Verzehr. Möbel profitieren indirekt von standardisierten Label-/Piktogramm-Systemen und Serialisierung.
IKEA zeigt, was Design-to-Ship plus Materialwechsel leisten: Der Konzern hat den Anteil faserbasierter B2C-Verpackungen bereits auf rund 91 % gehoben, EPS seit 2015 aus Konsumentenverpackungen verbannt und den Einsatz von Kunststoff in Consumer Packaging (FY21–FY23) um 47 % reduziert – mit Ziel, Einweg-Kunststoff in Consumer-Verpackungen bis 2028 auszuphasen. Das passt ideal zur PPWR Stoßrichtung: Monomaterial, Rezyklierbarkeit, volumenoptimierte Flatpacks statt „teurer Luft“. Auch die IKEA-Sustainability-Strategie 2030 betont Kreislauf, Klimaneutralität und Materialsubstitution für ihre Verpackungen.
Bis 12. 08. 2026 – „Go Live“
Bis 2030
Für Möbel & Küchen ist die PPWR kein reines „Fast Moving Consumer Goods Thema“. Sie ist Hebel für harte Logistikkosten, Trigger für intelligentes Produkt & Verpackungsdesign – und Benchmark für moderne, kreislauffähige Lieferketten. Wer Leervolumen eliminiert, rezyklierbar konstruiert und Reuse-Use-Cases dort einführt, wo sie ökologisch & ökonomisch Sinn ergeben, wird 2026 rechtskonform und 2030 wettbewerbsfähig sein.
von Dr. Benedikt Rohrßen und Jan Seebass
von mehreren Autoren