Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 23. Januar 2025 (Az.: I ZR 197/22) betrifft Werbeaussagen zu der Hautverträglichkeit eines Desinfektionshandschaums.
Dem Sachverhalt liegt eine wettbewerbsrechtliche Streitigkeit zwischen der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. und einem deutschen Tochterunternehmen eines schwedischen Konzerns zugrunde, welches unter anderem Desinfektionshandschaum in Deutschland vertreibt.
Die Beklagte hatte den von ihr vertriebenen streitgegenständlichen Desinfektionshandschaum in einer Lebensmittelzeitung mit den Aussagen „Sanft zur Haut“, "Hautfreundliche Produktlösung als Schaum“ und „Konsumenten sind überzeugt – 100% bestätigen die Hautverträglichkeit“ beworben. Das beworbene Produkt, das frei von Alkohol und Duftstoffen ist, enthält als einzigen aktiven Wirkstoff Milchsäure in einer Konzentration von 1,75 g/100 g.
Nach Auffassung der Klägerin – der Wettbewerbszentrale – liegt in dieser Werbung ein Verstoß gegen die Verordnung (EU) 528/2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (Biozid-VO), weshalb sie die Beklagte gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1, § 3a UWG auf Unterlassung in Anspruch genommen hat.
Gemäß Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO darf die Werbung für ein Biozidprodukt nämlich auf keinen Fall die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise enthalten. Eine solche Werbung ist irreführend, Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Biozid-VO.
Die Klägerin unterlag mit ihrem Begehren sowohl erstinstanzlich vor dem LG Mannheim (Urt. v. 20.10.2021, Az.: 14 O 107/21) als auch im Rahmen des Berufungsverfahrens vor dem OLG Karlsruhe (Urt. v. 9.11.2022, Az.: 6 U 322/21). Das OLG Karlsruhe urteilte, dass der Handdesinfektionsschaum zwar ein Biozidprodukt im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. a Biozid-VO sei, die Beklagte aber mit den angegriffenen Werbeaussagen nicht gegen Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO verstoßen habe. Denn die Angaben seien keine „ähnlichen Hinweise“ im Sinn dieser Vorschrift und auch nicht irreführend im Sinne des Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Biozid-VO.
Auf die Revision der Klägerin hin, musste sich der BGH in der Folge mit dieser Frage auseinandersetzten. Entgegen den Vorinstanzen entschied dieser, dass die Werbeaussagen „Sanft zur Haut“, „Hautfreundliche Produktlösung als Schaum“ und „Konsumenten sind überzeugt – 100% bestätigen die Hautverträglichkeit“ sehr wohl als „ähnliche Hinweise“ von dem Irreführungsverbot des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO erfasst seien und hob deshalb das Urteil des OLG Karlsruhe auf.
Seine Entscheidung stützte der BGH im Wesentlichen auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 20. Juni 2024 (Az.: C-296/23). Mit diesem Urteil hatte der EuGH – in anderer Sache – die Vorlagefrage des BGH betreffend die Auslegung des Begriffs „ähnliche Hinweise“ in Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO dahingehend beantwortet, dass hiervon jeder Hinweis umfasst sein soll, der die Produkte in einer Art und Weise darstellt, die insofern irreführend ist, als Risiken verharmlost oder sogar negiert werden. Ein allgemeiner Charakter des Hinweises soll dagegen nicht zwingend erforderlich sein.
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung des EuGH ordnete der BGH die drei streitgegenständlichen Aussagen als „ähnliche Hinweise“ im Sinne des Irreführungsverbots ein. Dies begründete er insbesondere damit, dass alle drei Aussagen eine positive Eigenschaft des beworbenen Desinfektionsmittels hervorheben würden, ohne zugleich Risiken zu erwähnen. Durch die Hervorhebung der positiven Eigenschaft seien die Angaben geeignet, die Risiken des Biozidprodukts zu verharmlosen. Außerdem stünde die Betonung der positiven Eigenschaft im Widerspruch zu dem von der Biozid-VO verfolgten Ziel: der Minimierung des Einsatzes von Biozidprodukten. Dies könne zu einer übermäßigen Verwendung des Desinfektionsmittels führen. Entsprechend der Rechtsprechung des EuGH, nach der es nicht auf einen allgemeinen oder einen spezifischen Charakter des Hinweises ankommen soll, sei es hierbei unerheblich, dass mit den Angaben das Risikopotential nicht verallgemeinernd verharmlost werde, sondern konkret auf das Empfinden und die Reaktion der Haut abgestellt werde.
Ferner weist der BGH darauf hin, dass – wenngleich die Biozid-VO grundsätzlich nach dem Grad der Gefährlichkeit der Biozidprodukte differenziert – eine solche Differenzierung im Rahmen des Irreführungsverbots bereits nach dem insofern klaren Wortlaut des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO ausgeschlossen sei. Auf ein möglicherweise geringes Gefährdungspotential des streitgegenständlichen Produkts komme es daher nicht an. Denn auch bei weniger schädlich wirkenden Produkten könne deren unsachgemäße oder übermäßige Handhabung Gefahren für Mensch, Tier oder Umwelt begründen.
Schließlich merkt der BGH noch an, dass Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO eine abstrakte Irreführungsgefahr zugrunde liegt und es insofern auf eine konkrete Irreführung im Einzelfall nicht ankomme, weshalb auch dem von der Werbung angesprochenen Verkehrskreis keine Relevanz zukomme. Dass die streitgegenständliche Werbeaussage in der Lebensmittelzeitung erschienen ist, die sich insbesondere an gewerbsmäßig in der Lebensmittelbranche Tätige richtet, ist daher ohne Belang.
Mit dieser Entscheidung knüpft der BGH damit konsequent an sein Urteil vom 10. Oktober 2024 (Az.: I ZR 108/22) an. In diesem hatte er – dem EuGH folgend – entschieden, dass die Angabe „Hautfreundlich“ in der Werbung für ein Biozidprodukt als „ähnlicher Hinweis“ unter das Verbot des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO falle.
Co-Autorin: Farina Simon