4. August 2022
Sommerzeit ist Urlaubszeit. In Deutschland gewähren die meisten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber über den gesetzlichen Mindesturlaub in Höhe von 20 Tagen hinausgehenden vertraglichen Urlaub – diesen jedoch zu arbeitgeberfreundlicheren Bedingungen. Doch welcher Urlaubsanspruch ist eigentlich am Ende des Jahres übrig, wenn es um die Übertragung ins Folgejahr geht? Und was gilt bei Resturlaub im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses - zu welchem Anteil muss dieser abgegolten? Mit dieser Frage hatte sich kürzlich das Bundesarbeitsgericht zu befassen.
Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) sichert den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in jedem Kalenderjahr einen Mindestanspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Dabei beträgt der gesetzliche Mindesturlaub bei einer 5-Tage-Arbeitswoche 20 Werktage gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG . Hinzu kommt ggf. gesetzlicher Zusatzurlaub, zum Beispiel für schwerbehinderte Menschen in Höhe von 5 weiteren Urlaubstagen. Häufig gewährt der Arbeitgeber darüber hinaus vertraglichen Zusatzurlaub. Dieser unterliegt der Dispositionsfreiheit und kann arbeitgeberfreundlicher gestaltet werden. Die sogenannte Unabdingbarkeit des Urlaubsanspruchs nach dem Bundesurlaubsgesetz, die Gestaltungslösungen für den gesetzlichen Mindesturlaub entgegen steht, gilt hier nicht. So kann beispielsweise geregelt werden, dass sofern der vertragliche Zusatzurlaub wegen Arbeitsunfähigkeit des/der Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin nicht bis zum 31. März des Folgejahres gewährt und genommen werden kann, dieser ersatzlos verfällt. Der gesetzliche Mindesturlaub hingegen darf nach höchstrichterlicher Rechtsprechung erst nach einem Übertragungszeitraum von 15 Monaten verfallen. Möglich ist ferner arbeitsvertraglich eine etwaige Urlaubsabgeltung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf die Höhe des gesetzlichen Mindesturlaubs zu beschränken. Auch die Regelungen zum Teilurlaub im Jahr des Ein- bzw. Austritts werden häufig modifiziert, sodass ein Urlaubsanspruch i.d.R. nur pro rata temporis entsprechend der Arbeitszeit in diesem Kalenderjahr entsteht.
Nützlich ist die Unterscheidung von gesetzlichem und vertraglichem Urlaubsanspruch jedoch nur dann, wenn es tatsächlich der vertragliche Urlaubsanspruch ist, der ggf. auf das neue Jahr übertragen worden oder bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegolten werden soll.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte jüngst in seinem Urteil vom 1. März 2022 (Aktenzeichen 9 AZR 353/21) über die Erfüllung von Urlaubsansprüchen zu entscheiden. Dem klagenden, aus dem Arbeitsverhältnis scheidenden Arbeitnehmer war bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unstreitig nur ein Teil seines Urlaubsanspruches gewährt worden. Dabei war gerade nicht konkretisiert worden, ob der bereits gewährte Urlaub gesetzlicher oder vertraglicher Natur ist. Dies veranlasste den Arbeitnehmer zu der Argumentation, der übrige Urlaub sei gänzlich gesetzlicher Natur und er hätte einen entsprechenden Urlaubsabgeltungsanspruch seit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Dem trat das BAG entgegen und entschied, dass bei der Erfüllung von Ansprüchen auf Erholungsurlaub aus demselben Urlaubsjahr, die auf verschiedenen – gesetzlicher und tarifvertraglicher – Anspruchsgrundlagen beruhen, beim Fehlen einer Tilgungsbestimmung in der Regel zunächst die gesetzlichen Urlaubsansprüche und erst dann den vertraglichen Urlaubsansprüche getilgt werden. Dieses Ergebnis entspreche dem hypothetischen Parteiwillen, wonach mit den ersten gewährten Urlaubstagen dem unabdingbaren Grunderholungsbedürfnis des/der Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin und den Mindestanforderungen an den Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung nachgekommen werden soll, bevor der durch Arbeits- oder Tarifvertrag zusätzlich eingeräumte Urlaub gewährt wird.
Zur Schaffung klarer Verhältnisse, sollte in Arbeitsverträgen möglichst zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und vertraglichem Zusatzurlaub differenziert werden. Dem sollte eine den Weg einer Tilgungsbestimmung im Arbeitsvertrag beigefügt werden, die klarstellt, dass immer zunächst der gesetzliche und erst nach dessen vollständiger Gewährung der vertragliche Zusatzurlaub erfüllt wird.
Ist eine solche Tilgungsbestimmung in bestehenden Arbeitsverträgen nicht enthalten, kann sie aber auch zeitgleich mit der Gewährung des Urlaubs nachgeholt werden. In diesem Fall sollte der Hinweis „Vorrangig wird der gesetzliche Mindesturlaub und erst nach dessen vollständiger Erfüllung der vertragliche Zusatzurlaub gewährt“ versehen werden.
Einer solchen Tilgungsbestimmung können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht widersprechen. Der Arbeitgeber kann als Schuldner bestimmen, welchen Urlaubsanspruch er durch die Gewährung erfüllt.
von Annika Rahn