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28. August 2023

Der BGH klärt Voraussetzungen für ein Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen („Handwerker-Widerruf“)

  • Briefing

Verbrauchern steht gegenüber Unternehmern kein Widerrufsrecht für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge zu, sofern der Vertrag nicht unter gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit beider Parteien geschlossen wurde, wenn der Verbraucher ein am Vortag vom Unternehmer unterbreitetes Angebot am Folgetag außerhalb von Geschäftsräumen lediglich annimmt. Das hat der BGH mit seinem Urteil vom 6. Juli 2023 (Az. VII ZR 151/22) entschieden.

Sachverhalt im BGH-Fall: Klassischer Werkvertrag

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hatten die als Verbraucher handelnden Eigentümer eines Reihenhauses einen Dachdeckerbetrieb unter anderem mit der Erneuerung von Dachrinnen beauftragt. Während der Arbeiten bemerkte ein Mitarbeiter des Dachdeckerbetriebes, dass der bislang nicht beauftragte Wandanschluss des Daches defekt war.

Der Dachdeckerbetrieb unterbreitete den Hauseigentümern ein Angebot für diese zusätzlichen Arbeiten unter Nennung der Modalitäten der Ausführung und der Kosten, das die Hauseigentümer annahmen. Die Zusatzarbeiten wurden mangelfrei erbracht und von den Hauseigentümern bezahlt.

Ein Jahr und 14 Tage später - unter Einhaltung der „langen“ Widerrufsfrist des § 356 Abs. 3 S. 2 BGB - widerriefen die Hauseigentümer ihre Vertragsannahme. Sie begründeten den Widerruf damit, dass ihnen keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt worden sei, welche aber gemäß §§ 355 Abs. 1, 312g Abs. 1 i.V.m. 312b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB habe erteilt werden müssen, da ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag vorgelegen habe.

Kein Widerrufsrecht wegen eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrages

Nachdem die auf Rückzahlung der Vergütung klagenden Hauseigentümer in erster Instanz vor dem Amtsgericht Hameln unterlegen waren, gab ihnen das Landgericht Hannover in der Berufung Recht und verurteilte den beklagten Dachdeckerbetrieb zur Rückzahlung der vollen Vergütung. Da die Kläger über ihr Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt worden seien, schuldeten sie für die geleisteten Arbeiten nach Auffassung des Landgerichts auch keinen Wertersatz.

Der BGH hat diese von der Beklagten angegriffene Entscheidung nun aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht habe das streitige Vorbringen der Beklagten, wonach die Kläger das ihnen am Vortag unterbreitete Angebot erst am Folgetag vor Ort auf der Baustelle angenommen haben, verfahrensfehlerhaft außer Acht gelassen. Nach diesem Vortrag der Beklagten sei der Vertrag zwar außerhalb eines Geschäftsraumes geschlossen worden, aber nicht, wie nach § 312b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB für ein Widerrufsrecht erforderlich, bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers.

Diese Voraussetzung liegt dem BGH zufolge schon nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm eben nicht vor, wenn der Vertragsschluss zeitlich versetzt erfolgt, indem das Angebot an dem einen Tag abgegeben wird und die Annahme erst tags darauf vor Ort erfolgt. Dies gelte auch dann, wenn die zeitlich versetzte Annahme des Verbrauchers außerhalb von Geschäftsräumen in Anwesenheit des Unternehmers erfolgt.

Für diese Auslegung spreche auch der Sinn und Zweck des verbraucherschützenden Widerrufsrechts: Ein Verbraucher, der sich auf das Angebot des Unternehmers nicht unmittelbar einlasse, sondern Zeit habe, „eine Nacht darüber zu schlafen“, befinde sich nicht in einer typischen Druck- oder Überraschungssituation und sei nicht schutzwürdig. Gerade der Schutz vor einer solchen Druck- oder Überraschungssituation sei bei der Verbraucherrechterichtline (RL 2011/83/EU), auf der die Regelung von § 312b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB basiert, ausschlaggebend gewesen (Erwägungsgrund Nr. 21).

Endlich Rechtssicherheit für Werkunternehmer?

Dem Urteil des BGH ist inhaltlich zuzustimmen. Allerdings wird es Werkunternehmern nur bedingt Rechtssicherheit verschaffen. Denn der BGH hatte sich allein mit der Frage eines Widerrufsrechts bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen in der besonderen Konstellation eines zeitlich versetzten Vertragsschlusses zu befassen.

Der nach wie vor übliche Vertragsschluss auf der Baustelle per Handschlag, dem kein mit zeitlichem Abstand unterbreitetes Angebot vorausgegangen ist, stellt somit unverändert einen Fall des § 312b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB dar, welcher zu einem Widerrufsrecht des Verbrauchers führt, sofern es nicht im Einzelfall um dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten geht (§ 312g Abs. 2 Nr. 11 BGB).

Für die Praxis nach wie vor relevant bleibt auch das Vorliegen eines fernabsatzvertraglichen Widerrufsrechts gemäß § 312c BGB. Gerade wenn im Zuge von „Hauptarbeiten“ in Form von Nachträgen weitere Zusatzarbeiten beauftragt werden, kommt es in der Praxis häufig vor, dass solche Arbeiten – anders als in dem der BGH-Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt – unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (v.a. telefonisch und per E-Mail), beauftragt werden, ohne dass der Vertragsschluss zeitlich versetzt auch auf der Baustelle erfolgt.

Somit sind Werkunternehmer unverändert gehalten, ihren Informationspflichten im Zusammenhang mit Verbraucher-Widerrufsrechten nachzukommen und Verbrauchern bei Vertragsschluss insbesondere eine (aktuelle) Widerrufsbelehrung samt Muster-Widerrufsformular auf Papier oder einem dauerhaften Datenträger auszuhändigen. Andernfalls können Werkverträge noch bis zu ein Jahr und 14 Tage nach Erbringung der Arbeiten widerrufen werden, ohne dass dem Werkunternehmer eine Vergütung zusteht, da der Verbraucher bei fehlerhafter Belehrung noch nicht einmal Wertersatz schuldet (§§ 357, 357a Abs. 2 Nr. 3 BGB).

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