Autor

Tamara Herzog

Associate

Read More
Autor

Tamara Herzog

Associate

Read More

2. August 2023

Newsletter Marke Design Wettbewerb August 23 – 3 von 5 Insights

EUIPO Beschwerdekammer: Kriterien für die Unterscheidungskraft einer Multimediamarke („Super Simon“)

  • Briefing

Ein Animationsfilm als (Multimedia-)Marke? Zu dieser Frage konnte sich jüngst in einem recht ungewöhnlichen Fall die Fünfte Beschwerdekammer des EUIPO äußern – mit wichtigen Erkenntnissen für die Anmeldung von Multimediamarken.

Was ist eine Multimediamarke?

Eine Multimediamarke ist ein Zeichen, das aus einer Kombination von visuellen und akustischen Elementen, also von Bild und Klang, besteht, sie kann daneben auch Wörter, Bildelemente und Ähnliches beinhalten. Multimediamarken sind eine noch relativ junge Markenart, die erst mit der Abkehr vom Kriterium der „grafischen Darstellbarkeit“ mit Inkrafttreten der Unionsmarkenverordnung (UMV) am 1. Oktober 2017 möglich wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt mussten alle Marken, die ins Register eingetragen werden sollten, „grafisch darstellbar“ sein. Die Abschaffung dieser Voraussetzung ebnete den Weg für die Eintragung neuer Markenarten, wie u.a. Hör-, Hologramm- oder eben Multimediamarken. Der europäische Gesetzgeber wollte damit den Bedürfnissen des Marktes, der durch die Entwicklung neuer Technologien und des digitalen Marketings entscheidend geprägt wird, nach neuen Darstellungsformen Rechnung tragen.

Bislang gibt es nur wenige Multimediamarken im deutschen und europäischen Markenregister – wohl auch, weil (noch) nicht klar ist, unter welchen Voraussetzungen eine Multimediamarke als Herkunftshinweis dienen kann. Die Fünfte Beschwerdekammer des EUIPO hatte im März 2023 im Fall „Super Simon“ nun erstmals Gelegenheit, sich zu den Anforderungen an die Unterscheidungskraft einer Multimediamarke zu äußern. Das Amt hatte die Eintragung des angemeldeten Animationsfilms wegen mangelnder Unterscheidungskraft zunächst abgelehnt. Die Beschwerdekammer sah dies anders und ließ die Eintragung zu.

Was steckt hinter der Marke „Super Simon“?

Im Fall „Super Simon“ geht es um einen 22 Sekunden langen Animationsfilm im Comic-Stil. Als (Unions-)Marke angemeldet hatte diesen eine niederländische Markenagentur – nach eigenen Aussagen als Test-Fall, um die Kriterien für die Schutzfähigkeit von Multimediamarken zu klären. Das Video wurde ursprünglich als eine Hommage an den scheidenden Direktor des „Benelux Office of Intellectual Property“ (BOIP bzw. Benelux-Bureau voor de Intellectuele Eigendom (BBIE)), Edmond Simon, produziert, der 2019 in den Ruhestand ging. Es zeigt den fiktiven Superhelden "Super Simon", der sich von seinem Nachfolger Ragnar Gustafsson verabschiedet und in den Urlaub fliegt, wo er am Pool sitzt und einen Drink und „Lekkere Eieren“ (eine Anspielung auf die Vorliebe für Eier?) genießt. Auch eine Anspielung auf den Klassifizierungsexperten des BOIP Rémy Kohlsaat ist in den ersten Bildern enthalten: „Kohlsaat Classification Corner“ prangt als Schild über einem Schaufenster. Unterlegt ist der Film mit Musik sowie den Worten „Thank you Super Simon“. Angemeldet wurde die Marke für Bücher (Klasse 16), Wein (Klasse 33) und Unterhaltung / kulturelle Aktivitäten (Klasse 41).

Hier einige Ausschnitte aus dem Video:

Zurückweisung durch das EUIPO

Die Prüfungsabteilung des EUIPO wies die Anmeldung zurück: Es handle sich lediglich um einen netten und lustigen Film, der keinen Herkunftshinweis auf ein Unternehmen enthalte und daher keine Unterscheidungskraft habe. Auch weise der Clip keinen ausreichenden Bezug zu den angemeldeten Waren und Dienstleistungen auf und enthalte weder die Identität des Herstellers noch den Namen eines Unternehmens oder Eigentümers, so dass man nicht wisse, von wem er stamme. Damit ein solcher Filmclip als Marke fungieren könne, müsse unter anderem der Eigentümer genannt werden, wie es z.B. auch in einem Fernsehspot am Ende der Fall sei. Der Film sei außerdem durch die Kombination von Bild und Klang zu komplex. Im Ergebnis fehle ein klarer Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betreffenden Waren und Dienstleistungen, sodass die Marke wegen mangelnder Unterscheidungskraft nicht eingetragen werden könne.

Aufhebung der Entscheidung durch die Fünfte Beschwerdekammer

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde hatte Erfolg. Die Fünfte Beschwerdekammer des EUIPO entschied, dass der Animationsfilm als Multimediamarke in das europäische Register eingetragen werden kann (Entsch. v. 07.03.2023, R 1490/2022-5). Die Kammer stellt klar, dass für die Eintragungsfähigkeit einer Multimediamarke keine strengeren Anforderungen gelten als für andere Markenarten. Die Multimediamarke „Super Simon“ sei unterscheidungskräftig. Nachfolgend die wichtigsten Entscheidungsgründe der Beschwerdekammer:

  • Eine Multimediamarke ist kein Fernsehspot: Eine Multimediamarke kann nicht mit einem Werbe- bzw. Fernsehspot verglichen werden. Beide hätten, so die Beschwerdekammer, unterschiedliche Zwecke: Ein Fernsehspot diene der Werbung für ein Produkt und stelle Informationen zu diesem Produkt bereit. Eine (Multimedia-)Marke hingegen enthalte üblicherweise keine Produktinformationen, sondern diene als Herkunftshinweis der Unterscheidung von anderen Produkten. Entgegen der Einschätzung der Prüfungsabteilung sei daher nicht erforderlich, dass eine Multimediamarke Informationen über die Identität des Herstellers der Waren oder des Dienstleistungserbringers liefere, wie es beim Werbespot regelmäßig der Fall sei.
  • Die maßgeblichen Verkehrskreise müssen sich nach Auffassung der Beschwerdekammer nicht alle Einzelheiten einer Multimediamarke einprägen. Es reiche aus, wenn sich die Verbraucher an ein wesentliches, unterscheidungskräftiges Element der Multimediamarke erinnern, um das Video von Animationsvideos anderer Unternehmen zu unterscheiden. Nach Meinung der Beschwerdekammer ist die Hauptfigur des Videos, „Super Simon“, unterscheidungskräftig; das Publikum werde sich vor allem daran erinnern, dass „Super Simon“ zu seinem Urlaubsort fliegt. Dies reiche aus.
  • Eine Multimediamarke sei von Natur aus komplex. Die Länge oder die Komplexität der einzelnen Elemente seien daher unerheblich, solange die Verbraucher die Multimediamarke als Herkunftshinweis erkennen können.
  • Entgegen der Auffassung der Prüfungsabteilung müssen die angemeldeten Waren und Dienstleistungen auch nicht Teil der Marke sein. Mit der Weiterentwicklung der Technologie und des digitalen Marketings sei es im Übrigen nicht auszuschließen, dass auch multimediale Marken wirksam auf Produkten platziert werden. Im Zuge der Entwicklung von digitalen Verpackungen sei es z.B. bei Weinen durchaus möglich, nicht nur einen QR-Code auf der Flasche anzubringen, sondern auch das Weinetikett selbst per Smartphone zu scannen und so den Kurzfilm abzuspielen.
  • Schließlich seien auch das Motiv und etwaige Absichten der Anmeldung für die Bewertung der Unterscheidungskraft irrelevant. Das Unionsmarkenrecht verlange von den Anmeldern bei Einreichung der Anmeldung insbesondere keine Benutzungsabsicht. Die Tatsache, dass die Marke lediglich als Test angemeldet worden sei, stehe der Eintragung daher nicht entgegen.

Die Beschwerdekammer sah im Ergebnis keinen Grund, warum die maßgeblichen Verkehrskreise nicht in der Lage sein sollten, den Animationsclip der Anmelderin als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu identifizieren. Das „Super Simon“-Video wurde daher zur Eintragung als Multimediamarke zugelassen.

Praxishinweis

Die Einführung neuer Markenarten wie der Multimediamarke ist eine Chance für Unternehmen - wirft zugleich aber auch immer die Frage auf, wie Produkte und Dienstleistungen über den durch „normale“ Marken gewährten Schutz hinaus weiter geschützt werden können bzw. welche Kriterien für die Eintragungsfähigkeit der neuen Markenarten gelten. Die Test-Anmeldung der Multimediamarke „Super Simon“ war für die Anmelderin ein Abenteuer, ähnlich wie der Flug von „Super Simon“ in den Urlaub, um das Amt zu Aussagen über die Kriterien für die Unterscheidungskraft von Multimediamarken zu veranlassen.

Mit der Entscheidung hat sich nun zum ersten Mal eine Beschwerdekammer zu diesen Kriterien geäußert. Wichtigstes Ergebnis: An Multimediamarken sind keine strengeren Anforderungen zu stellen als an die „etablierten“ Markenarten. Eine Eintragung ist grundsätzlich möglich, sofern die Marke unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Waren und Dienstleistungen verstanden wird. Markenanmelder, die beabsichtigen, animierte Videos und Kurzfilme in ihr Markenportfolio aufzunehmen, haben mit dieser Entscheidung daher nun etwas mehr Gewissheit über den Ausgang einer Anmeldung.

Call To Action Arrow Image

Newsletter-Anmeldung

Wählen Sie aus unserem Angebot Ihre Interessen aus!

Jetzt abonnieren
Jetzt abonnieren

Related Insights

Marken & Werbung

Wie spät ist’s im Metaverse? – EUIPO: „Glashütte ORIGINAL“ nicht als Marke für virtuelle Uhren eintragbar

6. Dezember 2023
Briefing

von Tamara Herzog

Klicken Sie hier für Details