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10. Mai 2023

Artikel-Serie – 1 von 5 Insights

Das Pharma-Paket der Europäischen Kommission: Kernziele und geplante Änderungen auf einen Blick

  • Briefing

Am 26. April 2023 hat die Europäische Kommission ihren Entwurf für eine umfassende Reform des Arzneimittelrechts vorgestellt. Das sog. EU-Pharma-Paket umfasst im Kern eine Neufassung der Richtlinie zum Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel1  und eine Verordnung, die die Verordnungen (EG) Nr. 726/2004 (Zulassung und Überwachung von Arzneimitteln) und Nr. 141/2000 (Arzneimittel für seltene Leiden) sowie Teile der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 (Kinderarzneimittel) ersetzen soll.2

Sowohl durch die Richtlinie als auch die Verordnung sollen Innovationen sowie der verbesserte Zugang zu Arzneimitteln gefördert werden. Das Streben nach einem „ausgewogenen pharmazeutischen Ökosystem“ steht hierbei im Vordergrund. Diese Ziele sollen mittels einer Effizienzsteigerung und einer innovationsfreundlichen Ausgestaltung des Regulierungssystems durch gezielte wirtschaftliche Anreize erreicht werden. Ferner sollen Verwaltungsbarrieren durch eine geringere Regulierungslast abgebaut werden, um insbesondere die Verfügbarkeit benötigter Arzneimittel zu verbessern. Während die Richtlinie zusätzlich eine bessere Umweltverträglichkeit von Arzneimitteln gewährleisten soll, zielt die Verordnung darauf ab, den Problemen antimikrobieller Resistenzen (AMR) durch geeignete Maßnahmen zu begegnen.

Die neue Richtlinie ändert und ersetzt die Richtlinie 2001/83/EG (Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel) und nimmt Teile der Kinderarzneimittelverordnung (EG) Nr. 1901/2006 (Verordnung über Kinderarzneimittel) auf. Das deutsche Arzneimittelgesetz (AMG) dient der Umsetzung der Richtlinie 2001/83/EG. Welche Folgen die Änderungen für das AMG haben, bleibt abzuwarten.

Der Richtlinien-Entwurf sieht unter anderem folgende Änderungen vor:

  • Neue Regelungen zum Unterlagenschutz von Arzneimitteln: Verkürzung der derzeitigen Standarddauer des gesetzlichen Unterlagenschutzes von acht auf sechs Jahre unter Aufnahme verschiedener Möglichkeiten zur Verlängerung der Ausschließlichkeit (Unterlagen- und Vermarktungsschutz) bis zu insgesamt 12 Jahren. Für neue therapeutische Anwendungen von Arzneimitteln mit bestehender Zulassung („repurposing“) gilt nach dem Richtlinien-Entwurf ein neuer, einmaliger Unterlagenschutz von vier Jahren.
  • Vereinfachte Entwicklung und Zulassung von Generika und Biosimilars: Für die Zulassung von Generika ist nach dem insoweit vereinfachten Wortlaut der neuen Richtlinie lediglich die Gleichwertigkeit des Generikums mit dem Referenzarzneimittel nachzuweisen. Für die Zulassung von Biosimilars stellt der Entwurf klar, dass Antragsteller die Ergebnisse geeigneter Vergleichbarkeitstests und -studien („comparability tests and studies“) vorlegen müssen. Die sog. „Bolar“-Ausnahme für die Entwicklung von Generika und Biosimilars trotz eines bestehenden Patents oder ergänzenden Schutzzertifikats wird erweitert und mit Blick auf die bislang uneinheitliche Handhabung in den Mitgliedstaaten klarer geregelt, unter anderem durch ausdrückliche Einbeziehung von Lieferanten und Dienstleistern.
  • Abbau von regulatorischen Hürden bei der Arzneimittel-Zulassung: Die gesetzlich vorgesehene Dauer des Zulassungsverfahrens wird von 210 Tagen auf 180 Tage verkürzt. Dies gilt auch für zentrale Zulassung von Arzneimitteln nach dem neuen Verordnungsentwurf. Die Zulassung von Arzneimitteln soll zukünftig unbefristet gelten, wobei eine Begrenzung der Laufzeit auf fünf Jahre in bestimmten Fällen möglich ist. Die sog. Sunset-Regelung, wonach die Zulassung erlischt, wenn das Produkt nicht innerhalb einer Frist von drei Jahren nach Erteilung der Zulassung auf den Markt gebracht oder über einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Jahren nicht vertrieben wird, fällt weg.
  • Neue Regelungen für Werbung: Im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung3 gelten nach dem Richtlinien-Entwurf die Regelungen zur Arzneimittelwerbung nunmehr ausdrücklich auch für Werbemaßnahmen, die sich nicht auf ein bestimmtes Produkt beziehen. Vergleichende Werbung, die suggeriert, das beworbene Produkt sei sicherer oder wirksamer als ein anderes Produkt, ist verboten, es sei denn, die Überlegenheit ist durch die Zusammenfassung der Produktmerkmale belegt. 
  • Verringerung der Umweltauswirkungen von Arzneimitteln mittels verschärfter Anforderungen an die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bei der Markzulassung.

Die neue Verordnung ändert und ersetzt die Verordnung (EG) Nr. 726/2004. Regelungen aus der Verordnung 141/2000/EG über Arzneimittel für seltene Leiden und der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 (Kinderarzneimittel) werden geändert und in die neue Verordnung aufgenommen; die beiden Spezial-Verordnungen werden aufgehoben.

Der Entwurf sieht unter anderem folgende Änderungen vor:

  • Arzneimittel für seltene Leiden (sog. Orphan Drugs): Flexiblere Regelungen zur Dauer der Marktexklusivität (zehn Jahre im Falle eines „hohen ungedeckten medizinischen Bedarfs", fünf Jahre bei bibliografischen Zulassungen und neun Jahre in allen übrigen Fällen) und Möglichkeit der Verlängerung bei Schließung einer bedeutenden medizinischen Versorgungslücke (ein Jahr), Marktzugang in allen Mitgliedstaaten (ein weiteres Jahr) oder Entwicklung neuer therapeutischer Indikationen für ein bereits zugelassenes Arzneimittel für seltene Leiden.
  • Förderung der Entwicklung von Kinderarzneimitteln: Ausführlichere Regelungen zu pädiatrischen Prüfungskonzepten (PIP), die weiterhin eine zusätzliche Schutzdauer von sechs Monaten im Rahmen des ergänzenden Schutzzertifikats gewähren.
  • Verbesserung der Arzneimittelverfügbarkeit: Zulassungsinhaber müssen einen Plan zur Vermeidung von Engpässen (SPP) erstellen, auf dem neuesten Stand halten und die zuständige Behörde im jeweiligen Mitgliedstaat oder die EMA über potenzielle und tatsächliche Engpässe informieren. Zur Bewältigung von Notfällen im Bereich der öffentlichen Gesundheit kann die Kommission befristete Notfallzulassungen erteilen.
  • Förderung der Entwicklung antimikrobieller Mittel gegen multiresistente Krankheitserreger: Unter genau definierten Bedingungen können als Belohnung für die Entwicklung bestimmter antimikrobieller Mittel übertragbare Gutscheine erteilt werden, mit denen die Unterlagenschutzfrist für das betreffende Arzneimittel oder ein anderes zentral zugelassenes Arzneimittel um ein Jahr verlängert werden kann.

Die Vorschläge durchlaufen nun das ordentliche Gesetzgebungsverfahren. Das Europäische Parlament und der Rat werden die Vorschläge prüfen und kommentieren. Zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Inhalt die Rechtsakte verabschiedet werden, ist derzeit noch nicht absehbar. Nach derzeitigem Stand findet die neue Verordnung 18 Monate nach ihrem Inkrafttreten Anwendung und haben die Mitgliedstaaten 18 Monate Zeit, um die neue Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. 


1 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Unionskodexes für Humanarzneimittel und zur Aufhebung der Richtlinien 2001/83/EG und der Richtlinie 2009/35/EG.
2 Verordnung der Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Verfahren der Union für die Genehmigung und Überwachung von Humanarzneimitteln und zur Festlegung von Vorschriften für die Europäische Arzneimittel-Agentur, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 und der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 726/2004, der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 und der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006.
EuGH, Urteil vom 22.12.2022, C-530/20.

 

Aufzeichnung des Webinars: Das Pharma-Paket der Europäischen Kommission: Kernziele und geplante Änderungen

Aufzeichnung des Webinars: The EC pharma and patent package – what’s important to know from a patent law perspective?

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