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15. Mai 2023

Update zur Cannabis-Legalisierung: Arbeitsentwurf eines Cannabisgesetzes

  • Briefing

Dieser Beitrag knüpft an ein Quick Read zum Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Gesundheit von Dr. Daniel Tietjen und Dr. Martin Jäger an.

Als am Abend der letzten Bundestagswahl im September 2021 klar wurde, dass auf Bundesebene erstmals eine Ampel-Koalition, bestehend aus SPD, Grüne und FDP, in Aussicht steht und spätestens als sich das Selfie von Annalena Baerbock, Christian Lindner, Dr. Robert Habeck und Volker Wissing über die Social-Media-Streams der Republik verbreitete, bestand Grund zu der Annahme: Es könnte eine Kehrtwende in der Cannabis-Politik geben.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach als zuständiger Ressortchef kündigte eine schnelle Legalisierung an, dann folgte allerdings lange nichts und er versteckte sich hinter Völker- und Unionsrecht. Erst als sich sein Ministerkollege Cem Özdemir, der einst die Ice-Bucket-Challenge neben einer Hanfpflanze absolvierte, einschaltete, ging es voran.
Das zurückhaltende Lauterbach-Eckpunktepapier aus Oktober 2022 wurde jüngst überarbeitet. Die Cannabis-Legalisierung soll in zwei Schritten umgesetzt werden: zuerst soll der private Cannabiskonsum entkriminalisiert werden und im zweiten Schritt soll der kommerzielle Vertrieb in Modellregionen erprobt werden.

Seit Kurzem liegt nun ein erster Entwurf eines Cannabisgesetzes vor, der sich vor allem mit der Entkriminalisierung des privaten Cannabiskonsums beschäftigt (1. Säule).

Inhalt des Cannabisgesetzentwurfes

Kontrollierte Abgabe und Konsum von Cannabis

  • Cannabis soll künftig von Anbauvereinigungen angebaut und an volljährige Mitglieder zum nicht-medizinischen Eigenkonsum mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland abgegeben werden (§ 3 Absatz 1 CannG-E).
  • Anbauvereinigungen sind rechtsfähige, im Vereinsregister eingetragene Vereine, deren satzungsgemäßer Zweck ausschließlich die gemeinschaftliche Erzeugung und Abgabe von Cannabis zum Eigenkonsum an ihre Mitglieder ist. (§ 2 Nummer 10 CannG-E).
  • Die Abgabemengen sind auf 25 Gramm pro Tag und bis zum 50 Gramm pro Monat, an Heranwachsende (18-21 Jahre) maximal auf 30 Gramm pro Monat begrenzt (§ 3 Absatz 3 CannG-E). Darüber hinaus ist die Ernte von eigens angebauten Marihuana-Pflanzen auf drei pro Jahr beschränkt.
  • Cannabis darf nicht in Verbindung mit Alkohol, Tabak, Lebensmitteln oder sonstigen Aromen und Zusätzen abgegeben werden (§ 4 Absatz 2 CannG-E).
  • Werbung für Cannabis ist verboten (§ 5 Absatz 2 CannG-E). Das Werbeverbot ist an die Regelung des Tabakerzeugnisgesetzes angelehnt, es ist also vor allem Werbung im Hörfunk, der Presse, bei öffentlich-geförderten Veranstaltungen und im Außenbereich verboten.
  • Der Konsum von Cannabis im Umkreis von 250 Meter um Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kindertagesstätten, öffentlich zugänglichen Sportstätten, in Fußgängerzonen zwischen 7 Uhr bis 20 Uhr, ist verboten. Ebenso ist der Konsum in den und in angrenzenden Räumlichkeiten der Anbauvereinigung verboten (§ 6 Absatz 3 CannG-E).
  • Die Mitgliedschaft pro Anbauvereinigung ist auf 500 Personen begrenzt und in mehr als einer Anbauvereinigung verboten (§ 21 Absatz1 Satz 2 CannG-E).
  • Die Abgabe ist nur unter Vorlage eines Mitgliedsausweises und des Personalausweises sowie unter Aushändigung eines Beipackzettels mit Hardfacts zum Produkt, aber auch den Gesundheitsgefahren, erlaubt (§ 19 CannG-E).

 

Kinder- und Jugendschutz

  • Minderjährige dürfen Cannabis weder erwerben noch besitzen und sich auch nicht in den Räumlichkeiten von Anbauvereinigungen aufhalten.
  • Es soll Frühinterventionsprogramme geben, insbesondere für Jugendliche, die gegen vorgenanntes Verbot verstoßen (§ 6 Absatz 1 CannG-E).
  • Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung entwickelt ein Präventionsprogramm (§ 7 CannG-E).

 

Anforderungen an den Anbau durch Anbauvereinigungen und Privatpersonen

  • Anbauvereinigungen dürfen Samen oder Stecklinge nur gegen Selbstkosten abgeben (§ 8 Absatz 2 Nummer 2 CannG-E). Für die Abgabe dieses Vermehrungsmaterials bedarf es keiner Mitgliedschaft in der Anbauvereingung.
  • Die THC-Grenze für Cannabis(-produkte), die an Heranwachsende herausgegeben dürfen, liegt bei 10 %.
  • Privat angebauter Cannabis darf nicht weitergegeben oder gar weiterveräußert werden, es sei denn die Weitergabe findet innerhalb der eigenen Wohnung an volljährige Personen zum gemeinschaftlichen Eigenkonsum statt (§ 8 Absatz 5 CannG-E).
  • Anbauvereinigungen bedürfen der Erlaubnis, die auf fünf Jahre zu befristen, aber verlängerbar ist (§§ 9 Absatz 1, 11 Absatz 5 CannG-E). Erlaubnisvoraussetzungen sind unter anderem
    • Eintragung der Vereinigung in das Vereinsregister
    • Schriftliche Antragstellung
    • Schutz vor unbefugten Zugriff auf Cannabisprodukte durch unberechtigte Dritte
    • Erfassen der persönlichen Daten und Vorlage eines Führungszeugnisses des Vorstandes und der in der Anbauvereinigung tätigen Personen.
    • Angabe der voraussichtlichen Mengen und Darbietungsformen von Cannabis
    • Entwicklung eines Gesundheits- und Jugendschutzkonzeptes
  • Die Erlaubnis ist unter anderem zu versagen, wenn Mitglieder des Vorstandes oder andere vertretungsberechtigte Personen hinsichtlich gewisser Straftaten rechtskräftig verurteilt wurde, die nötige Zuverlässigkeit nicht besitzt. was der Fall sein soll, wenn die Person zum missbräuchlichen Konsum neigt (§ 10 CannG-E).
  • Eine Beauftragung von Dritten hinsichtlich des Anbaus ist verboten (§ 13 Absatz 1 CannG-E).
  • Es soll geprüft werden, ob Anbaumethoden (Freiland- oder Gewächshausanbau, Folientunnel) vorgegeben werden sollen.
  • Die Anbauvereinigungen müssen nicht nur den Eingang bzw. Stückzahlen des Bestandes der Samen, Stecklinge und des genussfertigen Cannabis erfassen, sondern auch, an welche Mitglieder welche Mengen Cannabis abgegeben wurden.
  • Die Einfuhr von Cannabis, das nicht in Deutschland erzeugt wurde, ist verboten. Ebenso ist die Ausfuhr von Cannabis und Vermehrungsmaterial verboten (§ 18 CannG-E).

 

Sonstiges

  • Es gibt verschiedene Ausnahmen für Medizinal-Cannabis. Es darf (weiterhin) nur in Apotheken ausgegeben werden, die Ausgabe erfolgt nur mit persönlicher Bezugserlaubnis durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Meidzinprodukte und Medizinal-Cannabis darf – nach Erteilung einer Erlaubnis – auch aus dem Ausland eingeführt werden (§§ 28 ff. CannG-E).
  • Die zuständigen Behörden haben weitreichende Rechte der Überwachung der Anbauvereinigungen, die in § 22 CannG-E geregelt sind. Dazu gehört nicht nur eine Überwachung der Vereinigungen aufgrund der Dokumentations- und Mitteilungspflichten und etwaige daraus resultierende Maßnahmen. Vielmehr dürfen die Behörden auch physische Kontrollen (bei Gefahr in Verzug auch außerhalb der Geschäftszeiten - § 24 Absatz 1 Satz 2 CannG-E) in den Räumlichkeiten der Anbauvereinigungen durchführen und alle Dokumente, Dateien etc. Einsicht zunehmen. Darüber hinaus können die Landesregierung das Nähere zu physischen Kontrollen zu bestimmen.

 

Straf- und Ordnungswidrigkeitenvorschriften und weitere Regelungen

  • Einträge im Bundeszentralregister aufgrund von Handlungen, die nach dem Gesetzentwurf nicht mehr strafbar sind, können auf Antrag getilgt werden (§ 52 CannG-E).
  • Darüber soll ein dezidiertes Straf- und Ordnungswidrigkeitenkatalog eingeführt werden. Der Strafrahmen liegt zwischen Geldstrafe bis zur dreijährigen Freiheitsstrafe im Grundtatbestand (vor allem Besitz und Anbau über die Höchstgrenzen, Import-/Export und unerlaubtes Inverkehrbringen von Cannabis), Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr im Qualifikationstatbestand (vor allem Gewerbsmäßigkeit) und Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren im besonders schweren Fall (vor allem gewerbsmäßiges Handeln bzw. wenn dies zu einer Gesundheitsgefährdung, sich auf Kinder und Jugendliche oder auf eine nicht geringe Menge bezieht - §§ 41 ff. CannG-E).
  • Darüber hinaus kann von Strafe abgesehen werden oder die Strafvollstreckung zurückgestellt werden, wenn eine Tat aufgrund einer cannabisbezogenen Abhängigkeitserkrankung erfolgte (§§ 48 ff. CannG-E).
  • Die Grenzwerte im Straßenverkehr bleiben vorerst gleich. Das Verkehrsministerium will allerdings überprüfen, ob die Grenzwerte angepasst werden müssen.

 

Zusammenfassung und Fazit

Die Ampel-Koalition scheint es ernst zu meinen: sie hat sich von der Drogenpolitik der Vorgängerregierungen abgewandt und treibt die Entkriminalisierung voran. Die vorgelegten Regelungen würden zu einem sehr liberalen Umgang mit Cannabis führen – jedenfalls im Privatbereich. Etwaige Kommerzialisierungsmöglichkeiten sind durch die vorgesehenen Regelungen bis auf weiteres ausgeschlossen. So dürfen die Anbauvereinigungen die Produkte nur kostendeckend abgeben und der Anbau darf nicht durch Dritte erfolgen. Allenfalls der Sekundärmarkt mit Produkten zum Anbau etc. würde profitieren.
Leider ist der einstige Ansatz der staatlich kontrollierten Abgabe gegenüber der Freigabe des Privatkonsums und -anbaus in den Hintergrund gerückt. Die Priorisierung der 1. Säule mag zwar für den Gelegenheitskonsumenten bedeutsamer sein, die Ampel-Regierung verhindert so allerdings einen neuen Wirtschaftszweig (und potenzielle Steuereinnahmen). Es bleibt auch abzuwarten, ob die Freigabe des Privatkonsums und -anbaus mit Blick auf die auch nicht zu unterschätzenden Gefahren, die mit dem Cannabis-Konsum einher gehen können, die richtige Entscheidung ist. Wer allerdings einen restriktiven Umgang mit Cannabis fordert, muss sich auch fragen lassen, ob es nicht auch beim Alkohol eines restriktiveren Umgangs bedarf, denn die Gefahren der Volksdroge Nr. 1 sind ebenfalls nicht zu unterschätzen. Die Entkriminalisierung ist im Übrigen auch deshalb konsequent, weil ohnehin fraglich ist, ob das strafbewehrte Cannabisverbot überhaupt verfassungskonform ist. Mehrere Gerichte stehen auf dem Standpunkt, dass die entsprechenden Vorschriften im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) verfassungswidrig seien und haben konkrete Normenkontrollverfahren beim BVerfG angestoßen. Die Entscheidungen des BVerfG stehen noch aus, sollen aber noch in diesem Jahr ergehen.

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