8. Dezember 2022

Lieferstreit zwischen internationalem Getränkehersteller und deutschem Lebensmitteleinzelhändler

  • Briefing

Ein internationaler Getränkehersteller setzt sich gerichtlich gegen einen deutschen Lebensmitteleinzelhändler durch: Lieferanten sollten Möglichkeiten für Preiserhöhungen prüfen

Nachdem ein deutscher Lebensmitteleinzelhändler einen internationalen Getränkehersteller im Eilverfahren zunächst noch einen Lieferstopp verbieten konnte, hat sich der Getränkehersteller im Hauptverfahren vor dem Landgericht Hamburg nun durchsetzen können und ist nach Auffassung des Gerichts zur Einstellung von Lieferungen berechtigt, wenn die Verhandlungen hinsichtlich einer Preisanpassung zu keiner Einigung führen (LG Hamburg, Urteil vom 29.09.2022, Az.: 415 HKO 72/22). Die Entscheidung des Hamburger Landgerichts gibt Lieferanten in Zeiten hoher Produktionskostensteigerungen Rückenwind, ihre gestiegenen Kosten an ihre Abnehmer weiterzureichen.

Worum geht es beim Lieferstreit? 

Der Getränkehersteller ist langjähriger Lieferant des Lebensmitteleinzelhändlers. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund gestiegener Produktionskosten wollte der Getränkehersteller höhere Preise durchsetzen. Der Lebensmitteleinzelhändler bezweifelte, dass die geforderte Preiserhöhung allein auf Kostensteigerungen zurückzuführen sei, sondern vermutete, dass gleichzeitig auch eine Erhöhung der Marge angestrebt sei. Der Getränkehersteller drohte zu den bisherigen Preisen nicht mehr zu liefern und die Lieferungen einzustellen.

Die Entscheidungen des Landgerichts Hamburg

Anstatt etwa die Produkte des Getränkeherstellers auszulisten erwirkte der Lebensmitteleinzelhändler im Eilverfahren, dass dem Getränkehersteller ein solcher Lieferstopp verboten wurde (LG Hamburg, einstweilige Verfügung vom 08.09.2022, Az.: 415 HKO 72/22). Damals war das Landgericht Hamburg noch der Auffassung des Lebensmitteleinzelhändlers gefolgt, wonach es sich bei dem angedrohten Lieferstopp um eine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch den Getränkehersteller gehandelt habe. Der „Hebel“, mit dem sich der Lebensmitteleinzelhändler im Lieferstreit wehrte, stammte somit allein aus dem Kartellrecht und wohlgemerkt nicht aus den vertraglichen Abreden der Parteien, etwa aus einer möglicherweise noch gültigen Preisvereinbarung.

Gegen die einstweilige Verfügung ging der Getränkehersteller vor und erreichte mit seinem Widerspruch nun eine Aufhebung der Eilentscheidung. Sowohl den für eine Eilentscheidung erforderlichen Verfügungsanspruch als auch den Verfügungsgrund verneinte das Gericht nun. Es bestehe schon kein Verfügungsanspruch, da der Lebensmitteleinzelhändler nicht glaubhaft machen konnte, dass sich der vom Getränkehersteller geforderte Preis bei funktionierendem Wettbewerb nicht ebenfalls ergeben würde. Auch einen Verfügungsgrund - also eine besondere Dringlichkeit - verneinte das Gericht, da der Lebensmitteleinzelhändler auch einen kartell-rechtswidrigen Preis zunächst bezahlen und ihn später wieder zurückfordern könne.

Beendet ist der Lieferstreit damit allerdings nicht. Der Lebensmitteleinzelhändler hat bereits Berufung zum Hanseatischen Oberlandesgericht eingelegt (Az.: 15 U 106/22 Kart) und es bleibt abzuwarten, wie sich das Berufungsgericht hier positionieren wird.

Bewertung des Urteils und Vorgehen für Lieferanten

Das Urteil des Landgerichts Hamburg zeigt, dass selbst die größten Lieferanten mit einer womöglich marktbeherrschenden Stellung nicht von vornherein gehindert sind, mit ihren Abnehmern um höhere Preise zu verhandeln und ihren Forderungen mit einem Lieferstopp Nachdruck zu verleihen. Doch werden die meisten Lieferanten in der Praxis weit von einer marktbeherrschenden Stellung entfernt sein, sodass sie – anders als der Getränkehersteller vor dem Landgericht Hamburg - keine kartellrechtlichen Hürden überwinden müssen, um eine Preisanpassung wirksam durchzusetzen. Auch darf die gewünschte Preisanpassung über die Weitergabe reiner Energie-, Transport-, Produktions- und Rohstoffkostensteigerungen hinausgehen und damit zu einer Erhöhung der Marge führen.

Daher ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der (Rahmenliefer-)Vertrag bereits eine (wirksame) Preisanpassungsklausel enthält und wie groß danach der Spielraum für eine Preiserhöhung während des laufenden Vertrages ist.

Weiterhin ist zu überlegen, ob auch ohne vertraglich vereinbarte Preisanpassungsklausel ausnahmsweise eine Preiserhöhung möglich ist. Dies kommt dann in Frage, wenn die sogenannte „Geschäftsgrundlage“ der Parteien durch massive Kostensteigerungen auf Lieferantenseite gestört ist. Allerdings ist ein solches Recht zur außerordentlichen Preiserhöhung an äußerste enge Voraussetzungen geknüpft und kommt selbst bei starken Kostensteigerungen in aller Regel nicht in Betracht, wie jüngste Gerichtsentscheidungen belegen (siehe hierzu z.B. im Falle einer vereinbarten Preisgarantie den Beschluss des LG Düsseldorf vom 26.08.2022, Az.: 12 O 247/22).

Darüber hinaus ist die Laufzeit des Vertrages zu prüfen: Häufig sind die Preise jeweils nur für einen relativ kurzen Zeitraum fixiert - oftmals für ein Jahr -, sodass für die Zeit danach neue Preise vereinbart werden können.

Verhandlungstraining mit dem bewährten Harvard-Konzept

Aus Lieferantensicht steht daher aus rechtlicher Sicht regelmäßig nicht viel entgegen, mit seinen Abnehmern in Verhandlungen zu treten und eine Preisanpassung zu fordern. Unabhängig von den aufgezeigten rechtlichen Rahmenbedingungen (Preisanpassungsklausel vorhanden? Laufzeit einer bestehenden Preisfixierung?) muss die gewünschte Preisanpassung freilich auf dem Verhandlungswege erst einmal durchgesetzt werden. Hierfür empfehlen wir auf das bewährte Harvard-Konzept zurückzugreifen. Wir bieten den Vertriebsabteilungen unserer Mandantinnen und Mandanten bei Bedarf individuelle Workshops, in denen wir gemeinsam eine Strategie zur Preisanpassung erarbeiten und die anstehende Verhandlung simulieren.

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