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26. August 2022

Veröffentlichungsreihe "Recht: nachhaltig" – 2 von 5 Insights

Was man nicht alles beachten muss: Wasserrecht in der Vorhabenplanung

  • In-depth analysis
Hintergrund

Vor dem Hintergrund der von Jahr zu Jahr stärker thematisierten Wasserknappheit in Deutschland und aktuellen Umweltkatastrophen wie dem Fischsterben in der Oder sowie dem historischen Pegeltiefstand des Rheins gewinnt das Thema Wasser auch in diesem Sommer wieder an Brisanz. (vgl. bspw. Umweltbundesamt Thema: Dürre in Deutschland)  Eine Auswertung von Gerichtsurteilen durch die CORRECTIV zeigt, dass auch die gerichtlichen Auseinandersetzungen um Wasser „zum Teil drastisch“ gestiegen sind. Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald klagt beispielsweise seit Jahren gegen das Land Hessen. Der Vorwurf: Durch zu große Grundwasserentnahmen würden in der Nähe von Darmstadt rund 13.000 Hektar Wald absterben. (vgl. mit correctiv.org)

Der Dürremonitor des Helmholtz Zentrums für Umweltforschung (UFZ) zeigt im August 2022 für große Teile Deutschlands eine außergewöhnliche Dürre an. Gravitations-Daten der Grace-Satelliten zufolge lag der Wasserrückgang in Deutschland über einen Zeitraum von 20 Jahren bei 2,5 Gigatonnen und zählte damit zu den höchsten Wasserverlusten weltweit. Der Diplom-Hydrologe Dietmar Mehl erläutert in einem Interview vom 4. August 2022 gegenüber der MDR- Wirtschaftsredaktion, dass sich die Wasserhaushaltsprobleme zukünftig wohl zunehmend auch im mengenmäßigen Grundwasserzustand zeigen können.

Aufgrund zunehmender Wasserknappheit und damit einhergehender Konflikte rund um das Thema Wasser sollte in der Vorhabenplanung der Blick auf die Einhaltung der wasserrechtlichen Bestimmungen intensiviert werden. Es ist damit zu rechnen, dass auch die zuständigen Genehmigungsbehörden wasserrechtliche Fragestellungen noch eingehender unter die Lupe nehmen werden.

 

Rechtlicher Rahmen

Europäisches und deutsches Wasserrecht enthalten zugunsten des Gutes Wasser strenge Schutzvorschriften, die in der Vorhabenplanung bedeutsam werden.

Die Vorschriften der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL, Richtline 2000/60/EG) – insbesondere das in ihr verankerte Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot – die als Bewirtschaftungsziele ebenfalls im deutschen Wasserhaushaltsgesetz (WHG) verankert sind (§§ 27, 47 WHG), müssen aufgrund der strengen europäischen Rechtsprechung nicht nur in der Bewirtschaftungsplanung sondern auch als zwingende Vorgaben in der konkreten Vorhabenplanung berücksichtigt werden.

Dies hat der Europäische Gerichtshof im Hinblick auf Oberflächengewässer mit Urteil vom 1. Juli 2015, Az. C-461/13 und sodann im Hinblick auf das Grundwasser mit Urteil vom 28. Mai 2020, Az. C-535/18 (und dem folgend das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 30. November 2020, Az. 9 A 5.20) klargestellt.

Welche Vorgaben sind zu beachten?

Das Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot gelten gleichermaßen für oberirdische Gewässer, Küstengewässer und für das Grundwasser.

Es entwickelt sich ein immer strenger werdender Maßstab. Dies zeigt erneut das kürzlich ergangene Urteil des EuGH vom 5. Mai 2022, Az. C-525/20. Gegen das Verschlechterungsverbot verstößt danach auch ein Vorhaben, dass bloß vorübergehende Auswirkungen von kurzer Dauer und ohne langfristige Folgen für die Gewässer hat. Hiervon nimmt der EuGH nur solche Auswirkungen aus, die sich ihrem Wesen nach offensichtlich nur geringfügig auf den Zustand der betroffenen Wasserkörper auswirken und daher keine „Verschlechterung“ des Zustands im Sinne der unionsrechtlichen Vorschriften herbeiführen.

  • Oberirdische Gewässer und Küstengewässer dürfen sich im Hinblick auf ihren ökologischen und chemischen Zustand nicht verschlechtern. Sie sollen einen guten ökologischen und chemischen Zustand erreichen bzw. dieser erhalten bleiben.

    Der ökologische Zustand umfasst nach Art. 2 Nr. 21 der WRRL „die Qualität von Struktur und Funktionsfähigkeit aquatischer, in Verbindung mit Oberflächengewässern stehender Ökosysteme“. Das bedeutet, dass die Qualität des Gewässers zuvorderst in dessen Eigenschaft als Bestandteil des Naturhaushaltes entscheidend ist. Kriterien (sogenannte Qualitätskomponenten) zur Einstufung des ökologischen Zustandes enthält Anhang V der WRRL.
    Das Merkmal des chemischen Zustands beschreibt die qualitativen Eigenschaften des Wassers unter Bezugnahme auf die einschlägigen unionsrechtlichen Grenzwerte. Diese wurden mit § 6 der Oberflächengewässerverordnung (OGewV) in deutsches Recht transformiert. Für die Prüfung werden (etliche) Umweltqualitätsnormen herangezogen.
  • Das Grundwasser darf sich im Hinblick auf seinen mengenmäßigen und chemischen Zustand nicht verschlechtern. Es soll einen guten mengenmäßigen und chemischen Zustand erreichen bzw. dieser erhalten bleiben. Gerade im Hinblick auf die aufgezeigte Brisanz der Thematik können hier Schwierigkeiten auftreten. Mengenmäßiger und chemischer Zustand des Grundwassers sind nach §§ 4, 5 der Grundwasserverordnung (GrwV) zu beurteilen.

Welche Genehmigungsverfahren sind betroffen?

Betroffen sind nicht nur wasserrechtliche Erlaubnis- oder Genehmigungsverfahren. Bei der Umsetzung von Projekten muss beachtet werden:

Auswirkungen auf den mengenmäßigen Zustand des Grundwassers sind theoretisch bei jeder Flächenversiegelung denkbar. Es ist somit potenziell jedes Projekt, mit dem eine Flächenversiegelung einhergeht, auf die Einhaltung des Verschlechterungsverbotes hin zu überprüfen. Das bedeutet, es muss geprüft werden, ob der Zustand des Grundwasserkörpers mengenmäßig abnimmt.

Die Einhaltung der Vorgaben der WRRL muss in jedem Genehmigungsverfahren überprüft werden. Auch wenn für ein Vorhaben mehrere Genehmigungsverfahren durchgeführt werden, von denen eines ein spezielles wasserrechtliches Erlaubnis- oder Genehmigungsverfahren ist, kann die Prüfung der wasserrechtlichen Vorgaben im parallelen Verfahren nicht ohne weiteres ausgeklammert werden:

  • Ist eine wasserrechtliche Genehmigung noch nicht erteilt, muss im Parallelverfahren zumindest geprüft werden, ob eine solche voraussichtlich erteilt werden wird.
  • Die zur Einhaltung der wasserrechtlichen Vorgaben ggf. notwendigen Inhalts- und Nebenbestimmungen müssen zwischen den zuständigen Behörden koordiniert werden.
  • Bedarf es keiner wasserrechtlichen Genehmigung, muss die Einhaltung der wasserrechtlichen Vorgaben, insbesondere des Verschlechterungsverbots, vollständig im („Haupt-“) Genehmigungsverfahren überprüft werden.

Die notwendige Koordination paralleler Genehmigungsverfahren setzt einer strikten Separation der Prüfungsmaßstäbe Grenzen. Sie verpflichtet bspw. die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde mindestens zu der Prüfung, ob der wasserrechtlichen Erlaubnis, die in einem parallelen Verfahren beantragt wurde, keine unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. Dezember 2011, Az. 8 D 58/08.AK).

Was muss bei der Vorhabenplanung also beachtet werden?

Für den Vorhabenträger bedeutet dies, dass er überprüfen sollte, ob das konkrete Projekt die Vorgaben der WRRL einhalten kann und er dies mit den ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen plausibel darlegen kann, damit die Behörde das ihr obliegende Prüfprogramm (s.o.) bewältigen kann. Dies hat der EuGH mit Urteil vom 28.05.2020, Az. C-535/18, nochmal ausdrücklich klargestellt. Die Prüfung der Einhaltung der Vorschriften der WRRL darf nicht erst nach der Projektgenehmigung durchgeführt werden. Werden die Vorgaben der WRRL nicht eingehalten, droht die Versagung einer Genehmigung.

Die Frage, wie weit die Ermittlungspflichten des Vorhabenträgers reichen, muss einzelfallbezogen in Abstimmung mit der (Genehmigungs-)Behörde geklärt werden:

Für eine Beurteilung einer potentiellen Verschlechterung des mengenmäßigen (oder chemischen) Zustandes des Grundwassers müssen grundsätzlich zunächst die betroffenen Grundwasserkörper und ihr Zustand ermittelt werden. Im Anschluss ist eine Auswirkungsprognose zu erstellen. Im Falle einer Flächenversiegelung müssen also beispielsweise quantitative Angaben zur Größe der Grundwasserkörper und zur angenommenen Verschlechterung der Neubildungsrate durch die vorhabenbedingte Versiegelung von Flächen gemacht werden.

Dies muss der Vorhabenträger bereits im Stadium der Projektplanung berücksichtigen, denn: Daten zu Wasserhaushaltsfragen sind unvollständig, nicht kohärent oder fehlen teilweise gänzlich. Dateninhalte und -strukturen sowie deren Verfügbarkeit unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. Allein der Aufwand zur Datenbeschaffung kann daher bereits immens sein und erfordert i.d.R. die Hinzuziehung eines Fachgutachters.

Wie weit die Ermittlungspflichten des Vorhabenträgers im Einzelfall reichen – ob insbesondere in jedem Falle möglicherweise betroffene Grundwasserkörper und ihr Zustand zu ermitteln sind und der Genehmigungsbehörde ein gesondertes Gutachten vorgelegt werden muss oder eine Beeinträchtigung „pauschal“ von vornherein ausgeschlossen werden kann – ist in der Rechtsprechung noch nicht entschieden worden und dürfte maßgebend vom konkret geplanten Projekt abhängen. Das VG Frankfurt hat jedenfalls mit Urteil vom 4. März 2022, Az. VG 5 K 469/21 festgestellt, dass für die Behörde weder aus der Wasserrahmenrichtlinie noch aus dem Wasserhaushaltsgesetz die Pflicht zur Prüfung des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots mittels eines gesonderten Gutachtens zu entnehmen sei. Es komme vielmehr auf eine ausreichende Sachverhaltsermittlung und -bewertung unter Einbeziehung der Öffentlichkeit an. Ein gesondertes wasserrechtliches Gutachten muss der Vorhabenträger also nicht in jedem Fall vorlegen. Für eine bestmögliche Projektabwicklung ist im jedoch zu raten, sich möglichst frühzeitig mit der zuständigen (Genehmigungs-)Behörde abzustimmen, da die Behörde grundsätzlich Art und Umfang der Ermittlungen bestimmt (vgl. § 24 Abs. 1 S. 1 VwVfG) – soweit diese nicht ohnehin gesetzlich vorgesehen sind, wie zum Beispiel in § 2 Abs. 2 9.BImSchV, § 15 UVPG oder § 12 Abs. 2 S. 2 BauGB.

Werden Auswirkungen auf die Gewässer nicht hinreichend ermittelt oder tritt durch das Vorhaben eine Verschlechterung des Gewässerzustandes ein, droht letztlich also die Versagung einer Genehmigung für das Vorhaben oder macht eine solche jedenfalls angreifbar.

In dieser Serie

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Die Reihe im Überblick: "Recht: nachhaltig"

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Aufdach-PV-Anlagen als grünes Finanzprodukt

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