27. Oktober 2021
Die Neufassung der Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) wird am 1. Dezember 2021 in Kraft treten. Dies war bereits für den Herbst geplant. Die Arbeiten an einer Novellierung begannen bereits 2015, im Jahre 2016 lag erstmals ein Entwurf vor. Im parlamentarischen Verfahren wurde der Entwurf der Bundesregierung vom Dezember 2020 kontrovers diskutiert; auch der Bundesrat forderte eine Reihe von Änderungen. Am 23. Juni 2021 beschloss die Bundesregierung die Neufassung der TA Luft schlussendlich mit den Maßgaben des Bundesrates.
Als zentrales Regelwerk des anlagenbezogenen Immissionsschutzes mussten im Gesetzgebungsverfahren zahlreiche politische Positionen, mögliche rechtliche Implikationen und vielfältige Anforderungen der betroffenen Anlagen in Einklang gebracht werden. Die technischen Entwicklungen und die inzwischen geltenden europarechtlichen Vorgaben mussten berücksichtigt werden. Insbesondere die Anforderungen an industrielle Landwirtschaft und Tierhaltung waren ein Diskussionspunkt.
Wir erläutern, welche Bedeutung der TA Luft und ihrer Novellierung zukommt, welche Änderungen die Novelle mit sich bringt und wer von den Änderungen betroffen ist.
Die TA Luft ist das zentrale Regelwerk zur Verringerung von Emissionen und Immissionen von Luftschadstoffen aus genehmigungsbedürftigen Anlagen und dient dem Umweltschutz. In ihr ist der Stand der Technik für über 50.000 Anlagen in Deutschland festgelegt. Sie ist zwar selbst kein Gesetz, als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift (Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG)) stellt sie jedoch eine verbindliche Konkretisierung gesetzlicher Anforderungen dar und ist von den Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden zu beachten. Sie konkretisiert zentrale Begriffe des BImSchG, wie beispielsweise „schädliche Umwelteinwirkungen“ und „Stand der Technik“. Aus diesem Grunde kommt der TA Luft eine enorme Bedeutung zu – sie kommt bei der Genehmigung neuer, Änderung bestehender und beispielsweise auch dem Erlass nachträglicher Anordnungen zur Anwendung. Da die geltende Fassung der TA Luft aus dem Jahre 2002 stammt und damit fast 20 Jahre alt ist, erfasst die Neufassung der TA Luft den seither fortgeschrittenen Stand der Technik. Daneben setzt sie Anforderungen in Kraft getretener Richtlinien der Europäischen Union – wie beispielsweise der Luftqualitätsrichtlinie und zahlreicher neuer europäischer Maßgaben für die besten verfügbaren Techniken (sog. BVT-Schlussfolgerungen) – um. Die Neuerungen umfassen neben verschärften Anforderungen zur Reinhaltung der Luft auch eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches der TA Luft, der nun weitere Anlagen umfasst, sodass die Neufassung der TA Luft von breitem Interesse ist.
Die mit der Novellierung der TA Luft einhergehenden wichtigsten Änderungen umfassen insbesondere:
Der Anwendungsbereich der TA Luft wird um neue Anlagen erweitert. Zukünftig müssen u. a. Biogasanlagen, Schredderanlagen oder Anlagen zur Herstellung von Holzpellets den Vorschriften der TA Luft entsprechen.
Durch die Neufassung der TA Luft werden zudem Schadstoffdepositionswerte verschärft und besonders gesundheitsschädliche Stoffe neu aufgenommen bzw. reklassifiziert. So werden erstmals auch Benzopyren, Dioxine, Furane und polychlorierte Biphenyle in die Tabelle der Immissionswerte für Schadstoffdepositionen aufgenommen. Das in der TA Luft enthaltene Emissionsminimierungsgebot wird daneben ebenfalls durch weitere Stoffe ergänzt.
Anpassungen an den fortgeschrittenen Stand der Technik erfolgten insbesondere im Hinblick auf besonders relevante Luftschadstoffe wie Stickstoffoxide und Feinstaub.
So wurde erstmals ein Immissionswert für Feinstaub der Partikelgröße PM2,5 von 25 μg/m³ aufgenommen. Die Regelungen für Feinstaub der Partikelgröße PM10 wurden ergänzt. Der Grenzwert für im Abgas enthaltende staubförmige Emissionen wurde verschärft. Nach wie vor dürfen zwar grundsätzlich die im Abgas enthaltenden staubförmigen Emissionen die Massenkonzentration von 20 mg/m³ nicht überschreiten. Neu ist allerdings, dass Emissionsquellen, die den Massenstrom von 0,40 kg/h überschreiten, die Massenkonzentration von 10 mg/m³ nicht überschreiten dürfen.
Die GIRL (Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen – Geruchsimmissionsrichtlinie) wurde in die Neufassung der TA Luft integriert, sodass sich aus dieser nun auch der Schutz von Anwohnern vor Geruchsbelästigungen durch die im Anhang 7 festgelegte Verfahrensweise zur Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen ergibt.
Es wird eine neue Immissionskenngröße eingeführt, die insbesondere bei Änderungsgenehmigungen zum Tragen kommt. Neben der sog. Zusatzbelastung durch den geänderten Teil der Anlage ist jetzt auch die Gesamtzusatzbelastung durch die gesamte bestehende und später geänderte Anlage zu ermitteln. Dies führt zu deutlich steigendem Aufwand bei der Erstellung der Immissionsprognose und höheren Kosten für den Anlagenbetreiber – der Nutzen dieser Änderung ist dabei sogar noch zweifelhaft, da durch fortbestehende strukturelle Prognoseinkonsistenzen der Erkenntniswert der Ergebnisse gering bleibt.
Anlagen, welche umweltmedizinisch relevante Bioaerosole in relevantem Umfang emittieren können, sind durch die Novellierung der TA Luft erstmals dazu verpflichtet, zur Emissionsminderung Maßnahmen zu treffen, die dem Stand der Technik entsprechen.
Auf Betreiber von Tierhaltungsanlagen kommen verschärfte Filtervorgaben für die Abluft zu. Die Anforderungen betreffen die Emissionen Ammoniak und Feinstaub.
Die Messtechnik hat sich in den letzten 20 Jahren deutlich fortentwickelt. Neue Anforderungen z. B. durch DIN-, EN-, ISO- Normen und VDI-Richtlinien werden in der Novelle berücksichtigt.
Anlagen mit Schornsteinen, die nach Inkrafttreten der neuen TA Luft genehmigt oder geändert werden, unterliegen einer neuen Berechnungsmethodik, die den aktuellen Stand der Technik widerspiegelt. Dies kann für Anlagenbetreiber die Änderung der Planung notwendig machen.
Die TA Luft entfaltet als Verwaltungsvorschrift keine unmittelbare Wirkung auf den Anlagenbetrieb. Für Anlagenbetreiber bleiben zunächst diejenigen Grenzwerte maßgeblich, die in den für ihre Anlagen erteilten Genehmigungsbescheiden festgelegt sind.
Achtung: Ab Inkrafttreten der Neufassung der TA Luft besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass die zuständigen Behörden durch nachträgliche Anordnungen die Anpassung von Anlagen an den in der neuen TA Luft festgehaltenen aktuellen Stand der Technik verlangen. Für Bestandsanlagen gelten insoweit jedoch bestimmte Übergangsfristen.
Die Neufassung der TA Luft enthält eine Übergangsregelung, nach der Genehmigungsverfahren nach den Vorgaben der alten TA Luft zu Ende geführt werden sollen, wenn der Vorhabenträger vor dem Inkrafttreten der Neuen TA Luft – also vor dem 1. Dezember 2021 – einen vollständigen Genehmigungsantrag gestellt hat.
Besonderes Augenmerk auf die Anforderungen der novellierten TA Luft sollten im besonderen diejenigen Anlagenbetreiber legen, deren Anlagen erstmals vom Anwendungsbereich der TA Luft erfasst sind.