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Dr. Christian Frank, Licencié en droit (Paris II / Panthéon-Assas)

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13. Juli 2022

Internationale Zuständigkeit

  • Briefing

# GeschäftsGehG: Unterlassungsanspruch, § 6; Internationale Zuständigkeit, § 15 Abs. 2 S. 2 GeschGehG.

# Richtlinie Art. 6 Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe, Art. 10 Vorläufige und vorbeugende Maßnahmen

Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen setzt systematisch zunächst beim Täter an: Wer sie rechtswidrig erwirbt, darf sie auch weder nutzen noch offenlegen. Das Schutzkonzept bietet zudem nicht nur Hilfe gegenüber dem unmittelbaren Täter, sondern auch gegenüber nachgelagerten Tätern die an ein Geschäftsgeheimnis gelangt sind, welches aus einer vorangegangen rechtswidrigen Erlangung oder Offenlegung eines anderen stammt. Sie haften allerdings nur dann, wenn sie bei Erlangung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses von der rechtswidrigen Vortat wussten oder dies hätten wissen müssen, § 4 Abs. 3 GeschGehG, Art. 4 Abs. 4 Richtlinie.

Konzeptionell und wirtschaftlich betrachtet ist diese Erfassung sehr wichtig für einen effektiven Schutz: Hierbei handelt es sich häufig um Hintermänner – etwa Wettbewerber des Geheimnisinhabers - deren tatsächliche Verwertungsmöglichkeiten den durch den unmittelbaren Täter bereits entstandenen Schaden exorbitant multiplizieren können. Der Inhaber wird daher unmittelbar nach Entdeckung der Verletzung versuchen müssen, eine derartige Schadensentstehung schnellstmöglich durch gerichtliche Maßnahmen zu unterbinden. Welche Gerichte er hierfür anrufen kann, ist in der Richtlinie selber explizit nicht geregelt worden. Befinden sich nachgelagerte Täter im Ausland – was gerade in einer zunehmend globalen Wirtschaft in einer digitalisierten Welt schnell möglich ist - verkompliziert sich der Rechtsschutz für den Inhaber rasch. Regelungen über die internationale Zuständigkeit finden sich in der Brüssel Ia-VO Verordnung Nr. 1215/2012, Staatsverträgen oder autonomen nationalen Bestimmungen.

Das Geschäftsgeheimnisgesetz enthält in § 15 allein Bestimmungen zur örtlichen Zuständigkeit, aus welcher – nach allgemeinen Grundsätzen - die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte abzuleiten ist: Abs. 2 S. 1 zufolge  ist ausschließlich zuständig das Gericht, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Hat der Beklagte allerdings im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand, ist „nur“ das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen worden ist. Die Zuständigkeit der Gerichte des Begehungsortes findet sich in vielen Regelungen zu deliktischen Ansprüchen; sie ist ähnlich u.a. in § 32 ZPO, § 14 Abs. 2 S. 2 UWG oder Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO enthalten. Der Begehungsort umfasst nach allgemeinem Verständnis sowohl den Ort, an dem der Täter des Delikts gehandelt hat als auch den Ort, an dem der Erfolg der deliktischen Handlung eingetreten ist.

Das OLG Karlsruhe hat hierzu am 31. März 2022 eine wichtige Entscheidung (Atz 6 W 15/22) gefällt: Der Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses hatte nach Entdeckung einer Rechtsverletzung Belege dafür, dass der unmittelbare Täter eine bestimmte Datei mit den Geschäftsgeheimnis nicht nur Mitarbeitern seines neuen Arbeitgebers im Inland offengelegt, sondern diese auch per Mail an einen in den USA ansässigen Mitarbeiter eines verbundenen Unternehmens des Arbeitgebers ebenfalls mit Sitz in den USA gesandt hatte. Gegenüber letzterem hatte der Inhaber an seinem eigenen Geschäftssitz die Gerichte um eine Unterlassungsverfügung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ersucht.

Maßgebliche Handlung war in diesem Fall der Empfang bzw. das Öffnen des eMails mit den Geschäftsgeheimnissen. Der Handlungsort war unbekannt. Nach Ansicht des Geheimnisinhabers lag der Erfolgsort am Ort seines Geschäftssitzes: Geschütztes Rechtsgut sei sein dort belegenes Geschäftsgeheimnis, dessen Geheimhaltung durch die rechtswidrige Handlung des nachgelagerten Täters verletzt sei.

Dem OLG Karlsruhe zufolge liegt der Taterfolg nicht die „Verletzung“ des Geschäftsgeheimnisses im Sinn einer Auswirkung auf den Inhaber, also in der spürbaren Beeinträchtigung des Geschäftsgeheimnisses. Taterfolg sei bereits die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses - unabhängig von der Wirkung auf den Inhaber. Der Gericht zufolge tritt an dem Ort, an dem der Täter handelt – das eMail mit den Geschäftsgeheimnissen erhält bzw. öffnet - auch der Taterfolg ein. Dieser sei allein der Verstoß gegen die gesetzlichen Handlungsverbote. Der Ort des Schadenseintritts sei hier irrelevant, da er nicht zum Tatbestand der hier geltend gemachten Rechtsverletzung gehöre. Bei Schadensersatzansprüchen ist dies insofern anders. Auf die Belegenheit des geschützten Rechtsguts käme es bei der Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen § 4 GeschGehG nicht an. Sinn und Zweck der Vorschrift erfassten nur im Inland begangenen Taten. Bei im Ausland begangenen Handlungen könne der Rechtsverletzer ja am Handlungsort oder an seinem Sitz verklagt werden. Dem stehe auch nicht entgegen, dass § 15 Abs. 2 S. 2 GeschGehG eine ausschließliche Zuständigkeit anordne. Die Regelung betreffe allein die Zuständigkeitsverteilung deutscher Gerichte, verhindere aber keine ausländischen Gerichtsstände.

Damit kann der Geheimnisinhaber gegen nachgelagerte Täter, die im Inland gestohlene Geschäftsgeheimnisse durch Zusendung erlangt haben, Unterlassungsansprüche aus § 6 GeschGehG nur vor ausländischen Gerichten geltend machen. Die Entscheidung steht im diametralen Widerspruch zu einer Entscheidung des OLG Düsseldorf zu einer vergleichbaren, allerdings nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO zu beurteilenden Konstellation, über die wir in Kürze berichten.

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