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18. März 2024

Dringlichkeitsvermutung für Unterlassungsansprüche bei der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen

  • Briefing

Im Rahmen unserer Newsletter Reihe zum Thema „Trade Secrets“ möchten wir auf eine interessante Entscheidung des OLG Nürnberg hinweisen. Dieses hat in seinem Hinweisbeschluss vom 06.07.2023 (3 U 889/ 23) entschieden, dass bei Unterlassungsansprüchen wegen der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen grundsätzlich keine Dringlichkeitsvermutung analog dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb („UWG“) besteht. Der für Ansprüche nach §§ 935, 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund ergebe sich jedoch aus der Sache selbst.

Worum ging es?

In dem Verfügungsverfahren wurden Unterlassungsansprüche wegen der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen geltend gemacht.

Das OLG Nürnberg entschied, dass sich eine Dringlichkeitsvermutung zwar weder unmittelbar aus § 6 GeschGehG ergebe, noch eine Dringlichkeitsvermutung analog § 12 Abs. 1 UWG hergeleitet werden könne. Denn im Gegensatz zu anderen Regelungen des UWG habe der Gesetzgeber die Dringlichkeitsvermutung nicht ausdrücklich in das Geschäftsgeheimnisgesetz übernommen. Nach der Intention des Gesetzgebers seien daher die allgemeinen prozessualen Vorschriften anzuwenden, soweit keine besonderen Regelungen für den einstweiligen Rechtsschutz getroffen worden seien.

Bei Unterlassungsansprüchen wegen der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen ergebe sich der erforderliche Verfügungsgrund nach §§ 935, 940 ZPO jedoch regelmäßig aus der Sache selbst. Ein Verfügungsgrund liege danach vor, wenn es wahrscheinlich sei, dass eine Veränderung des gegenwärtigen Zustandes dazu führen könne, dass der Antragsteller sein Recht nicht mehr durchsetzen könne. In solchen Fällen sei es erforderlich, die Rechte des Antragstellers vorläufig zu sichern. Erforderlich sei eine einzelfallbezogene Interessenabwägung, die bei Geschäftsgeheimnissen regelmäßig zugunsten des Verletzten ausfalle. Denn ein Geschäftsgeheimnis werde grundsätzlich vor allem dadurch geschützt, dass es Dritten nicht zugänglich gemacht werde, weil es sonst seinen Geheimnischarakter verliere. Vor diesem Hintergrund verlange die Rechtsordnung bei einer eingetretenen Verletzung in der Regel eine dringende Untersagungsverfügung. Die Dringlichkeit sei dem Geheimnisschutz also gewissermaßen immanent.

Aber: auch hier waren die Einzelfallumstände entscheidend

Interessant ist im Rahmen der Entscheidung auch, dass die Eilbedürftigkeit in dem zugrunde liegenden Einzelfall vom OLG Nürnberg dann aber verneint wurde, und zwar aufgrund eines Anwaltsfehlers, der nach § 85 Abs. 2 ZPO eben auch der Verfügungsklägerin zuzurechnen ist: Der Anwalt hatte nämlich einen Fristverlängerungsantrag um einen Monat gestellt und die verlängerte Frist ausgeschöpft. Die Fristverlängerung wurde von ihm mit Arbeitsüberlastung begründet.

Das Gericht entschied, dass die Verfügungsklägerin im vorliegenden Fall die Dringlichkeit der Verfahrensbetreibung selbst widerlegt habe. Die gebotene Interessenabwägung der Umstände des Einzelfalls ergebe, dass die Verfügungsklägerin das Verfahren nicht mit der gebotenen Eile betrieben habe, so dass die Dringlichkeit entfallen sei. Aufgrund der Selbstwiderlegung der Verfügungsklägerin liege daher kein Verfügungsgrund vor. Insbesondere habe ein Prozessbevollmächtigter eine Verfügungssache vorrangig zu erledigen. Es sei zu erwarten, dass ein Eilverfahren fristgerecht betrieben werde. Unerheblich sei auch, dass das Gericht die Verfügungsklägerin nicht auf die Rechtsfolgen einer Ausschöpfung der verlängerten Frist hingewiesen habe. Denn die Rechtsprechung zum Verlust der Dringlichkeit könne in solchen Fällen als bekannt vorausgesetzt werden.

Praxistipp

Bei der Beantragung einer einstweiligen Verfügung ist es ratsam, die Angelegenheit zügig voranzutreiben. Verzögerungen oder Fristversäumnisse können dazu führen, dass das Gericht keinen ausreichenden Grund für den Erlass einer einstweiligen Verfügung sieht und den Antrag zurückweist. Dem Verfahrensbevollmächtigten ist zu raten, in Eilverfahren für eine effektive Vertretung zu sorgen und gegebenenfalls weniger dringliche Angelegenheiten zurückzustellen.

Wichtig ist auch, dass die Rechtsprechung in solchen Fällen den Verlust der Dringlichkeit auch dann als bekannt voraussetzt, wenn nicht ausdrücklich auf die möglichen Folgen der Ausschöpfung einer Fristverlängerung hingewiesen wurde. Man sollte sich also nicht darauf verlassen, dass das Gericht einen entsprechenden Hinweis erteilt oder nur eine Frist gewährt, die es als nicht dringlichkeitsschädlich ansieht.

Fazit

Erfreulich ist, dass das OLG Nürnberg im Ergebnis die Dringlichkeitsvermutung in Geschäftsgeheimnisverletzungsverfahren bejaht. Allerdings können Verzögerungen, die auf das Verhalten des Antragstellers zurückzuführen sind, zur Selbstwiderlegung des Verfügungsgrundes führen. Zudem werden Verzögerungen, die durch den Anwalt verursacht werden, dem Antragsteller gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet. Die Frage, ob das Gericht im konkreten Fall verpflichtet war, vor oder gleichzeitig mit der Gewährung der Fristverlängerung einen rechtlichen Hinweis zu erteilen, erscheint auf den ersten Blick nicht abwegig. Das Gericht ist aber offenbar davon ausgegangen, dass es mangels Erforderlichkeit nicht zu einem Hinweis verpflichtet war. Erforderlich im Sinne von § 139 Abs. 2 ZPO ist ein Hinweis wohl zumindest dann, wenn für das Gericht erkennbar ist, dass eine oder beide Parteien einen entscheidungserheblichen Gesichtspunkt übersehen oder für unerheblich gehalten haben. Es ist zumindest zweifelhaft, ob das Gericht im vorliegenden Fall aufgrund des Fristverlängerungsantrags nicht hätte erkennen können, dass sich die Verfügungsklägerin der - für sie eindeutig negativen - Folgen offensichtlich nicht bewusst war. Die Entscheidung des Gerichts ist daher wohl so zu verstehen, dass schon der Fristverlängerungsantrag als solcher für das Gericht ausreichend war, um die Dringlichkeit bereits auf Tatsachenebene zu verneinen. Denn dann wäre ein Hinweis des Gerichts wohl entbehrlich. Im Ergebnis ändert dies jedoch nichts daran, dass ein Fristverlängerungsantrag auf Antragstellerseite im einstweiligen Rechtsschutz aus anwaltlicher Vorsicht vermieden werden sollte.

 

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