25. März 2021
Die Klägerin ist als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten bei der Beklagten in einer Drei-Tage-Woche in Teilzeit tätig. Vereinbarungsgemäß stehen ihr pro Jahr 14 Arbeitstage Urlaub zu. Ab dem 1. April 2020 galt für die Klägerin infolge der Corona-Pandemie von April bis Dezember wiederholt Kurzarbeit, bei der ihre Arbeitspflicht auf Null reduziert wurde (sog. Kurzarbeit Null). In den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 bestand durchgehend Kurzarbeit Null. Im August und September 2020 hatte die Beklagte der Klägerin insgesamt 11,5 Arbeitstage Urlaub gewährt und die Ansicht vertreten, dass damit der Urlaubsanspruch der Klägerin vollständig erfüllt sei. Sie hat den Urlaub der Klägerin somit um 2,5 Arbeitstage reduziert.
Die Klägerin forderte klageweise die nicht gewährten Urlaubstage ein. Sie vertrat die Ansicht, dass die Kurzarbeit keinen Einfluss auf ihre Urlaubsansprüche habe und konjunkturbedingte Kurzarbeit nicht auf Wunsch des Arbeitnehmers, sondern im Interesse der Arbeitgeberin erfolge. Kurzarbeit sei auch keine Freizeit.
Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf hat die Klage – ebenso wie bereits das Arbeitsgericht Essen in der ersten Instanz – abgewiesen. Aufgrund der Kurzarbeit Null in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 habe die Klägerin in diesem Zeitraum keine Urlaubsansprüche gemäß § 3 Bundesurlaubsgesetz erworben. Der Jahresurlaub 2020 stehe ihr deshalb nur anteilig im gekürzten Umfang zu. Für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null reduziere sich der Urlaub um 1/12, was im Ergebnis den Urlaubsanspruch sogar um 3,5 Arbeitstage reduziert hatte.
Soweit durch die Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts bisher ersichtlich, setzt die Entstehung eines Urlaubsanspruchs nach der Ansicht des Gerichts voraus, dass eine Verpflichtung zur Tätigkeit bestehe. Da während der Kurzarbeit die beiderseitigen Leistungspflichten aufgehoben sind, werden Kurzarbeiter_Innen wie vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer_Innen behandelt. Deren Erholungsurlaub reduziert sich ebenfalls anteilig.
Dies entspreche, so die Kammer, auch dem Europäischen Recht, weil nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs während Kurzarbeit Null der europäische Mindesturlaubsanspruch aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG nicht entstehe. Das deutsche Recht enthalte dazu keine günstigere Regelung. Weder existiere diesbezüglich eine spezielle Regelung für Kurzarbeit noch ergebe sich etwas anderes aus den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes. Insbesondere sei Kurzarbeit Null nicht mit Arbeitsunfähigkeit zu vergleichen.
Die Frage, ob sich nach deutschem Recht der Urlaubsanspruch der Arbeitnehmer_Innen während der Kurzarbeit verringert, ist bisher höchstrichterlich ungeklärt.
Allerdings hat der Europäische Gerichtshof bereits mit Urteil vom 8. November 2012 (Az.: C-229/11) im Hinblick auf eine Vorlage des Arbeitsgerichts Passau entschieden, dass nach EU-Recht kein Urlaub gewährt werden muss, wenn wegen Kurzarbeit Null keine Arbeitspflicht bestand. Das Landesarbeitsgericht übernimmt in seiner Entscheidung demnach die Argumentationslinie des EuGH: Die Arbeitnehmer_Innen können während der Kurzarbeit Null – anders als beispielsweise eine langzeiterkrankte Arbeitnehmer_In – Freizeittätigkeiten nachgehen, weswegen sie als „vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer_In“ anzusehen sei.
Das BAG hat zudem mit Urteil vom 19. März 2019 (Az.: 9 AZR 406/17) entschieden, dass während eines vereinbarten unbezahlten Sonderurlaubs regelmäßig kein Anspruch auf bezahlten Urlaub entstehe.
Das BAG begründete dies damit, dass sich bereits aus dem Wortlaut von § 1 und 3 Abs. 1 BurlG ergebe, dass die Anzahl der Urlaubstage mit der Anzahl der Tage verknüpft sei, an denen eine Arbeitspflicht besteht. Zudem spreche entscheidend für eine derartige Verknüpfung und Abhängigkeit voneinander der Erholungszweck des gesetzlichen Mindesturlaubs.
Die Wertungen der beiden Entscheidungen stehen im Einklang: in beiden Fällen geht es darum, dass die Arbeitnehmer_Innen nicht verpflichtet waren, der Tätigkeit nachzugehen und es somit auch nicht ermöglicht werden musste, sich durch die Urlaubsgewährung hiervon zu erholen.
Die Entscheidung – bislang lediglich in der Pressemitteilung vorliegend – bringt erfreuliche Klarheit in der Handhabung der Kurzarbeit Null und des Urlaubsanspruchs der Arbeitnehmer_Innen. Somit dürfte die Frage, ob konjunkturbedingte Kurzarbeit Null den Urlaubsanspruch reduziert, erst einmal geklärt sein. Zu Betonen ist dabei insbesondere, dass die Reduzierung automatisch erfolgt und nicht – wie etwa während der Elternzeit – vorab ausdrücklich vereinbart werden muss.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde zwar zugelassen. Aufgrund der oben skizzierten Rechtsprechung des EuGH und BAG erscheint es jedoch unwahrscheinlich, dass sich hier noch eine Änderung ergeben wird.
von mehreren Autoren
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Vor wenigen Tagen hat das BAG seine Entscheidungsgründe für ein Urteil um die Zulässigkeit der Abweichung von der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer durch Tarifverträge bzw. Betriebsvereinbarungen veröffentlicht.
von Dr. Robert Bauer