9. Februar 2021
Die Corona-Pandemie hat den Trend der letzten Jahre noch einmal stark beschleunigt: die weitere Verschärfung der Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen in deutsche Unternehmen. In nur einem Jahr wurden zahlreiche Rechtsetzungsakte erlassen. Bereits geplante und durch die EU-Screening-Verordnung (Verordnung 2019/452 vom 19. März 2019 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der EU) initiierte Modifizierungen wurden forciert und das Prüfregime deutlich ausgeweitet. Am 22. Januar 2021 hat das Bundeswirtschaftsministerium den vorerst letzten Baustein in einer ganzen Reihe von einzelnen Novellierungsakten vorgelegt: Durch die 17. AWV-Änderungsverordnung (Referentenentwurf) werden vor allem im Rahmen der sektorübergreifenden Investitionskontrolle weitere prüfrelevante und meldepflichtige Unternehmen in die Fallgruppen der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) aufgenommen und die Rechtsfolgen einer Investitionsprüfung klargestellt.
Wir geben einen Überblick über die aktuellsten und wichtigsten Änderungen. Für weitergehende Details und Bewertungen, insbesondere für die Transaktionspraxis wird auf André Lippert, Ausländische Investitionen in Zeiten von Corona – forcierte Änderungen durch die Krise, BetriebsBerater 2021, S. 194 verwiesen.
Der Katalog der prüfrelevanten und meldepflichtigen Unternehmen wurde in dem durch die 17. AWV-Novelle eingefügten § 55a Abs. 1 AWV n. F. um sechzehn weitere Fallgruppen ergänzt. Hierbei handelt es sich weitgehend um innovative Schlüsseltechnologien, wie z.B. Künstliche Intelligenz, automatisiertes Fahrens, Robotik, Luft- und Satellitentechnik und Cybersicherheit. Der Direkterwerb von mindestens 10% der Anteile – egal ob unmittelbar oder mittelbar – ist bei Unternehmen, die die nachfolgenden Produkte entwickeln und herstellen nunmehr ebenfalls prüfungsrelevant und vor allem meldepflichtig:
Die Fallgruppen haben sich damit mehr als vervierfacht. Das BMWi rechnet deshalb mit einer signifikanten Erhöhung der Prüffälle; konservative Kalkulationen kommen auf eine Anzahl von 150 – statt vorheriger 20 – neuen meldepflichtigen Erwerben pro Jahr. Dies wird zunehmend auch kleinere und mittlere Unternehmen und gerade auch innovative Start-ups treffen.
Statt einer bloß auflösenden Bedingung besteht nunmehr bei sämtlichen meldepflichtigen Erwerben ein Vollzugsverbot. Das schuldrechtliche Erwerbsgeschäft ist bis zur Freigabe oder zum Verstreichen der Prüffrist schwebend unwirksam. Damit entspricht die Rechtsfolge für die gelisteten Unternehmen des neuen § 55a Abs. 1 AWV der sektorspezifischen Investitionskontrolle im Bereich der Militär- und Rüstungsgüter. Jenseits dieser beiden Gruppen besteht grundsätzlich eine Aufgreifschwelle von mindestens 25 % der erworbenen Anteile; Erwerbe sind hier nicht meldepflichtig.
Durch die Novellierung des AWG wurden zudem Verbotstatbestände normiert, die den faktischen Vollzug bis zur Freigabe (oder Untersagung) eines Anteilserwerbs verhindern sollen. Es soll ein faktischer Abfluss von potenziell ordnungs- und sicherheitsrelevanten Informationen und Technologien eines erworbenen Unternehmens während eines laufenden Investitionsprüfverfahrens verhindert werden. Es ist verboten, dem Erwerber die Ausübung von Stimmrechten unmittelbar oder mittelbar (insbesondere durch die Übergabe von Inhaberpapieren, Stimmrechtsvereinbarungen oder die Annahme von Weisungen zur Stimmrechtsausübung u. a.) zu ermöglichen oder Gewinnauszahlungsansprüche bzw. ein wirtschaftliches Äquivalent zu gewähren. Unternehmensbezogene Informationen mit Relevanz für die jeweilige Investitionsprüfung dürfen nicht mehr überlassen oder offengelegt werden. Dies muss zukünftig im Vorfeld einer Transaktion beachtet werden.
Künftig kann keine Unbedenklichkeitsbescheinigung mehr für meldepflichtige Erwerbe (also solche der oben genannten, gelisteten Unternehmen) beantragt werden. Damit entfällt ein wichtiges Instrument, um im Rahmen einer Transaktion zügiger Rechtsklarheit zu erlangen. Hintergrund ist die geänderte Rechtsfolge: Bei nunmehr angeordneter schwebender Unwirksamkeit und Freigabevorbehalt kann die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht durch eine vorgeschaltete Unbedenklichkeitsbescheinigung hergestellt werden. Damit findet auch hier eine weitere Annäherung von sektorübergreifender und sektorspezifischer Investitionskontrolle statt.
Eine weitere zentrale Verschärfung des Prüfregimes betrifft den Prüfungsmaßstab: Während bislang eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich war, soll nunmehr – ebenfalls wie im Bereich der sektorspezifischen Investitionkontrolle – eine “voraussichtliche Beeinträchtigung” genügen. Bislang wurde eine hinreichend schwere Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, als ausreichend angesehen.
Die Ausweitung auf die Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit anderer EU-Mitgliedstaaten erlaubt jetzt einen noch schnelleren und umfassenderen Eingriff in industriepolitisch unerwünschte Übernahmen. Zusätzlich wurden mittels § 55a Abs. 3 AWV nF. investorenbezogene Kriterien aufgenommen und die kontorollbegründenden Umstände, wie beispielsweise die Kontrolle des Drittstaats auf den Erwerber, konkretisiert. Nach den Auslegungsrichtlinien könnten beispielsweise kleine Start-ups trotz ihres geringen Werts in Bezug auf Forschung oder Technologie von strategischer Bedeutung sein, sodass sie aus Gründen der Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung einer Überprüfung unterliegen und insofern von den Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Bekämpfung spezifischer Risiken ergriffen werden können
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