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Dr. Benedikt Rohrßen

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16. April 2018

Verbot der Preisbindung – Keine Ausnahme für kurzzeitige Verkaufsaktionen?

Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen sind nach Art. 101 AEUV verboten, wenn sie den Wettbewerb spürbar beeinträchtigen. Für die Frage, ob eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung vorliegt oder man sich im „sicheren Hafen” (safe harbour) befindet, kann man sich an der De-minimis-Bekanntmachung (bzw. Bagatellbekanntmachung) orientieren – siehe dazu unseren Newsletter vom Oktober 2014 sowie letzterer zum wegweisenden Urteil des EuGH in Sachen Expedia März 2013. Danach ist ein Verhalten insbesondere dann spürbar, wenn es eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt. Das gilt gerade für die sog. Kernbeschränkungen, wie die vertikale Preisbindung (bzw. Preisbindung der zweiten Hand).

Bzgl. eines Aktionsangebots für „Almased Vitalkost“ hatte das das OLG Celle überraschend anders gesehen und entschieden, das auch eine vertikale Preisbindung nicht spürbar und damit vom Kartellverbot freigestellt sein könne (Urteil vom 07.04.2016, Az. 13 U 124/15 [Kart]). In dem Fall hatte die Herstellerin (Almased Wellness GmbH) gegenüber einer Gruppe ihrer Abnehmer (Apotheken) ein Aktionsangebot mit besonderem Einkaufsrabatt unterbreitet: einmalig, befristet und auf eine Höchstmenge beschränkt. Dafür sollten sich die Abnehmer verpflichten, das Produkt „gut sichtbar … zu präsentieren und einen Verkaufspreis von EUR 15,95 nicht zu unterschreiten“.

Das LG Hannover hatte die Vereinbarung als unzulässige Preisbindung gesehen (Urteil vom 25.8.2015, Az. 18 O 91/15) – und nun hat auch der BGH bestätigt: die hier im Rahmen der Werbeaktion vorgegebenen Mindestpreise beschränken in ihrer Gesamtheit (Rn. 26) spürbar den Wettbewerb und unterfallen damit dem Verbot nach Art. 101 AEUV (BGH, Urteil vom 17.10.2017, Az. KZR 59/16). Das entspricht der Rechtsprechung des EuGH in Sachen Expedia und des BGH bzgl. der vertrieblichen Vorgabe „ein Riegel extra“ (also ohne Mehrpreis gegenüber der üblichen Packungsgröße) des italienischen Süßwarenherstellers Ferrero (Urteil vom 08.04.2003, Az. KZR 3/02). Denn letztere betrifft ausdrücklich „den auf den vergrößerten Packungsinhalt zurückgehenden Preiserhöhungsspielraum“ – nicht hingegen die Entscheidung des Abnehmers, die Preise nach unten frei festzulegen.

Praxishinweise:

Vertikale Preisbindungist grundsätzlich verboten, Preisempfehlungen und Höchstverkaufspreise hingegen erlaubt – das ist in aller Kürze der Grundsatz des deutschen und europäischen Vertriebskartellrechts zu Preisvorgaben. Für Preisempfehlungen und Höchstverkaufspreise gilt zudem die Einschränkung, dass sie sich „nicht infolge der Ausübung von Druck oder der Gewährung von Anreizen durch eines der beteiligten Unternehmen tatsächlich wie Fest- oder Mindestverkaufspreise auswirken“ dürfen (Art. 4 lit. a Vertikal-GVO). D.h.: der Hersteller Lieferant mag Orientierungshilfengeben, der Abnehmer kann jedoch seine Verkaufspreise weitgehend frei festsetzen.

Ausnahmen sind – neben dem Buchpreis oder bei Spezialisierungsvereinbarungen – ggf. per sog. Einzelfreistellung erlaubt, etwa bei der Markteinführung neuer Produkte oder bei kurzfristigen Sonderaktionen, wenn damit ein entsprechender Effizienzgewinn einhergeht, etwa indem die höhere Marge in bessere Kundenberatung gesteckt wird, die allen Kunden zugute kommt und die Preisbindung das Trittbrettfahren solcher Händler unterbindet, die die Beratungsleistung nicht anbieten (vgl. Vertikal-Leitlinien, Rn. 225).

Solche Aktionen bedürfen indes sehr guter Vorbereitung, weil Hersteller Weiterverkaufspreise selbst sehr kurzzeitig grundsätzlich nur dann vorgeben dürfen, wenn sie Effizienzgewinne wie das Unterbinden von Trittbrettfahrern überzeugend darlegen können.

Bei Preisbindungen werden die Kartellbehörden schnell hellhörig. So hat das Bundeskartellamt jüngst wieder Bußgelder für Preisabsprachen verhängt. Insofern gilt hier im Vertrieb besondere Vorsicht.

Entsprechend sollten Unternehmen ihren Vertrieb – wie schon in unserem Newsletter vom November 2016 zum Urteil des OLG Celle in Sachen Almased empfohlen – weiter an der bisherigen Rechtsprechung zu Preisempfehlungen, Höchstverkaufspreisen und Rabattaktionen orientieren.

Hinweise für die Praxis liefern ferner die Bagatellbekanntmachung der EU-Kommission, die Vertikal-Leitlinien (Rn. 48 f., 223 ff.) sowie die „Guidance on restrictions of competition "by object" for the purpose of defining which agreements may benefit from the De Minimis Notice“ – alle drei sind allerdings stets vor der aktuellen Rechtsprechung zu bewerten, weil das in diesen Dokumente enthaltene Verständnis der EU-Kommission die Gerichte und auch das Bundeskartellamt nicht bindet.

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