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26. Februar 2024

Handelsvertreter bleibt auch zwischen Kündigung und Vertragsende zum Vertrieb verpflichtet, haftet ansonsten für Umsatzrückgang

  • Briefing

OLG Köln zur Reichweite und Grenzen des § 86 I HGB

Autorin: Acelya Tekin

Bemüht sich ein Handelsvertreter nach der Vertragskündigung nur unzureichend um neue Geschäftsabschlüsse, so haftet er wegen Verletzung seiner Pflicht aus § 86 I 1 HGB auf Schadensersatz. So hat es das Oberlandesgericht Köln in seinem Urteil vom 22. September 2023 entschieden. Damit wirft der Fall Licht auf die rechtlichen Verpflichtungen von Handelsvertretern und deren Verantwortlichkeiten nach Beendigung eines Vertretungsvertrags.

Im zugrundeliegenden Sachverhalt hatte ein im Nebenberuf tätiger Handelsvertreter seinen Vertretervertrag mit seinem Geschäftsherren gekündigt. Bereits unmittelbar nach der Kündigung weigerte er sich, weiterhin zur Absatzförderung der Produkte seines ehemaligen Auftraggebers beizutragen. Dies führte zu einer rechtlichen Auseinandersetzung zwischen den Parteien.

Das betroffene Finanzdienstleistungsunternehmen stellte dar, dass der Umsatz des Handelsvertreters nach seiner Kündigung vom 01.08.2020 erheblich eingebrochen sei, was auf eine unzureichende Ausübung seiner Pflichten zurückzuführen sei.

Das OLG Köln entschied zugunsten des Unternehmens und sprach dem Unternehmen einen Schadensersatzanspruch gegen den ehemaligen Handelsvertreter zu: Obwohl dem Handelsvertreter keine Abschlusspflicht, sondern lediglich eine Bemühenspflicht obliegt, betrachtete das Gericht den signifikanten Umsatzeinbruch im Vergleich zu den Vorjahren als ausreichendes Indiz für eine Verletzung dieser Pflichten.

Der Handelsvertreter hätte demnach im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast andere Umstände vorbringen müssen, die den Umsatzrückgang erklären. Das OLG wies den pauschalen Verweis auf die Corona-Pandemie zurück, da der strenge Lockdown in den Vergleichszeitraum vor der Kündigung fiel und keine strengen Kontaktbeschränkungen im fraglichen Zeitraum bestanden.

Auch der Einwand des Handelsvertreters, sich neben der Vermittlung um Schulungen und die Rettung notleidender Verträge gekümmert zu haben, wurde zurückgewiesen. Der Handelsvertreter gab zudem an, in den letzten sechs Monaten vor Vertragsende lediglich 13 Kunden besucht zu haben, was eine Verletzung der Bemühenspflichten belege.

Mit seinem Urteil betonte das OLG Köln, dass der Handelsvertreter auch nach Kündigung des Vertretervertrags grundsätzlich verpflichtet ist, angemessene Maßnahmen zur Absatzförderung der Produkte seines ehemaligen Geschäftsherren zu ergreifen. Konkreter: Die Absatzförderungspflicht des Handelsvertreters endet nicht automatisch mit der Kündigung. Vielmehr gilt die Absatzförderungspflicht auch in der Zeit zwischen Kündigungserklärung und Wirksamwerden der Kündigung, d.h. in der Schwebezeit zwischen erklärter Kündigung und Vertragsende, fort. Das gilt für Handelsvertreter gemäß § 86 I 1 HGB, analog allerdings grundsätzlich ebenso für alle anderen Vertriebsmittler, also insbesondere für Vertragshändler und Franchisenehmer.

Die Höhe des Schadensersatzanspruchs konnte jedoch nicht allein auf Grundlage der Umsatzdifferenz zwischen den Vergleichszeiträumen der Vorjahre und der Zeit nach der Kündigung geschätzt werden. Das OLG berücksichtigte eine Schwankungsbreite von 30% bei der Schadensschätzung, da bei Feststellung einer Pflichtverletzung nicht jede Abweichung beim Vermittlungserfolg zwangsläufig einen Schaden des Unternehmens darstelle.

Das Urteil des OLG Köln unterstreicht die Bedeutung der Kontinuität in Geschäftsbeziehungen und der Pflichten eines Handelsvertreters, selbst nach einer Kündigung. Sowohl Handelsvertreter als auch Unternehmen sollten sich über die Reichweite ihrer Rechte und Pflichten im Falle einer Vertragsbeendigung im Klaren sein, um potenzielle Konflikte zu minimieren und rechtliche Auseinandersetzungen als Folge einer unzureichenden Ausübung dieser Pflichten zu vermeiden. Umso notwendiger ist es, Verträge klar zu gestalten und auf eine transparente Kommunikation zwischen Handelsvertretern und Unternehmen zu setzen, ggf. ein näheres Monitoring der Handelsvertreter oder klare Berichtspflichten mit nachhaltbaren Tätigkeitspflichten zu erwägen.

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