Auch im Jahr 2022 wird die digitale Wirtschaft Gesetzgeber und Rechtsanwender im Bereich Kartellrecht stark beschäftigen. Wir werfen einen Blick auf die in diesem Jahr anstehenden Gesetzesänderungen sowie einige wichtige Verfahren vor Gerichten und Wettbewerbsbehörden im Bereich der digitalen Wirtschaft.
Gesetzesvorhaben
DMA
Von sehr großer Bedeutung für die digitale Wirtschaft ist der Digital Markets Act (DMA). Der DMA stellt eine Sonderregulierung für sogenannte Gatekeeper dar, wobei es inhaltliche Überschneidungen mit dem kartellrechtlichen Missbrauchsverbot nach Art. 102 AEUV gibt. Der DMA soll digitale Märkte in der EU bestreitbarer und fairer machen, damit sowohl Endnutzer als auch gewerbliche Nutzer die Vorteile der digitalen Wirtschaft vollumfänglich nutzen können.Am 15. Dezember 2021 hat das EU-Parlament ihre Version des DMA mit breiter Mehrheit angenommen. Der Text enthält eine Reihe von Änderungen zum Vorschlag der EU-Kommission vom 15. Dezember 2020, die in dieser Synopse dargestellt sind.Im nächsten Abschnitt des Gesetzesvorhabens folgen nun die informellen Trilogverhandlungen zwischen Rat, Parlament und Kommission, und es ist durchaus im Bereich des Möglichen, dass der DMA noch in 2022 in Kraft treten wird.Die Regelungen des DMA in der vom EU-Parlament angenommenen Version im Überblick:
Adressaten des DMA
Der DMA soll sich an Betreiber zentraler Plattformdienste richten, die eine sogenannte Gatekeeper-Stellung innehaben. Zentrale Plattformdienste sind Online-Vermittlungsdienste, ‑Suchmaschinen und ‑Dienste sozialer Netzwerke, Video-Sharing-Plattform-Dienste, nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste, Betriebssysteme, Webbrowser, virtuelle Assistenten, Hybridfernsehen, Cloud-Computing-Dienste sowie Online-Werbedienste, die von den Betreibern der übrigen zentralen Plattformdienste betrieben werden.
Ein Unternehmen wird als Gatekeeper benannt, wenn es
- erhebliche Auswirkungen auf den Binnenmarkt hat (widerleglich vermutet bei jährlich mindestens acht Millarden Euro Umsatz in den vergangenen drei Geschäftsjahren im EWR oder einer durchschnittlichen Marktkapitalisierung oder einem entsprechenden Marktwert von mindestens 80 Milliarden Euro im vergangenen Geschäftsjahr und bei Betrieb eines zentralen Plattformdienstes in mindestens drei Mitgliedstaaten),
- einen zentralen Plattformdienst betreibt, der gewerblichen Nutzern und Endnutzern als wichtiges Zugangstor zu anderen Endnutzern dient (widerleglich vermutet bei mehr als 45 Millionen monatlichen Endnutzern im EWR oder mehr als Zehntausend im EWR niedergelassenen jährlichen Nutzern), und
- hinsichtlich seiner Tätigkeiten eine gefestigte und dauerhafte Position innehat oder absehbar ist, dass er eine solche Position in naher Zukunft erlangen wird (widerleglich vermutet bei Erreichen der unter ii. genannten Schwellenwerte in jedem der vergangenen zwei Geschäftsjahre).
Unternehmen sollen verpflichtet sein, gegenüber der EU-Kommission unverzüglich, spätestens aber innerhalb von zwei Monaten nach Erreichen der o. g. Schwellenwerte, mitzuteilen, dass die Schwellenwerte erreicht werden.
Verhaltenspflichten
Der DMA sieht einen abschließenden Katalog (teilweise weiter zu konkretisierender) verbotener Verhaltensweisen für Gatekeeper vor. Ausgangspunkt der verschiedenen Pflichten sind die beiden Ziele des DMA, nämlich zum einen bestreitbare Märkte und zum anderen faire Märkte. Dabei dürfte der Schutz des Wettbewerbs das vorherrschende Ziel der verschiedenen Verhaltensregelungen sein, auch wenn nach Rn. 10 der Erwägungen des DMA der DMA ein anderes rechtliches Interesse schützen soll, als die Vorschriften des EU-Kartellrechts.
Der vom EU-Parlament angenommene Text enthält in Erweiterung des Pflichtenkatalogs nach dem DMA-Entwurf der EU-Kommission zusätzliche Regelungen für die Nutzung von Daten für personalisierte oder auf bestimmte Zielgruppen zugeschnittene Werbung und für die Interoperabilität von Dienstleistungen wie nummernunabhängigen interpersonellen Kommunikationsdiensten und Diensten sozialer Netzwerke.
In Bezug auf die Verhaltenspflichten für Gatekeeper sind zwei Aspekte des DMA zu kritisieren:
- Sämtliche Verhaltensbeschränkungen in Art. 5 und 6 DMA sollen unterschiedslos für alle Gatekeeper gelten. Da die konkreten Geschäftsmodelle der Gatekeeper jedoch sehr heterogen sind, passen die Verhaltensbeschränkungen nicht für alle Gatekeeper gleichermaßen.
- Die Verhaltensbeschränkungen in Art. 5 und 6 DMA sehen zudem keine hinreichende Möglichkeit einer Rechtfertigung des Verhaltens durch die Gatekeeper vor. Dies ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zu kritisieren. Gehen im Einzelfall von einer Verhaltensweise keine negativen Auswirkungen für die Bestreitbarkeit und Fairness des Binnenmarkts aus, dann ist ein Verbot nicht erforderlich und dementsprechend sollte der Gatekeeper die Möglichkeit haben, von dem jeweiligen Verbot befreit zu sein.
Zusammenschlüsse
Der DMA in der Version des EU-Parlaments sieht zudem vor, dass die EU-Kommission Gatekeepern für einen begrenzten Zeitraum Übernahmen (insbesondere sogenannte Killerakquisitionen) in für den DMA relevanten Bereichen verbieten darf, wenn dies erforderlich und verhältnismäßig ist, um den durch wiederholte Verstöße verursachten Schaden zu beheben oder weiteren Schaden für die Bestreitbarkeit und Fairness des Binnenmarktes zu verhindern. Darüber hinaus sollen Gatekeeper verpflichtet werden, die EU-Kommission über geplante Zusammenschlüsse zu unterrichten.
Alleinige Durchsetzungskompetenz der EU-Kommission und Verhältnis des DMA zu § 19a GWB
Die EU-Mitgliedstaaten treten für eine Durchsetzung des DMA auch durch die Wettbewerbsbehörden der EU-Mitgliedstaaten ein (siehe auch Koalitionsvertrag, S. 31), und auch die Wettbewerbsbehörden der EU-Mitgliedstaaten selbst haben sich für ihre komplementäre Zuständigkeit eingesetzt. Allerdings sieht der DMA auch in der vom EU-Parlament angenommenen Fassung vor, dass ausschließlich die EU-Kommission zur Durchsetzung des DMA befugt sein soll.
Nicht gerüttelt hat das EU-Parlament zudem am teilweisen Vorrang des DMA gegenüber nationalem Kartellrecht der EU-Mitgliedstaaten. Der Text des EU-Parlaments sieht in Art. 1 Abs. 6 DMA vor, dass der DMA nationales Kartellrecht insoweit sperrt, als die EU-Kommission einen Gatekeeper benannt hat und das nationale Kartellrecht Verhaltensweisen adressiert, die auch schon nach Art. 5 und 6 DMA unzulässig sind. Bei dieser Regelung bliebe vom Anwendungsbereich des § 19a GWB für Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb (siehe hierzu sogleich) wenig übrig, denn die meisten Verhaltensweisen, die nach § 19a GWB untersagt werden können, sind einem Gatekeeper auch schon nach Art. 5 und 6 DMA untersagt.
Wer mehr zum DMA wissen möchte: Hier geht’s zu unserem Webinar zur Digital-Regulierung.
Vertikal-GVO
Neben der Sonderregulierung digitaler Großkonzerne im DMA ist die EU-Kommission dabei, ihren kartellrechtlichen Regelungsrahmen zu überarbeiten und dabei auch die Besonderheiten des Wettbewerbs auf digitalen Märkten zu berücksichtigen.
Allen voran betrifft dies die Novellierung der Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung (Vertikal-GVO) und die entsprechende Überarbeitung der Vertikal-Leitlinien (Vertikal-LL). Im Juli 2021 wurden die Entwürfe hierzu veröffentlicht. Die neuen Regelungen werden am 1. Juni 2022 in Kraft treten.
Nachfolgend einige der maßgeblichen Änderungen des derzeitigen Entwurfs der Vertikal-GVO (Vertikal-GVO-E) im Bereich der Digitalisierung:
- Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern: Durch die Digitalisierung entstehen neue Wettbewerbsverhältnisse. Hersteller vertreiben vermehrt direkt an Endkunden und treten damit zu ihren Absatzmittlern in Wettbewerb. Art. 2 Abs. 4 S. 1 Vertikal-GVO-E schließt vertikale Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern von der Freistellung der Vertikal-GVO-E aus. Eine Ausnahme hiervon findet sich aber in Art. 2 Abs. 4 S. 2 Vertikal-GVO-E für nicht-gegenseitige vertikale Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern. Voraussetzung ist, dass der Anbieter zum einen als Hersteller (oder Großhändler oder Importeur) und zum anderen als Händler tätig ist und der Abnehmer als Händler tätig ist, aber nicht Wettbewerber des Anbieters im Bereich der Herstellung (oder des Großhandels oder des Imports) ist. Zudem erfordert eine Freistellung gemäß Art. 2 Abs. 5 Vertikal-GVO-E, dass der gemeinsame Marktanteil von Anbieter und Abnehmer auf dem relevanten Einzelhandelsmarkt 30 Prozent nicht überschreitet (liegt der gemeinsame Marktanteil nicht über 30 Prozent, aber über zehn Prozent, beurteilt sich der Informationsaustausch zwischen den an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen nach den Vorschriften über horizontale Vereinbarungen). Diese – neue – Marktanteilsschwelle tritt neben die – auch bisher schon bestehende – Marktanteilsschwelle auf den relevanten Absatz- und Bezugsmärkten für die Vertragsprodukte in Höhe von 30 Prozent (Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO-E). Schließlich darf die vertikale Vereinbarung zwischen Wettbewerbern gemäß Art. 2 Abs. 6 Vertikal-GVO-E keine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung enthalten. Diese Voraussetzung ist auch im Hinblick auf den Informationsaustausch im Anbieter-Abnehmer-Verhältnis zu beachten.
- Online-Vermittlungsdienste und hybride Plattformen: Art. 1 Abs. 1 lit. d) Vertikal-GVO-E definiert den Begriff Online-Vermittlungsdienste und legt fest, dass die Erbringer von Online-Vermittlungsdiensten im Rahmen der Vertikal-GVO als Anbieter anzusehen sind. Diese Einordnung als Anbieter war bisher unklar. Nach Art. 2 Abs. 7 Vertikal-GVO-E gilt die Freistellung nicht für vertikale Vereinbarungen mit Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten, wenn diese eine hybride Stellung innehaben, d. h., wenn sie Waren oder Dienstleistungen im Wettbewerb mit Unternehmen verkaufen, für die sie Online-Vermittlungsdienste erbringen. Die Zulässigkeit einzelner Wettbewerbsbeschränkungen in solchen Vereinbarungen richtet sich nach den Vertikal-LL und den – derzeit ebenfalls in Überarbeitung befindlichen – Horizontal-Leitlinien der EU-Kommission.
- Paritätsklauseln/Meistbegünstigungsklauseln: Eine auf digitalen Märkten, insbesondere digitalen Plattformmärkten, häufig anzutreffende Beschränkung beim Vertrieb von Waren und Dienstleistungen betrifft sog. Paritätsklauseln (auch Meistbegünstigungsklauseln). Diese besagen, dass ein Unternehmen seinem Vertragspartner mindestens genauso günstige Bedingungen anbieten muss wie auf jeglichen anderen Vertriebs-/Vermarktungskanälen (z. B. anderen Plattformen) oder über den Direktverkaufskanal des Unternehmens (z. B. eigene Website(s)). Die Vertikal-GVO-E regelt nun ausdrücklich, dass Paritätsklauseln freigestellt sind, sofern die Voraussetzungen der Vertikal-GVO-E (u. a. die 30 Prozent-Marktanteilsgrenze) erfüllt sind. Eine Ausnahme hiervon greift allerdings für plattformübergreifende Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen gemäß Art. 5 Abs. 1 d) Vertikal-GVO-E.
- Doppelpreissysteme: Doppelpreissysteme, wonach derselbe Abnehmer für Produkte, die online weiterverkauft werden sollen, einen anderen Preis zahlt als für Produkte, die offline weiterverkauft werden sollen, können nach der Vertikal-GVO-E freigestellt sein, sofern sie darauf abzielen, Anreize für angemessene Investitionen im Online- bzw. Offline-Bereich zu schaffen oder diese zu belohnen. Bisher wurden Doppelpreissysteme als unzulässige Kernbeschränkung eingestuft.
- Äquivalenzprinzip: Nach dem Äquivalenzprinzip mussten Anforderungen an den Online-Vertrieb zwar nicht identisch, aber gleichwertig zu den Anforderungen an den stationären Vertrieb sein. Mit der Vertikal-GVO-E entfällt das Äquivalenzprinzip.
GWB
Auch wenn die neue Bundesregierung es in ihrem Koalitionsvertrag (S. 31) vorsieht, „das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zu evaluieren und weiterzuentwickeln“ und im digitalen Bereich insbesondere „eine Verpflichtung zur Interoperabilität […] über das GWB für marktbeherrschende Unternehmen“ zu verankern, ist eine Anpassung des kartellrechtlichen Regelungsrahmens in Deutschland in 2022 nicht zu erwarten. Schließlich ist erst Anfang 2021 das „GWB-Digitalisierungsgesetz“ in Kraft getreten, welches insbesondere im Missbrauchsrecht weitreichende Änderungen für die digitale Wirtschaft beinhaltet.
Wer mehr über die Änderungen für die digitale Wirtschaft durch die 10. GWB-Novelle erfahren möchte: Hier geht’s zu unserem Webinar "10. GWB-Novelle".
Kartellrechtliche Verfahren
Neben den gesetzlichen Änderungen wird es im Jahr 2022 auch eine Reihe von Entscheidungen in kartellrechtlichen Verfahren digitale Geschäftsmodelle betreffend geben, die mit Spannung zu erwarten sind. Hier eine kleine Auswahl:
EuGH – Facebook
Die „Facebook-Saga“ (siehe hierzu Nagel/Horn, ZWeR 2021, 78 ff.) wird wohl noch in diesem Jahr durch den EuGH fortgeschrieben.
Was bisher geschah
Im Februar 2019 hatte das Bundeskartellamt Facebook (nunmehr Meta) untersagt, Nutzerdaten aus zum Facebook-Konzern gehörenden Diensten wie WhatsApp und Instagram einerseits und Daten von Drittwebseiten andererseits zu sammeln und zusammenzuführen und diese den einzelnen Facebook-Nutzerkonten zuzuordnen, ohne zuvor die Einwilligung der Nutzer einzuholen. Das Bundeskartellamt hatte in dem Verhalten von Facebook einen Konditionenmissbrauch nach § 19 Abs. 1 GWB gesehen. Die Unangemessenheit der Konditionen hatte das Bundeskartellamt aus einem Verstoß gegen die DSGVO abgeleitet, weil die DSGVO als Maßstab für die Unangemessenheit der Konditionen heranzuziehen sei.
Das OLG Düsseldorf hatte den Beschluss des Bundeskartellamts im Eilverfahren aufgehoben (Beschluss vom 26.08.2019, Az.: Kart 1/19 (V)). Ein Verstoß gegen die DSGVO genüge mangels eines erforderlichen Wettbewerbsschadens nicht. Im Juni 2020 (Beschluss vom 23.06.2020, Az.: KVR 69/19) bestätigte der BGH die Entscheidung des Bundeskartellamts – allerdings mit abweichender Begründung. Das Verhalten von Facebook stelle eine aufgedrängte Leistungserweiterung zum Schaden der Facebook-Nutzer dar. Die Wertungen der DSGVO berücksichtigte der BGH erst im Rahmen der nach § 19 Abs. 1 GWB erforderlichen Interessenabwägung.
Nunmehr war erneut das OLG Düsseldorf an der Reihe – diesmal im Hauptsachverfahren. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf kann ein Verstoß der Nutzungsbedingungen von Facebook gegen die DSGVO einen Konditionenmissbrauch nach § 19 Abs. 1 GWB darstellen. Der wettbewerbliche Schaden bestünde in einer Verletzung der durch die DSGVO geschützten Dispositionsfreiheit der Nutzer über ihre personenbezogenen Daten. Daher komme es u. a. darauf an, ob das Bundeskartellamt befugt sei festzustellen, ob Facebook gegen die DSGVO verstoße, und falls ja, ob Facebook tatsächlich gegen die DSGVO verstößt. Das OLG Düsseldorf setzte das Verfahren daher aus und legte dem EuGH mehrere Fragen zur Auslegung der DSGVO zur Vorabentscheidung vor (Beschluss vom 24.03.2021 (Az.: Kart 2/19 (V)).
Das Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH
Der EuGH hat nun u. a. zu klären, ob es mit den Zuständigkeitsregeln der DSGVO vereinbar ist, dass das Bundeskartellamt für die kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht einen Verstoß von Facebook gegen die DSGVO feststellt. Falls dies nicht der Fall ist, hat der EuGH die Frage zu beantworten, ob das Bundeskartellamt im Rahmen der Interessenabwägung beim Missbrauchsverbot Feststellungen dazu treffen darf, ob die Datenverarbeitung durch Facebook den Vorgaben der DSGVO entspricht.
Die Bedeutung der Entscheidung des EuGH gerade zu diesen Zuständigkeitsfragen des Bundeskartellamts bei der Anwendung der DSGVO ist nicht zu unterschätzen. Würde der EuGH die Zuständigkeit des Bundeskartellamts verneinen, stellt sich die Frage, ob eine Untersagung der Nutzungsbedingungen von Facebook durch das Bundeskartellamt nach § 19 Abs. 1 GWB noch zulässig wäre. Mit der vom Bundeskartellamt gegebenen Begründung in Form eines anhand der Maßstäbe der DSGVO festgestellten Konditionenmissbrauchs wohl nicht. Wird dagegen auf die Begründung des BGH abgestellt, sprechen gute Argumente dafür, dass eine Untersagung zulässig wäre. Zwar hat auch der BGH die Wertungen der DSGVO im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigt. Allerdings dürfte dies für das Ergebnis der Interessenabwägung nicht ausschlaggebend gewesen sein. Das Ergebnis der Interessenabwägung ließe sich vielmehr auch allein auf die wettbewerblichen und grundrechtlichen Wertungen stützen, die der BGH in seiner Abwägung ebenfalls angestellt hat.
Bundeskartellamt – § 19a GWB-Verfahren
In 2022 sind auch Entscheidungen des Bundeskartellamts in seinen § 19a GWB-Verfahren zu erwarten. Eine hat das Bundeskartellamt bereits am 30. Dezember 2021 getroffen – sie betrifft Alphabet/Google.
Der Regelung des § 19a GWB unterliegen nur Unternehmen, die in erheblichem Umfang auf mehrseitigen Märkten oder Netzwerkmärkten tätig sind und denen eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. Neben Alphabet/Google prüft das Bundeskartellamt auch bei Meta/Facebook, Amazon und Apple das Vorliegen einer solchen überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb.
Stellt das Bundeskartellamt fest, dass ein Unternehmen Adressat des § 19a GWB ist, kann es in einem zweiten Schritt verschiedene Verhaltensweisen untersagen, die in § 19a GWB abschließend mit Regelbeispielen aufgeführt sind.
Im Falle von Alphabet/Google wird das Bundeskartellamt u. a. die Datenverarbeitungskondiktionen von Alphabet/Google prüfen. Nach § 19a Abs. 2 Nr. 4a GWB kann das Bundeskartellamt Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb untersagen, die Nutzung ihrer Dienste davon abhängig zu machen, dass Nutzer der Verarbeitung von Daten aus anderen Diensten des Unternehmens oder eines Drittanbieters zustimmen, ohne den Nutzern eine ausreichende Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Umstands, des Zwecks und der Art und Weise der Verarbeitung einzuräumen. Dieser Tatbestand erfasst damit den Sachverhalt, den das Bundeskartellamt auch im Facebook-Fall untersagt hat.