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3. Januar 2022

The year ahead – 1 von 5 Insights

Von Omnibussen und Kündigungsbuttons – 2022: Ein bewegtes Jahr für den Verbraucherschutz im E-Commerce

Die „Omnibus-Richtlinie“ bewegt den Verbraucherschutz 2022 und wirkt sich neben der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken auch auf die Verbraucherrechte und Preisangaben aus.

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Der europäische Richtliniengeber hat mit der Verabschiedung der Omnibus-Richtlinie nicht nur umfangreiche Änderungen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken vorgesehen, sondern auch der Verbraucherrechte-Richtlinie und der Preisangaben-Richtlinie. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die wichtigsten Neuerungen, die sich aus den Umsetzungen jener beiden Richtlinien ins deutsche Recht ergeben, und wagt zudem einen kurzen Ausblick auf den künftig im deutschen Recht vorgeschriebenen Kündigungsbutton.

Anpassungen der Verbraucherrechte-Richtlinie und der Preisangaben-Richtlinie

Am 7. Januar 2020 trat die sogenannte „Omnibus-Richtlinie“ (EU) 2019/2161 der Europäischen Kommission in Kraft. Die Omnibus-Richtlinie dient der Änderung von insgesamt vier Richtlinien, darunter der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher („VR-Richtlinie“ 2011/83/EU) sowie der Richtlinie über Preisangaben (98/6/EU). Für deren Umsetzung in nationales Recht hatten Mitgliedstaaten bis zum 28. November 2021 Zeit. Die Bundesrepublik hat ihre Hausaufgaben erledigt und fristgerecht entsprechende Vorschläge vorgelegt.

  • Das Gesetz, das die Anpassungen der VR-Richtlinie in deutsches Recht (nämlich im BGB und EGBGB) umsetzt, hat den sperrigen Namen „Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches und des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch in Umsetzung der EU-Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union und zur Aufhebung der VO zur Übertragung der Zuständigkeit für die Durchführung der VO (EG) Nr. 2006/2004 auf das BMJV“. Das Gesetz wurde am 10. August 2021 verabschiedet und im Bundesgesetzblatt vom 17. August 2021 veröffentlicht.
  • Zudem hat die Bundesregierung die Umsetzung der Omnibus-Vorgaben zum Anlass genommen, eine vollständige „Novellierung der deutschen Preisangabenverordnung“ vorzulegen. Diese neue Preisangabenverordnung (PAngV) wurde am 3. November 2021 im Kabinett verabschiedet.
  • Erwähnenswert in diesem Kontext ist ebenfalls das „Gesetz für faire Verbraucherverträge“. Anders als die zuvor genannten Umsetzungen geht dieses Gesetz nicht auf Omnibus-Richtlinie zurück. Es betrifft Anpassungen des AGB-Rechts etwa im Hinblick auf Laufzeiten von Abonnements, genauso wie Anpassungen des OWiG etwa im Hinblick auf Telefonwerbung und entsprechender Dokumentationspflichten der erforderlichen Einwilligung. Ein besonderes „Highlight“ für den E-Commerce hat der deutsche Gesetzgeber kurz vor der Verabschiedung des Gesetzes noch rechtzeitig mit aufgenommen, indem er in § 312 k BGB eine Vorschrift zur Kündigung von Verbraucherverträgen eingefügt hat (hierzu unten mehr). Dieses Gesetz wurde gleichzeitig mit dem Anpassungsgesetz zur VR-Richtlinie verabschiedet und ebenfalls am 17. August 2021 veröffentlicht.

Soweit diese Neuerungen durch die Omnibus-Richtlinie determiniert sind, entlässt jener Omnibus seine Passagiere zum 28. Mai 2022 in die weite Welt und damit in die Wirksamkeit. Im Hinblick auf das deutsche Gesetz für faire Verbraucherverträge gibt es eine gestaffelte Wirksamkeit zwischen dem 1. Oktober 2021 und dem 1. Juli 2022, die vom jeweiligen Inhalt der Klausel abhängt.
 
Im Folgenden ein Versuch, die wichtigsten Neuerungen dieser drei Regelungswerke zusammenzufassen:

Der „Omnibus-Preis“ in der neuen PAngV

Die Omnibus-Richtlinie ändert die Preisangaben-Richtlinie im Hinblick auf die für das Marketing von Produkten so gerne genutzten Preisermäßigungen.

  • Nach dem neuen § 11 PAngV ist gegenüber Verbrauchern der niedrigste Gesamtpreis bei Preisermäßigungen anzugeben, der für die Ware innerhalb der letzten 30 Tage vor der Anwendung der Preisermäßigung gegolten hat. Diese Transparenzvorgabe soll die Nutzung von irreführenden „Mondpreisen“ bei Preisermäßigungen verhindern und gilt für den stationären genauso wie für den Online-Handel. Dieser „Omnibus-Preis“ rief die Befürchtung vieler Anbieter nach umfassenden Anpassungsmaßnahmen hervor, die sich in vielen Fällen wohl auch bewahrheitet hat.
  • Diese Vorgabe greift ausschließlich bei Preisgegenüberstellungen, wie z.B. bei „statt“-Preisen oder der Nutzung von durchgestrichenen Preisen. Eine wichtige Ausnahme stellt der Verordnungsgeber aber ebenfalls klar: Digitale Produkte, d.h. digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen (vgl. hierzu auch die „Digitale Inhalte“-Richtlinie (EU) 2019/770) sind vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift ausgenommen.
  • Die EU Kommission hat kürzlich am 17. Dezember 2021 außerdem einen Leitfaden zur Anwendung des „Omnibus-Preises“ veröffentlicht, der sicherlich hilfreich für die künftige Anwendung der Anpassungen der Preisangaben-Richtlinie ist.

Anpassungen des BGB/EGBGB durch Anpassungen der VR-Richtlinie im Hinblick auf „Online-Marktplätze“

Die Omnibus-Richtlinie nimmt ebenfalls umfassende Änderungen in der VR-Richtlinie vor.

  • Dies gilt zunächst für die Erweiterung des Anwendungsbereichs der VR-Richtlinie. Demnach finden die Informationspflichten und Widerrufsrechte der Verbraucher aus der Richtlinie künftig auf Verträge über digitale Produkte (digitale Inhalte sowie digitale Dienstleistungen) Anwendung, die der Verbraucher nicht mit Geld, sondern mit seinen persönlichen Daten als Gegenleistung „bezahlt“ (siehe die deutsche Umsetzung in §§ 312 Abs. 1a, 327 Abs. 3 BGB).
  • Darüber hinaus betreffen die Anpassungen die vorvertraglichen Informationspflichten gegenüber Verbrauchern im E-Commerce. Darunter fallen etwa Informationen darüber, ob der Preis auf Grundlage einer automatisierten Entscheidungsfindung personalisiert wurde oder über die Kompatibilität und Interoperabilität von digitalen Produkten.
  • Zudem gibt es künftig besondere Informationspflichten für sogenannte Online-Marktplätze“ (§ 312 k ab 28. Mai 2022, danach ab dem 1. Juli 2022 § 312 l), § 246 d EGBGB). Solche Online-Marktplätze ermöglichen es Verbrauchern, Fernabsatzverträge mit anderen Unternehmern oder Verbrauchern abzuschließen. Zu den vorvertraglichen Informationspflichten für Betreiber eines Online-Marktplatzes zählen etwa Informationen über das Ranking der angebotenen Waren, Dienstleistungen oder digitalen Produkte oder beispielsweise Informationen über die Verkäufer. So muss der Betreiber eines Online-Marktplatzes sich beim Verkäufer darüber informieren, ob dieser nach eigenen Angaben Unternehmer ist oder nicht, und den Verbraucher als Nutzer des Marktplatzes darüber informieren. Hier kommt im Detail einiges an Implementierungsaufwand für solche Betreiber von Online-Marktplätzen zu.
  • Zudem bringt die Omnibus-Richtlinie geringfügige Anpassungen des Widerrufsrechts mit sich. Um das Widerrufsrecht bei zahlungspflichtigen Verträgen wirksam auszuschließen, ist es künftig erforderlich, nicht nur die ausdrückliche Zustimmung des Verbrauchers dazu einzuholen, dass bei digitalen Inhalten der Unternehmer mit der Vertragserfüllung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt und damit der Verbraucher sein Widerrufsrecht verliert. Zudem muss die jeweilige Zustimmung dem Verbraucher künftig auf einem dauerhaften Datenträger (z.B. eine PDF-Datei) übermittelt werden. Sofern der Anbieter das Widerrufsrecht bei digitalen Inhalte nicht wirksam ausgeschlossen hat, steht ihm im Übrigen auch kein Wertersatzanspruch zu, sofern er Verbraucher Vertrag widerruft (§ 357 a Abs. 3 BGB).

Der neue Kündigungsbutton

Das Gesetz für faire Verbraucherverträge führt künftig verpflichtend einen 2-stufigen Kündigungprozess im neuen § 312 k BGB ein. Überall dort, wo der Verbraucher ein entgeltliches Dauerschuldverhältnis abschließen kann, soll der Anbieter dem Verbraucher ebenfalls die Möglichkeit geben, an gleicher Stelle zu kündigen. Nach der Idee des Gesetzgebers soll demnach wohl auf solchen Registrierungsseiten für Mitgliedschaften auf erster Stufe ein Kündigungsbutton aufgenommen werden („Verträge hier kündigen“). Dieser Kündigungsbutton soll dann auf zweiter Stufe zu einer Bestätigungsseite führen, wo eine Identifizierung des jeweiligen Nutzers vorgenommen wird und der Verbraucher die Kündigung wirksam absenden kann („Jetzt kündigen“).

  • Nach der Gesetzesbegründung soll diese Kündigungsmöglichkeit unabhängig davon gelten, ob Verbraucher in ihrem Konto eingeloggt sind oder nicht. Dies ist nicht unproblematisch. Zwar mag es für den Verbraucher angenehm sein, seinen Vertrag zu kündigen, ohne seine Zugangsdaten heraussuchen zu müssen. Aus Sicht des Anbieters muss aber sichergestellt sein, dass keine missbräuchlichen Kündigungen vorgenommen werden, sodass der Verbraucher in jedem Fall bestimmte Identifizierungsmerkmale auf der Bestätigungsseite angeben muss. Wie dies ausgestaltet wird, wird die künftige Praxis zeigen. Zudem ist rechtlich noch völlig unklar, was unter „Webseite“ iSd § 312 k n. F. BGB zu verstehen ist (Apps? Andere Benutzeroberflächen wie Smart-TVs?). Der Gesetzgeber verweist zur Begründung auf die angebliche Rechtsprechung zu § 312 j BGB – die aber in dieser Form wohl nicht existiert.
  • Außerdem soll es aus Sicht des Gesetzgebers keinen Unterschied machen, ob der Vertragsschluss über eine vom Unternehmer selbst betriebene Webseite ermöglicht wird oder, wie z.B. bei Vermittlungsplattformen, über eine von Dritten betriebene Webseite. Damit wird auch das Geschäftsmodell der Vermittlungsplattformen vor gewisse technische Hürden gestellt. So ist denkbar, dass solche Vermittlungsplattformen eine Schnittstelle zum Vertragspartner des Verbrauchers herstellen müssen, um dem Verbraucher die Kündigung über die Plattform direkt zu ermöglichen. Auch hier bleibt im Detail allerdings vieles im Unklaren.
    Dieser neu zu implementierende Kündigungsprozess wird Anbieter vor größere technische Herausforderungen stellen, und es ist zu erwarten, dass sich die Gerichte nach dem 1. Juli 2022 mit den Fragen zum Kündigungsbutton beschäftigen werden.

Ausblick

Das Jahr 2022 hält einige tiefgreifende Neuerungen für das Verbraucherschutzrecht bereit. Die Anforderungen, die hierdurch an die Anbieter im E-Commerce gestellt werden, sind nicht zu unterschätzen. Dies gilt nicht nur aufgrund der hohen, an die DSGVO angepassten Sanktionen, die der europäische Gesetzgeber bei Verstößen gegen die Bestimmungen der Omnibus-Richtlinie vorgesehen hat (bei einem sogenannten „weitverbreiteten Verstoß“ oder einem „weitverbreiteten Verstoß mit Unionsdimension“ im Sinne der Verordnung (EU) 2017/2394 Geldbußen von bis zu 4% des Jahresumsatzes des Unternehmens zu verhängen, oder bis zu 2 Millionen Euro Geldbuße, sollten Informationen über den Umsatz nicht verfügbar sein).

Zudem stellt die neue, rein deutsche Anforderung eines Kündigungsbuttons internationale Anbieter vor immense rechtliche und technische Herausforderungen. Anbieter sollten sich daher den 28. Mai 2022 sowie den 1. Juli 2022 dick im Kalender markieren, sofern dies nicht ohnehin schon geschehen ist.

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