Verträge über digitale Inhalte und Dienstleistungen (nachfolgend “digitale Produkte”) sind für einen Großteil der Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Das Jahr 2022 bringt diesbezüglich erhebliche Neuerungen im Bereich des fairen Verbraucherschutzes, welche sowohl für Unternehmern als auch Verbraucherinnen und Verbraucher im Alltag sehr relevant sind.
Die Anwendung der bestehenden Gesetze auf Verträge mit stetig wandelnden digitalen Produkten sind oft komplex und können zu unbefriedigenden Ergebnissen führen. Der Überblick über die Einführung der neuen Gesetze, die Änderung einzelner AGB-Regelungen sowie die Kündigung von Verbraucherverträgen im elektronischen Rechtsverkehr ist deshalb unerlässlich und wird im Folgenden dargestellt.
Der Handel mit Produkten sowie die Inanspruchnahme von Dienstleistungen innerhalb von Europa profitiert von harmonisierten Verbraucherrechten in vielen Bereichen. Insbesondere für Verbraucherinnen und Verbrauchern ist ein einheitliches Niveau an Verbraucherschutz innerhalb von Europa vorteilhaft, da so Rechtsgeschäfte über die Grenzen des eigenen Landes hinweg ohne erhöhtes Risiko durchgeführt werden können. Nach Ansicht des europäischen Gesetzgebers waren die bisher bestehenden Vorschriften jedoch für die Überlassung und Bereitstellung von digitalen Produkten unzureichend, sodass, basierend auf verschiedenen Richtlinien (Reform der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44 durch Richtlinie 2019/771 für „Waren mit digitalen Elementen“, Neue Richtlinie 2019/770 über vertragliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und Dienste), in Deutschland unter anderem die neuen §§ 327 ff. BGB entstanden.
Die Regelungen des § 327 und der §§ 327a bis 327u BGB finden Anwendung, wenn vier Voraussetzungen vorliegen:
Mit der Einführung der neuen §§ 327 ff. BGB ist ebenso deren Verhältnis zu den allgemeinen sowie zu den besonderen Vorschriften zum Vertragsrecht zu beachten. Insbesondere Vorrangs- und Anwendbarkeitsregeln im Verhältnis zu anderen Verbraucherschutzvorschriften, sind im Einzelfall genau zu prüfen. Auf EU-Ebene bleibt es zudem unerlässlich, die unterschiedlichen allgemeinen gesetzlichen Regelungen der Mitgliedstaaten, wie z.B. zu den Voraussetzungen eines Vertragsschlusses, zu berücksichtigen. Die Anwendung harmonisierter Verbraucherschutzvorschriften kann in einzelnen Mitgliedstaaten daher weiterhin Unterschiede aufweisen.
Die neuen Regelungen treten am 1. Januar 2022 in Kraft, wobei für deren Anwendung der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich ist. Zudem ist die potentielle Anwendbarkeit auf Altverträge, die ab dem 1. Januar 2022 digitale Produkte bereitstellen, zu beachten. Hierunter können insbesondere Abonnements digitaler Produkte fallen. Ausnahmen können sich in Einzelfällen aus den §§ 327r, t und u BGB ergeben.
Das Gesetz für faire Verbraucherverträge ist bereits am 1. Oktober 2021 in Kraft getreten. Ab dem 1. März bzw. dem 1. Juli 2022 kommen nun weitere Änderungen zur Anwendung.
Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) sieht mit dem Gesetz für faire Verbraucherverträge die Stärkung der Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern vor. Damit sollen bspw. untergeschobene Verträge oder überlange Vertragsverlängerungen mit den neuen AGB-Regelungen unterbunden werden. Zudem werden mit der Schaffung des sogenannten Kündigungsbuttons im Internet die Kündigungsmöglichkeiten für Verbraucherinnen und Verbrauchern erweitert. Kündigungserklärungen sollen künftig ähnlich leicht abgegeben werden können wie die zum Vertragsabschluss. Was das für Unternehmen bedeutet, wird im Folgenden in Kürze erläutert:
Kündigungsbutton im Internet:
Der neu eingeführte § 312k BGB erweitert die Kündigungsmöglichkeiten für Verträge im Internet, bei denen im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses entgeltlichen Leistung seitens des Unternehmens angeboten werden. Für Verträge dieser Art müssen den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine Kündigungsschaltfläche (sogenannter “Kündigungsbutton”) eingeräumt werden.
Der Kündigungsbutton muss gut lesbar, ständig verfügbar sowie mit einer eindeutigen Formulierung wie „Verträge hier kündigen“ beschriftet sein. Haben die Verbraucherinnen und Verbraucher den Zeitpunkt der Kündigung nicht angegeben, so wirkt die Kündigung im Zweifel zum frühestmöglichen Zeitpunkt.
Die Umsetzung dieser Neuerung ist insbesondere wegen der vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehenen Sanktion nicht zu unterschätzen. Halten Unternehmen ihre Pflichten zur Umsetzung des neuen § 312k BGB nicht ein, können Verbraucherinnen und Verbraucher ab dem 1. Juli 2022 jederzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist das Vertragsverhältnis beenden.
Diese Pflichten gelten auch für Verträge, die vor dem 1. Juli 2022 entstanden sind. Zum Vergleich gelten die Änderungen in § 308 BGB und § 309 BGB ausschließlich für Verträge, die nach ihrem Inkrafttreten abgeschlossen wurden.
Die dargestellten Neuerungen verlangen von den Unternehmen eine vertiefte Auseinandersetzung und eine aktive Anpassung ihrer bisherigen Bedingungen. Aufgrund des verstärkten Vorgehens der Verbraucherschutzverbände gegen nennenswerte Unternehmen sollten diese Neuerungen im Rahmen der Verbraucherverträge unter keinen Umständen vernachlässigt werden.
Die „Omnibus-Richtlinie“ bewegt den Verbraucherschutz 2022 und wirkt sich neben der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken auch auf die Verbraucherrechte und Preisangaben aus.
1 von 5 Insights
Mit dem reformierten Jugendschutzgesetz kommen auf Anbieter von Telemedien umfassende Pflichten zu. So sollen Minderjährige verstärkt vor Gefahren im Internet geschützt werden.
2 von 5 Insights
Der Data Governance Act (DGA) regelt die Verfügbarkeit von Daten bzw. deren gemeinsame Nutzung in der EU und besteht im Wesentlichen aus vier Regelungsgegenständen.
3 von 5 Insights
Diese Themen werden 2022 im Kartellrecht besonders spannend: EuGH vs. Facebook/Meta, Sonderregulierung digitaler Großkonzerne (DMA) sowie die Vertikal-GVO.
5 von 5 Insights
Zurück zur