Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 17. Juli 2025 (Az. I ZR 43/24) entschieden, dass die Werbung mit geldwerten Gutschriften im Rahmen eines Bonussystems beim Kauf von Medizinprodukten bei Überschreiten der Wertgrenze von 1,00 EUR unzulässig und nicht mit dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) vereinbar ist.
Sachverhalt
Die Klägerin ist die Wettbewerbszentrale. Die Beklagte vertreibt in ihren Filialen in Deutschland Hörgeräte verschiedener Hersteller und sonstige Produkte für Hörbeeinträchtigte. Die Beklagte kooperiert dabei mit der PAYBACK GmbH und warb auf ihrer Internetseite mit der Gutschrift von PAYBACK-Punkten. Kunden, die an der Kasse beim Bezahlen ihre PAYBACK-Karte vorzeigten, bekamen pro einem Euro Umsatz einen PAYBACK-Punkt im Wert von 1 Cent auf ihrem PAYBACK-Konto gutgeschrieben. Kunden können sich die gesammelten Punkte bargeldlos auszahlen oder in Sachprämien, Gutscheine, Prämienmeilen oder Spenden umwandeln lassen. Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Werbung verstoße gegen das Verbot von Werbegaben gemäß § 7 Abs. 1 HWG und nimmt die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch.
Streitentscheidende Norm: § 7 HWG
Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 HWG ist es unter anderem unzulässig, im Zusammenhang mit Medizinprodukten wie beispielsweise Hörgeräten Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren. Eine Ausnahme von diesem strengen Zuwendungsverbot besteht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 2 HWG, wenn es sich bei den Zuwendungen oder Werbegaben um geringwertige Kleinigkeiten handelt und gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a HWG unter anderem dann, wenn die Zuwendungen oder Werbegaben in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag gewährt werden. Der gesetzgeberische Sinn und Zweck des § 7 HWG besteht vor allem darin, durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Gesundheitsbereich der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung zu begegnen, die von einer Werbung mit Geschenken ausgehen kann.
Bisheriger Prozessverlauf
Das Landgericht Hamburg (Urteil vom 12. Mai 2021 - 312 O 306/19) hat die Klage in erster Instanz abgewiesen, da es angenommen hatte, dass es sich bei der streitgegenständlichen Werbung nicht um produktbezogene Werbung handele, sondern um reine Unternehmenswerbung für ein Kundenbindungssystem.
Der Anwendungsbereich des HWG erstreckt sich nämlich ausschließlich auf produkt- bzw. leistungsbezogene Absatzwerbung. Unternehmensbezogene Werbung und reine Imagewerbung ohne konkreten Produktbezug fällt damit nicht unter das Zuwendungsverbot des § 7 HWG.
Es liege, so das Landgericht Hamburg, zudem keine abstrakte Gefährdung von Gesundheitsinteressen vor. Darüber hinaus greife in diesem Fall die Ausnahmeregelung in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a HWG ein, weil es sich um einen zulässigen Geldrabatt handele.
Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein. Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) Hamburg (Urteil vom 29. Februar 2024 - 3 U 83/21) hat das landgerichtliche Urteil daraufhin teilweise abgeändert und die Beklagte auf den Hilfsantrag der Klägerin zur Unterlassung verurteilt, soweit die Gutschrift von PAYBACK-Punkten mit einem Gesamtwert von mehr als 5,00 EUR beworben beziehungsweise veranlasst wird. Hinsichtlich des Hauptantrags, der auf eine Gutschrift von PAYBACK-Punkten im Wert von mehr als 1,00 EUR zielte, hat es die Berufung dagegen zurückgewiesen. Beide Parteien haben die zugelassene Revision gegen das Urteil des OLG Hamburg eingelegt.
Entscheidung des BGH
Die mit Spannung erwartete Entscheidung des BGH in diesem praxisrelevanten Fall ist nun mit Urteil vom 17. Juli 2025 ergangen. Mit diesem hat der BGH das Berufungsurteil insoweit aufgehoben, als dieses zum Nachteil der Klägerin ergangen war, und die Beklagte nach dem Hauptantrag zur Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten verurteilt.
Wie das Berufungsgericht bejahte auch der BGH den Produktbezug der Werbung mit der Gutschrift von PAYBACK-Punkten und sah damit den Anwendungsbereich des HWG als eröffnet. So könne auch die Werbung für das gesamte Warensortiment produktbezogen sein und es genüge, dass die Werbung auch auf den Absatz von Medizinprodukten gerichtet ist.
Ferner sah der BGH, wie zuvor bereits das Berufungsgericht, die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a HWG als nicht erfüllt an und schloss sich insoweit auch der Begründung des OLG Hamburg an.
Folglich seien solche Werbegaben nur als geringwertige Kleinigkeiten im Rahmen der Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 Falls 2 HWG zulässig. Der BGH sah auch die Voraussetzungen dieser Ausnahmeregelung, wie das Berufungsgericht, als nicht erfüllt an. Allerdings stellte er klar, dass die insoweit maßgebliche Wertgrenze entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht erst bei 5,00 EUR, sondern bereits bei 1,00 EUR zu ziehen sei.
Diese Wertgrenze hatte der BGH bereits zuvor damit begründet, dass bei dem fehlenden Preiswettbewerb im Rahmen der verschreibungspflichtigen Arzneimittel – auf Grund der geltenden Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes – auch kleinere Zuwendungen leicht ins Bewusstsein des Verbrauchers treten und diesen dadurch zu nutzenmaximierenden Marktreaktionen veranlassen können. Mit diesem Urteil überträgt der BGH somit seine Rechtsprechung zur Wertgrenze von 1,00 EUR im Fall der Publikumswerbung für preisgebundene Arzneimittel auf Publikumswerbung für nicht preisgebundene Heilmittel, hier Medizinprodukte. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts rechtfertige der mögliche Preiswettbewerb bei Medizinprodukten nicht die Annahme einer über 1,00 EUR hinausgehenden Wertgrenze in diesem Bereich. Denn der Verbraucher vergleiche gerade bei nicht preisgebundenen Arzneimitteln und Medizinprodukten die Preise und müsse dabei auch die ausgelobten Werbegaben berücksichtigen. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Werbegaben – beispielweise in Form PAYBACK-Punkten – erschwere dabei, anders als zulässige Barrabatte, den Preisvergleich und erhöhe das Risiko einer für die Verbraucher intransparenten Preisbildung. Deshalb sei die geltende Wertgrenze für geringwertige Kleinigkeiten von 1,00 EUR erst recht im Fall einer Publikumswerbung für nicht preisgebundene Heilmittel zu ziehen.
Folgen für die Praxis
Schon jetzt ist absehbar, dass die Entscheidung des BGH erhebliche Auswirkungen auf die Akteure des Gesundheitsmarktes haben wird – insbesondere im Hinblick auf die künftigen Anforderungen an die Gestaltung von Werbung für Medizinprodukte und andere nicht preisgebundene Heilmittel in Verbindung mit jeglicher Form von Zuwendungen. Mit der ausdrücklichen Bestätigung der Wertgrenze von 1,00 EUR hat der BGH die Reichweite des § 7 HWG zugleich deutlich konturiert und für den Bereich der Heilmittel eine einheitliche dogmatische Linie gezogen.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass auch geringfügige geldwerte Vorteile – etwa in Form von Bonuspunkten oder vergleichbaren Werbegaben – eine unzulässige Anlockwirkung entfalten können. Unternehmen sind daher künftig einmal mehr gehalten, ihre Werbemaßnahmen streng am Maßstab des § 7 HWG auszurichten und insbesondere darauf zu achten, dass keine Umgehung durch intransparente Zuwendungsformen erfolgt. Die Übertragung der strengen Wertgrenze aus der Werbung für preisgebundene Arzneimittel auf den Bereich sämtlicher Heilmittel bedeutet, dass der Gestaltungsspielraum für Marketingkonzepte in diesem Segment erheblich eingeschränkt wird.