Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. (OLG Frankfurt am Main) hat sich in seinem Berufungsurteil vom 6. März 2025 (Az.: 6 U 74/24) mit diversen Fragen beschäftigt, die im Zusammenhang mit der Bewerbung und der Verschreibung von medizinischem Cannabis stehen.
Hintergrund der Berufungsentscheidung des OLG Frankfurt am Main ist ein Rechtsstreit zwischen der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (Wettbewerbszentrale) als Klägerin und der Beklagten, einer Serviceleistungs- und Betreibergesellschaft, die über ihre Internetseite ärztliche Behandlungen mit medizinischem Cannabis vermittelte. Als Vergütung für die Vermittlung wurden zwischen der Beklagten und den Ärzten zum Teil Anteile von 60% bis 79% des ärztlichen Bruttohonorars vereinbart. Weiterhin warb die Beklagte auf ihrer Website mit Aussagen wie „ärztliche Erstgespräche vor Ort oder digital“ sowie „Cannabis zu medizinischen Zwecken“, vertrieb das medizinische Cannabis jedoch nicht selbst. Die vertragliche Ausgestaltung sowie die von der Beklagten auf ihrer Internetseite – bereits vor Inkrafttreten der Cannabisgesetze (KCanG und MedCanG) – getätigten Aussagen hielt die Klägerin für wettbewerbswidrig und mahnte die Beklagte im April 2023 erfolglos ab. Nachdem das Landgericht Frankfurt a.M. mit Urteil vom 27. Februar 2024 (Az.: 3-08 O 540/23) der Klage nur teilweise stattgegeben hatte, entschied nunmehr auch das OLG Frankfurt am Main über die im Streit stehenden Rechtsfragen.
Berufsrechtswidriges Vermittlungshonorar für die Zuweisung von Patienten, § 31 Abs. 1 MBO-Ä
Das OLG Frankfurt am Main gelangte zu dem Ergebnis, dass ein der Beklagten nach der Vergütungsvereinbarung zustehender Anteil von 60% bis 79% des ärztlichen Bruttohonorars für jeden einzelnen Patienten keine annähernd äquivalente Gegenleistung für die von ihr vertraglich geschuldeten Serviceleistungen darstelle. Vielmehr sei darin – jedenfalls zum Teil – ein verdecktes Vermittlungshonorar für die Zuweisung von Patienten über das von der Beklagten betriebene Portal zu sehen. Mit der Umsetzung der Vergütungsregelung würden die Kooperationsärzte der Beklagten gegen § 31 Abs. 1 MBO-Ä und das darin verankerte Verbot des Gewährens eines Entgelts für die Zuweisung von Patienten verstoßen. Für diese berufsrechtlichen Verstöße sei die Beklagte, die die Vertragsentwürfe einschließlich der Vergütungsregelung entworfen und den potenziellen Kooperationsärzten zur Verfügung gestellt hatte, nach den Anstifter- und Teilnahmeregeln des Lauterkeitsrechts, jedenfalls aber als Gehilfin mitverantwortlich. Entsprechend würde auch die Beklagte und nicht nur die mit ihr kooperierenden Ärzte wettbewerbswidrig handeln.
Werbeverbot für Fernbehandlungen, § 9 S. 1 HWG
Auch die auf der Website der Beklagten getätigten Aussagen „Ärztliche Erstgespräche vor Ort oder digital“ stufte das OLG Frankfurt a.M. als unzulässig ein, da hierin ein Verstoß gegen das Werbeverbot für Fernbehandlungen nach § 9 S. 1 HWG zu sehen sei. Entscheidend sei dabei das Verständnis der Werbeadressaten. Nach Auffassung des Gerichts verstünde ein erheblicher Teil der Durchschnittsadressaten die Aussage dahingehend, dass das ärztliche Erstgespräch grundsätzlich alternativ vor Ort oder digital erfolgen könne. Dies stünde aber im Widerspruch zu § 9 S. 1 HWG. Darüber könne auch die Ausnahmeregelung des § 9 S. 2 HWG nicht hinweghelfen, nach der Fernbehandlungen zulässig sind, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards kein persönlicher Arzt-Patient-Kontakt erforderlich ist. Für eine Behandlung mit medizinischem Cannabis als Betäubungsmittel sei die persönliche ärztliche Erstbehandlung zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Werbung aber zwingend vorgeschrieben gewesen. Die persönliche ärztliche Erstbehandlung sei zwischenzeitlich zwar nicht mehr gesetzlich vorgeschrieben, jedoch sei es für das Gericht auch mit Blick auf den heutigen fachlichen Standard nicht ersichtlich, dass ein persönlicher ärztlicher Kontakt im Falle der Verschreibung von medizinischem Cannabis grundsätzlich nicht erforderlich sei. Dies hätte die Beklagte jedenfalls nicht hinreichend dargelegt.
Werbeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel des § 10 Abs. 1 HWG
Zuletzt entschied das OLG Frankfurt a.M., dass, soweit die Beklagte auf ihrer Homepage für verschreibungspflichtiges medizinisches Cannabis wirbt (bspw. mit der Aussage „Cannabis zu medizinischen Zwecken“ oder „Deine Experten für die natürliche Behandlung mit medizinischem Cannabis bei (…)“), dies gegen das Verbot der Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel des § 10 Abs. 1 HWG verstoße. Nach dem maßgeblichen Gesamterscheinungsbild der Werbung sei nach Auffassung des Gerichts weder von rein informativen Angaben zu verschreibungspflichtigem medizinischem Cannabis auszugehen noch von bloßer Firmenwerbung. Vielmehr handele es sich um unzulässige Produkt- bzw. Absatzwerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel außerhalb der Fachkreise, die auf eine Beeinflussung der Nachfrageentscheidung des angesprochenen Adressatenkreises nach medizinischem Cannabis abziele. Dabei stellte das Gericht klar, dass für eine Absatzwerbung im Sinne des § 1 HWG auch eine reine Informationsverbreitung ausreichend sei, die darauf abzielt, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern. Nach Überzeugung des Gerichts seien diese Kriterien durch die von der Beklagten getätigten Aussagen erfüllt. Unerheblich sei dagegen, dass die Beklagte das medizinische Cannabis nicht selbst vertreibe, denn es sei für einen Verstoß gegen § 10 Abs. 1 HWG nicht erforderlich, dass der Werbende ein unmittelbares Eigeninteresse am Vertrieb des beworbenen Arzneimittels hätte. Weiterhin sei es für einen Verstoß gegen § 10 Abs. 1 HWG unerheblich, dass die Entscheidung über die Verschreibung nicht von der Beklagten, sondern von den Kooperationsärzten getroffen wird und dass sich die Werbung neben verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auch auf sonstige Produkte beziehe. Abschließend betonte das Gericht, dass die Anreizwirkung der Werbung im streitgegenständlichen Fall besonders groß sei, da die Werbung der Beklagten – anders als bei einem bereits verschriebenen Arzneimittel – gerade auf die vorgelagerte Auswahl- und Nachfrageentscheidung der Verbraucher nach medizinischem Cannabis abziele.
Fazit
Das Urteil des OLG Frankfurt am Main verdeutlicht, dass Werbeaussagen zu verschreibungspflichtigem medizinischem Cannabis an denselben Maßstäben des Heilmittelwerberechts zu messen sind, wie Werbeaussagen, die andere verschreibungspflichtige Arzneimittel betreffen. Es ist davon auszugehen, dass Gerichte diesbezüglich aus Gründen des Verbraucherschutzes auch zukünftig tendenziell streng urteilen werden, so dass bei der Bewerbung von medizinischem Cannabis Zurückhaltung geboten ist. Die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main ist nicht rechtskräftig, die Revision wurde zugelassen.
Co-Autorin: Farina Simon