11. April 2025
Im Koalitionsvertrag vom 9. April 2025 haben CDU und SPD trotz vereinzelter Vorstöße die Einführung einer Pkw-Maut nicht unmittelbar aufgegriffen. Allerdings hält sich die designierte Bundesregierung diese Option durchaus offen. So heißt es im Abschnitt „Verkehr“ des Koalitionsvertrags, ein „Drei-Säulen-Modell“ werde angestrebt, das auch eine „Nutzerfinanzierung“ beinhalten solle. Ebenso sollen ÖPP-Modelle zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur zum Tragen kommen. Die Bundesregierung will prüfen, wie sich die Autobahn GmbH dauerhaft stabil finanzieren kann. Insofern ist es denkbar, dass das Thema Pkw-Maut zu einem späteren Zeitpunkt wieder auf der Tagesordnung kommt. Vor diesem Hintergrund betrachten wir im Folgenden Ansätze für die Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland.
Bereits in den 1990er-Jahren gab es erste Diskussionen über die Einführung einer Pkw-Maut. Im Jahr 2005 lehnte das Kabinett Merkel I den Ansatz ab, das Autobahnnetz zu privatisieren und eine solche Maut einzurichten. Zwar erwog im Kabinett Merkel II Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) eine Maut für die Zukunft, relativierte aber kurz darauf wieder, von einer Pkw-Maut sei im Koalitionsvertrag nicht die Rede.
Nachdem die CSU im Bundestagswahlkampf 2013 mit der Einführung einer Maut für im Ausland zugelassene Fahrzeuge geworben hatte, fand die sog. Infrastrukturabgabe Einzug in den Koalitionsvertrag des Kabinetts Merkel III. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) präsentierte 2014 ein Konzept, das eine Abgabe für alle PKW vorsah, jedoch deutsche Steuerzahler als Ausgleich bei der Kfz-Steuer entlastete. Auf dieser Grundlage beschloss der deutsche Gesetzgeber 2015 das Infrastrukturabgabengesetz (InfrAG), welches im Juni desselben Jahres in Kraft trat. Die Europäische Kommission sah die neuen Regelungen als diskriminierend gegenüber ausländischen Fahrern an und leitete ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Dieses wurde zwar 2016 aufgrund eines verhandelten Kompromisses nicht weiter verfolgt. Die praktische Umsetzung des InfrAG wurde allerdings vorerst ausgesetzt.
Im Kabinett Merkel IV schloss schließlich Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) einen Betreibervertrag mit zwei privaten Unternehmen zur Umsetzung der Maut. Der EuGH erklärte die Pkw-Maut in seinem Urteil vom 18. Juni 2019 nach einer Klage Österreichs für rechtswidrig, weil die Steuerentlastungen für deutsche Fahrer eine indirekte Diskriminierung darstellten. Dem Steuerzahler entstand ein Schaden in Höhe von 243 Mio. Euro aufgrund von Schadenersatzansprüchen der Betreiberfirmen.
Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD hat die Forderung nach einer Pkw-Maut neue Aktualität gewonnen. So brachte der Arbeitskreis Juristen der CSU einen entsprechenden Vorschlag ein. Ziel ist dabei eine Infrastrukturabgabe für alle Nutzer von Bundesstraßen und Autobahnen ohne Ausnahmen wie Steuervergünstigungen für deutsche Fahrzeughalter. Zur Begründung wird argumentiert, eine verursachergerechte Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur sei notwendig in einer Zeit, in der der Sanierungsstau auf deutschen Fernstraßen immer größer und damit der Freiheitsraum insb. junger Menschen immer kleiner wird. Man könne die enormen Investitionen in die Infrastruktur, die momentan anstehen, nicht ausschließlich mit Schulden finanzieren.
Zwar distanzierte sich die Parteiführung der CSU zeitnah von den Vorschlägen; die Maut stehe weder im Wahlprogramm von CDU und CSU noch in der Bayern-Agenda der CSU zur Bundestagswahl. Allerdings findet der Vorschlag des Arbeitskreises Juristen der CSU prominente Fürsprecher, wie z.B. den ehemaligen Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU), den Präsidenten des Landkreistags Baden-Württemberg Joachim Walter (CDU) und den Verkehrsminister Baden-Württembergs Winfried Hermann (Grüne). Auch der bereits im Koalitionsverhandlungspapier der Arbeitsgruppe 4 (Verkehr und Infrastruktur, Bauen und Wohnen) enthaltene Satz „Es wird geprüft, wie sich die Autobahn GmbH dauerhaft stabil finanzieren kann.“ hat den Sprung in den Koalitionsvertrag geschafft. Diese Formulierung ist auffällig offen gewählt und bietet Interpretationsspielraum, so auch hinsichtlich eines erneuten Versuchs, in Deutschland eine Pkw-Maut einzuführen.
Unabhängig von der Einführung einer Maut sind verschiedene ÖPP-Modelle möglich, wie aktuell etwa beim Ausbau der A1 zwischen Bremen und Hamburg oder dem Ausbau der A7 Richtung dänische Grenze.
Grundsätzlich sind verschiedene Ausgestaltungen einer Pkw-Maut sowie anderer ÖPP-Modelle denkbar:
Mit Urteil vom 18. Juni 2019 erklärte der EuGH die geplante deutsche Pkw-Maut wegen eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot gemäß Artikel 18 AEUV für rechtswidrig. Der Gerichtshof stellte fest, dass die wirtschaftliche Last der Maut de facto ausschließlich auf ausländischen Fahrzeughaltern liege, da deutsche Autofahrer durch eine vollständige Kompensation mittels Kfz-Steuerermäßigung entlastet werden sollten. Dies stelle eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar. Zudem beeinträchtige das System den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr, da es Transportkosten erhöhe und damit die Wettbewerbsfähigkeit ausländischer Produkte und Dienstleistungen in Deutschland negativ beeinflusse. Um zukünftig die Konformität mit dem Unionsrecht zu wahren, sind daher insbesondere folgende Aspekte zu beachten:
Keine Kompensation für Inländer: Eine vollständige oder teilweise Kompensation der Maut durch Steuervergünstigungen oder andere Maßnahmen für deutsche Fahrzeughalter darf nicht erfolgen. Eine völlige Neugestaltung des deutschen Kfz-Steuersystems scheint aufgrund der Steuerhoheit der Mitgliedstaaten gleichwohl nicht völlig ausgeschlossen.
Gleichbehandlung aller Nutzer: Die wirtschaftliche Last der Maut muss gerecht auf alle Nutzer verteilt werden, unabhängig von der Staatsangehörigkeit oder dem Zulassungsland des Fahrzeugs.
Verhältnismäßige Preisgestaltung: Kurzzeitvignetten oder andere zeitlich begrenzte Optionen dürfen nicht unverhältnismäßig teuer sein, da dies indirekt ausländische Fahrer benachteiligen könnte.
Bei ÖPP-Modellen zum Autobahnausbau (A- bzw. V-Modell) ist regelmäßig das Kartellvergaberecht zu beachten. Die öffentliche Hand ist in vielen Fällen verpflichtet, die Konzession bzw. den ÖPP-Auftrag in einem wettbewerblichen Verfahren auszuschreiben.
Der Koalitionsvertrag vom 9. April 2025 lässt mit seinen offen gehaltenen Formulierungen zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur Raum für die Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland, die in vielen europäischen Ländern längst etabliert ist. Angesichts des Zustands der Fernstraßeninfrastruktur und des erheblichen Finanzierungsbedarfs ist eine solche Debatte überfällig. Denn die Mittel des Sondervermögens Infrastruktur werden für diesen Zweck nicht ausreichen und die Haushaltskonsolidierung darf nicht aus dem Blick verloren werden. Eine unionsrechtskonforme Ausgestaltung einer etwaigen Maut ist realisierbar.
Unsere Leistungen für Unternehmen:
Wir beraten Unternehmen (Bauunternehmen, Investoren und Konzessionäre) und die öffentliche Hand umfassend bei der Realisierung von ÖPP- und Konzessionsmodellen, insbesondere zum Vergabe- und EU-Beihilferecht, Bau- und Planungs- sowie Vertragsrecht.