7. November 2024
Schon lange sehnen sich privatwirtschaftliche Akteure nach einem Weltraumgesetz, das Haftungsfragen regelt und insbesondere dem New Space-Sektor Planungssicherheit gibt. Am 04. September 2024 hat die Bundesregierung ein Eckpunktepapier veröffentlicht, welches die Leitplanken für ein künftiges deutsches Weltraumgesetz (WRG) bilden soll.
Mit dem Eckpunktepapier zielt die Bundesregierung darauf ab, die wirtschaftliche Exploration zu ermöglichen und gleichsam die öffentliche Sicherheit und Ordnung genauso wie die nationale Sicherheit zu schützen und die internationalen Verteidigungsinteressen sowie internationale Regulierungsverpflichtungen zu berücksichtigen. Insbesondere soll mit dem WRG die Raumfahrtindustrie gestärkt und wettbewerbsfähiger gemacht werden – davon sollen insbesondere Start-ups sowie KMU profitieren.Mit einem Gesetzentwurf wird noch in diesem Jahr gerechnet.
Vom WRG betroffen sind Weltraumaktivitäten inländischer Personen und Vereinigungen, die aus dem deutschen In- oder Ausland heraus erfolgen und allgemein Starteinrichtungen bzw. Weltraumaktivitäten, die vom deutschen Hoheitsgebiet oder von in Deutschland registrierten Schiffen / Flugzeugen gestartet werden.
Dementsprechend müssen unter Umständen neben der deutschen Rechtsordnung auch andere anwendbare Rechtsordnungen berücksichtigt werden. Aus diesem Grund soll die Möglichkeit bestehen, auf die Anwendung des WRG zu verzichten, wenn in einer anderen Rechtsordnung ein vergleichbares Schutzniveau besteht. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Regressmöglichkeiten nach dem WRG und die Notwendigkeit der Gefahrenabwehr für nationale Interessen als Genehmigungsvoraussetzung relevant sein werden.
Vom WRG nicht betroffen sind dagegen Weltraumaktivitäten des Bundes und der Länder sowie Weltraumaktivitäten unter der Leitung internationaler Regierungsorganisationen, wie der ESA, EUMETSAT oder der NATO, der EU und im Rahmen der Internationalen Raumstation (ISS).
Mit dem WRG knüpft die Bundesregierung Weltraumaktivitäten sowie den Betrieb eines Startplatzes an Genehmigungen. Auch die Änderung und Übertragung von jenen Aktivitäten soll genehmigungspflichtig werden. Dafür definiert das WRG sowohl Genehmigungsvoraussetzungen als auch Genehmigungsverfahren.
Für die Erteilung einer Genehmigung:
Eine erteilte Genehmigung für den Bereich Weltraum soll parallele Genehmigungserfordernisse aus anderen Bereichen nicht ersetzen. So werden unter Umständen mehrere Genehmigungsverfahren – ggf. auf verschiedenen Ebenen – parallel durchlaufen werden müssen, zusätzlich zu den Genehmigungen anderer Länder.
Das Erfordernis einer Vorsorge zur nachhaltigen Nutzung und zur Vermeidung von Verunreinigungen sticht besonders hervor. Aktuell ist noch nicht abzusehen, wie die Vorsorge zur nachhaltigen Nutzung ausgestaltet sein soll, insbesondere, ob Verunreinigungen sich nur auf den Weltraumschrott beziehen und was die Berücksichtigung der Umweltbelange auf der Erde umfasst.
Für den Bereich Satelliten präzisiert der Gesetzgeber, dass Satellitenkonstellationen (mehrere Satelliten mit einer gemeinsamen Funktion) als eine einheitliche Weltraumaktivität verstanden werden, es müssen dementsprechend nicht Genehmigungen für jeden einzelnen Satelliten beantragt werden.
Laut dem Eckpunktepapier haben sich nicht-staatliche Betreiber durch eine Haftpflichtversicherung oder eine Bankbürgschaft abzusichern, die eine Voraussetzung für den Erhalt der Genehmigung ist. Das WRG soll einen verschuldensunabhängigen Regressanspruch der Bundesrepublik gegenüber dem Verursacher vorsehen, wenn ein Haftungsanspruch aufgrund von weltraumrechtlichen Verträgen gegenüber einem anderen Staat besteht.
Der Regressanspruch soll bei nicht-vorsätzlicher und nicht-grober Fahrlässigkeit des Betreibers und bei Einhaltung der Genehmigung nebst Nebenbestimmungen auf 10 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes der letzten drei Geschäftsjahre begrenzt werden und ist auf 50 Mio. EUR gedeckelt.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist keine Begrenzung der Haftung gegenüber (privaten) Dritten vorgesehen.
Wie schon im Rahmen der Genehmigung sollen auch hier Satellitenkonstellationen als einheitliche Weltraumaktivität betrachtet. Da sich in dem Fall jedoch das Risiko erhöht, soll die Maximierung der Versicherungs- bzw. Bürgschaftssumme dem Rechnung tragen.
Von einem Regress ausgenommen sind lt. Eckpunktepapier Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit einem gemeinnützigen Zweck, soweit sie nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig handeln, sowie staatliche Akteure.
Die zuständige Genehmigungsbehörde soll im BMWK angesiedelt sein. Allerdings werden alle „interessierten“ Ressorts auf eigenen Wunsch in einem zeitlich vorgegebenen Verfahren involviert. Eine Genehmigung soll nur im „Einvernehmen“ mit den Ressorts erteilt werden. So räumt das WRG diesen ein Vetorecht ein.
Dem Eckpunktepapier zufolge sieht das WRG die Registrierung von Weltraumgegenständen gemäß dem Übereinkommen über die Registrierung von in den Weltraum gestarteten Gegenständen vom 14.01.1975 (BGBl. 1979 II S. 650, 651) vor.
Die Inhalte des WRG entsprechen den Erwartungen und weichen kaum von den standardmäßigen Themen der Weltraumgesetzte anderer europäischer Staaten ab.
Die Bundesregierung spricht von der Stärkung der Raumfahrtindustrie, das Vorhaben wird in den Eckpunkten jedoch nur bedingt deutlich. Insbesondere die Start-up-Szene und KMU fürchten mit dem WRG eine überbordende Bürokratie. Eine Doppelregulierung mit dem für 2025 angekündigten EU Space Law sollte tunlichst vermieden werden. Das Eckpunktepapier trägt Vorsorge und sieht dafür eine Anpassung der Pläne für das WRG vor, sollte die EU-Initiative voranschreiten.
Zwiespältig können die weitreichenden Zugriffsrechte der Bundeswehr gesehen werden. „Für Zwecke der Verteidigung, insbesondere der Abwendung von Gefahr“ darf diese nämlich die „vorrangige Bereitstellung von Leistungen“ von den Betreibern der Weltraumaktivitäten abrufen. Dafür soll es zwar eine „marktangemessene“ Entschädigung geben, dennoch könnte dies vor allem private Investoren abschrecken. Die Anwendungsfälle müssen in dem WRG deutlicher definiert und abgegrenzt werden.
Für Einschnitte bei der New Space Industrie könnte zudem die Schaffung einer eigenen Behörde im BMWK sorgen. Diese könnte nämlich aus dem nationalen Raumfahrtbudget finanziert werden, was die ohnehin von der Regierung gekürzten Mittel weiter einschränken würde.
Sehr zu begrüßen ist jedoch die Deckelung des Regressanspruchs auf 50 Mio. EUR pro Schadensereignis gegenüber der Bundesrepublik bzw. anderen Staaten und sollte der New Space Industrie deutlich mehr Planungssicherheit geben. Damit könnte der Standard-Regress unter der in verschiedenen europäischen Weltraumgesetzen liegenden Maximalgrenze von 60 Mio. EUR liegen. Das spielt vor allem Start-ups und KMU in die Karten, die (noch) geringe Jahresumsätze erzielen. Zuträglich ist auch, dass das Gefahrenpotenzial im Rahmen des Regressanspruchs keine weitere Beachtung zu finden scheint.
Es bleibt abzuwarten, ob in dem WRG auch andere Formen der Deckungssicherung ermöglicht werden, die liquiditätsschonender sind. Die Haftung gegenüber (privaten) Dritten wird in dem Eckpunktepapier nicht erwähnt wird; diese wäre demzufolge unbegrenzt möglich. Ob ein in anderen Staaten gebräuchliches Modell, nachdem der Staat den Akteur durch eine Garantenpflicht oberhalb des Haftungs-Maximalbetrags schützt, Anwendung findet, wird letztlich der Gesetzentwurf zeigen.