Autor

Niels Heim

Senior Associate

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5. Februar 2024

Erbbaurecht: BGH-Urteil stärkt Rechtsposition der öffentlichen Hand

  • Briefing

Co-Autor: Christian Wiemann

Einleitung

Der Bundesgerichtshof hat sich kürzlich mit dem Erbbaurecht beschäftigt und insbesondere die Frage geklärt, ob der Ausschluss der Vergütung beim Heimfall des Erbbaurechts im Rahmen eines städtebaulichen Vertrags wirksam ist. Das Urteil vom 19. Januar 2024 (Az. V ZR 191/22) ist nicht zuletzt deshalb relevant, weil das Erbbaurecht politisch verstärkt als Mittel zur städtebaulichen Entwicklung in den Fokus rückt.

Ein Beispiel für diese Entwicklung ist die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH): Artikel 72 Abs. 6 der Verfassung der FHH sieht seit dem 26. April 2023 vor, dass Eigentum an Grundstücken der FHH, die für den Wohnungsbau bestimmt sind, zur Gewährleistung der Wohnraumversorgung grundsätzlich nicht an Dritte übertragen werden soll (siehe auch hier). Die Gewährung eines Erbbaurechts ist eine Alternative, um weiterhin Grundstücke für die Bebauung zur Verfügung zu stellen.

Die nachstehenden Ausführungen geben einen Überblick über das Instrument des Erbbaurechts sowie die Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Der Fall vor dem Bundesgerichtshof (verkürzt)

Die Klägerin, eine Stadt in Baden-Württemberg, schloss 2014 mit einem gemeinnützigen Verein, dem Beklagten, einen Erbbaurechtsvertrag, um diesem die Errichtung einer Moschee und eines Kulturhauses auf einem städtischen Grundstück zu ermöglichen. Der Vertrag sah eine Laufzeit von 60 Jahren mit einer Verlängerungsoption von weiteren 30 Jahren vor. Ein gestaffelter Erbbauzins wurde vereinbart. Der Beklagte verpflichtete sich, den ersten Bauabschnitt innerhalb von vier Jahren zu vollenden, andernfalls konnte die Klägerin das Erbbaurecht zurückverlangen (Heimfall). Die Vergütung für den Heimfall wurde ausgeschlossen und der Beklagte sollte die Moschee und das Kulturhaus auf eigene Kosten entfernen. Trotz vorhandener Baugenehmigung verzögerte sich der Baubeginn. Im Dezember 2018 machte die Klägerin den Heimfallanspruch geltend und verlangte die Übertragung des Erbbaurechts von dem Beklagten. Der Beklagte hielt die Ausübung des Heimfallanspruchs durch die Gemeinde für unverhältnismäßig. Jedenfalls sei der Ausschluss der Heimfallvergütung unwirksam, da dieser gegen § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB verstoße.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Gemeinde kann Heimfallvergütung ausschließen

Der BGH urteilte, dass die Stadt einen Anspruch auf die Übertragung des Erbbaurechts hat. Die Geltendmachung des Heimfallanspruchs sei verhältnismäßig. Zwar unterliege die Gemeinde diesbezüglich einer strengen Ausübungskontrolle, der Beklagte habe jedoch schuldhaft gegen seine vertragliche Bauverpflichtung verstoßen. § 2 Nr. 1 ErbbauRG sehe eine solche Verpflichtung des Erbbauberechtigten ausdrücklichen als möglichen Inhalt des Erbbaurechtsvertrags vor. Zudem war die Möglichkeit einer Fristverlängerung bei unverschuldeten Bauverzögerungen vereinbart worden.

Auch der Ausschluss der Heimfallvergütung sei nicht zu beanstanden und angemessen i.S.d. § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB. Die Stadt habe grundsätzlich, dies ergibt sich bereits aus § 32 Abs. 1 S. 2 ErbbauRG, die Möglichkeit, die Vergütung beim Heimfall auszuschließen. Im Rahmen eines städtebaulichen Vertrags muss die gesamte Vertragsgestaltung allerdings im jeweiligen Einzelfall angemessen im Sinne des § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB sein. In dem zu entscheidenden Fall sei der Ausschluss sachgerecht, da der Erbbauberechtigte es selbst in der Hand habe, den Eintritt des Heimfalls zu verhindern, und die Fristen nicht unverhältnismäßig seien. Das Erbbaurecht diene gerade dazu, dem Erbbaurechtsberechtigten zu ermöglichen, ein Bauwerk zu errichten. Ferner ermögliche es der Gemeinde, kurzfristige Haushaltsausgaben zu vermeiden und zeitnah alternative Verwendungen für das Bauwerk zu finden.

Der BGH weicht mit seinem Urteil von der Entscheidung des OLG Stuttgart ab und stärkt damit die Rechtsposition der öffentlichen Hand bei der Bereitstellung von Bauland im Wege des Erbbaurechts. Der Ausschluss der Heimfallvergütung macht das Erbbaurecht attraktiver für Städte und Gemeinden, da hierdurch das Risiko einer finanziellen Belastung des Haushalts vermindert wird. Es kann damit gerechnet werden, dass insbesondere Gemeinden sich auch in Zukunft häufiger für die Bestellung eines Erbbaurechts statt für eine Veräußerung entscheiden werden. Den möglichen Vertragspartnern der Gemeinden kann hingegen nur geraten werden, bei der Gestaltung des Erbbauvertrags besonderes Augenmerk auf die Regelungen und Fristen zur Bebauung sowie einen damit verknüpften Heimfall zu legen, um im späteren Projektverlauf keinen Totalverlust ihrer Investition zu riskieren.

Überblick zum Erbbaurecht

Was ist das Erbbaurecht?

Das Erbbaurecht ist für die Immobilienwirtschaft von enormer Bedeutung und wird verstärkt von Kirchen, Kommunen sowie Anstalten öffentlichen Rechts, aber auch von der Privatwirtschaft eingesetzt. Es handelt sich dabei um ein beschränktes dingliches Recht an einem Grundstück, welches im Erbbaurechtsgesetz (ErbbauRG) geregelt ist. Das Gesetz definiert es als das veräußerliche und vererbliche Recht, auf oder unter der Oberfläche des Grundstücks ein Bauwerk zu haben, § 1 ErbbauRG.

Eine wesentliche Besonderheit des Erbbaurechts und zugleich der Grund für die praktische Bedeutung ist die rechtliche Trennung des Grundstücks von dem darauf errichteten Gebäude. Denn gemäß § 12 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ErbbauRG ist ein aufgrund des Erbbaurechts errichtetes Bauwerk wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts und nicht etwa des belasteten Grundstücks. Das Erbbaurecht wird daher nicht nur im Grundbuch des Grundstücks als Belastung an erster Rangstelle eingetragen, gleichzeitig wird ein eigenes Erbbaugrundbuch angelegt, welches eigenständige Belastungen des Erbbaurechts ermöglicht. 

Das Erbbaurecht kann dazu dienen, die Gesamtinvestitionskosten einer Projektentwicklung zu senken. So kann beispielsweise ein Projektentwickler in Ausnutzung des Erbbaurechts ein Bauwerk auf einem fremden Grundstück errichten und die Kosten für den Erwerb des Grundstücks einsparen. Gleichzeitig muss der Inhaber des Grundstücks nicht auf sein Eigentum verzichten und kann in Form des Erbbauzinses dennoch an den Vorteilen der Bewirtschaftung der Immobilie teilhaben. Im Verkauf sind insbesondere der Erbbauzins und die Laufzeit des Erbbaurechts bei der Kaufpreisfindung zu berücksichtigen (siehe auch hier).

Wie entsteht das Erbbaurecht?

Voraussetzung für die Entstehung des Erbbaurechts ist die Bestellung des Erbbaurechts durch den Grundstückseigentümer sowie die Eintragung in Abteilung II des Grundbuchs des Grundstücks. Der Regelfall ist die Bestellung im Rahmen eines Erbbaurechtsvertrags zwischen dem Grundstückseigentümer und einem Dritten.  

Was wird im Erbbaurechtsvertrag geregelt und was kann Inhalt des Erbbaurechts sein?

Neben der Bestellung des Erbbaurechts werden im Erbbaurechtsvertrag Regelungen zu den Pflichten der Parteien sowie – in aller Regel – der Befristung des Erbbaurechts getroffen. Dabei können die in § 2 ErbbauRG aufgezählten Aspekte, bspw. zu Errichtung und Instandhaltung eines Bauwerkes oder zur Tragung der öffentlichen und privatrechtlichen Lasten und Abgaben, mit dinglicher Wirkung vereinbart werden, sodass diese Regelungen während der gesamten Dauer des Erbbaurechts zwischen dem jeweiligen Grundstückseigentümer und Erbbaurechtsberechtigten wirken (d.h. auch im Falle einer Veräußerung des Grundstücks und/oder des Erbbaurechts). Zum Inhalt des Erbbaurechts kann gemäß § 2 ErbbauRG insbesondere auch der sogenannte Heimfall werden, d.h. die Verpflichtung des Erbbauberechtigten, das Erbbaurecht beim Eintreten bestimmter Voraussetzungen auf den Grundstückseigentümer zu übertragen.

Das Erbbaurecht wird typischerweise unter Vereinbarung eines wiederkehrenden Entgelts (sog. Erbbauzins) gewährt, kann allerdings auch unentgeltlich oder gegen Zahlung eines Kaufpreises bestellt werden. 

 
Der Heimfall als Sicherungsinstrument

Der Grundstückseigentümer kann sich gegen Pflichtverletzungen des Erbbauberechtigten durch Vereinbarungen zum Heimfall absichern. Hierdurch kann der Grundstückseigentümer insbesondere sicherstellen, dass das Erbbaurecht entsprechend der vertraglichen Vorgaben genutzt wird. Ein typisches Beispiel und Gegenstand der Entscheidung des BGH vom 19. Januar 2024 ist die Besicherung einer Bauverpflichtung des Erbbaurechtsberechtigten.

Mit Eintritt der jeweiligen Bedingung für den Heimfall entsteht zugunsten des Grundstückseigentümers ein schuldrechtlicher Anspruch auf Rückübertragung des Erbbaurechts. Die Ausübung des Heimfallanspruchs führt nicht zum Erlöschen des Erbbaurechts, da das Erbbaurecht auch zugunsten des Grundstückeigentümers bestehen kann.

Im Gegenzug für die Rückübertragung des Erbbaurechts hat der Berechtigte gemäß § 32 Abs. 1 ErbbauRG grundsätzlich Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Die Parteien können aber gemäß § 32 Abs. 1 S. 2 ErbbauRG mit dinglicher Wirkung vereinbaren, diesen Anspruch auszuschließen, § 32 Abs. 1 S. 2 ErbbauRG. 

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