Co-Autor: Christian Wiemann
Einleitung
Der Bundesgerichtshof hat sich kürzlich mit dem Erbbaurecht beschäftigt und insbesondere die Frage geklärt, ob der Ausschluss der Vergütung beim Heimfall des Erbbaurechts im Rahmen eines städtebaulichen Vertrags wirksam ist. Das Urteil vom 19. Januar 2024 (Az. V ZR 191/22) ist nicht zuletzt deshalb relevant, weil das Erbbaurecht politisch verstärkt als Mittel zur städtebaulichen Entwicklung in den Fokus rückt.
Ein Beispiel für diese Entwicklung ist die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH): Artikel 72 Abs. 6 der Verfassung der FHH sieht seit dem 26. April 2023 vor, dass Eigentum an Grundstücken der FHH, die für den Wohnungsbau bestimmt sind, zur Gewährleistung der Wohnraumversorgung grundsätzlich nicht an Dritte übertragen werden soll (siehe auch hier). Die Gewährung eines Erbbaurechts ist eine Alternative, um weiterhin Grundstücke für die Bebauung zur Verfügung zu stellen.
Die nachstehenden Ausführungen geben einen Überblick über das Instrument des Erbbaurechts sowie die Entscheidung des Bundesgerichtshofs.
Der Fall vor dem Bundesgerichtshof (verkürzt)
Die Klägerin, eine Stadt in Baden-Württemberg, schloss 2014 mit einem gemeinnützigen Verein, dem Beklagten, einen Erbbaurechtsvertrag, um diesem die Errichtung einer Moschee und eines Kulturhauses auf einem städtischen Grundstück zu ermöglichen. Der Vertrag sah eine Laufzeit von 60 Jahren mit einer Verlängerungsoption von weiteren 30 Jahren vor. Ein gestaffelter Erbbauzins wurde vereinbart. Der Beklagte verpflichtete sich, den ersten Bauabschnitt innerhalb von vier Jahren zu vollenden, andernfalls konnte die Klägerin das Erbbaurecht zurückverlangen (Heimfall). Die Vergütung für den Heimfall wurde ausgeschlossen und der Beklagte sollte die Moschee und das Kulturhaus auf eigene Kosten entfernen. Trotz vorhandener Baugenehmigung verzögerte sich der Baubeginn. Im Dezember 2018 machte die Klägerin den Heimfallanspruch geltend und verlangte die Übertragung des Erbbaurechts von dem Beklagten. Der Beklagte hielt die Ausübung des Heimfallanspruchs durch die Gemeinde für unverhältnismäßig. Jedenfalls sei der Ausschluss der Heimfallvergütung unwirksam, da dieser gegen § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB verstoße.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Gemeinde kann Heimfallvergütung ausschließen
Der BGH urteilte, dass die Stadt einen Anspruch auf die Übertragung des Erbbaurechts hat. Die Geltendmachung des Heimfallanspruchs sei verhältnismäßig. Zwar unterliege die Gemeinde diesbezüglich einer strengen Ausübungskontrolle, der Beklagte habe jedoch schuldhaft gegen seine vertragliche Bauverpflichtung verstoßen. § 2 Nr. 1 ErbbauRG sehe eine solche Verpflichtung des Erbbauberechtigten ausdrücklichen als möglichen Inhalt des Erbbaurechtsvertrags vor. Zudem war die Möglichkeit einer Fristverlängerung bei unverschuldeten Bauverzögerungen vereinbart worden.
Auch der Ausschluss der Heimfallvergütung sei nicht zu beanstanden und angemessen i.S.d. § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB. Die Stadt habe grundsätzlich, dies ergibt sich bereits aus § 32 Abs. 1 S. 2 ErbbauRG, die Möglichkeit, die Vergütung beim Heimfall auszuschließen. Im Rahmen eines städtebaulichen Vertrags muss die gesamte Vertragsgestaltung allerdings im jeweiligen Einzelfall angemessen im Sinne des § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB sein. In dem zu entscheidenden Fall sei der Ausschluss sachgerecht, da der Erbbauberechtigte es selbst in der Hand habe, den Eintritt des Heimfalls zu verhindern, und die Fristen nicht unverhältnismäßig seien. Das Erbbaurecht diene gerade dazu, dem Erbbaurechtsberechtigten zu ermöglichen, ein Bauwerk zu errichten. Ferner ermögliche es der Gemeinde, kurzfristige Haushaltsausgaben zu vermeiden und zeitnah alternative Verwendungen für das Bauwerk zu finden.
Der BGH weicht mit seinem Urteil von der Entscheidung des OLG Stuttgart ab und stärkt damit die Rechtsposition der öffentlichen Hand bei der Bereitstellung von Bauland im Wege des Erbbaurechts. Der Ausschluss der Heimfallvergütung macht das Erbbaurecht attraktiver für Städte und Gemeinden, da hierdurch das Risiko einer finanziellen Belastung des Haushalts vermindert wird. Es kann damit gerechnet werden, dass insbesondere Gemeinden sich auch in Zukunft häufiger für die Bestellung eines Erbbaurechts statt für eine Veräußerung entscheiden werden. Den möglichen Vertragspartnern der Gemeinden kann hingegen nur geraten werden, bei der Gestaltung des Erbbauvertrags besonderes Augenmerk auf die Regelungen und Fristen zur Bebauung sowie einen damit verknüpften Heimfall zu legen, um im späteren Projektverlauf keinen Totalverlust ihrer Investition zu riskieren.