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Dr. Michael Kieffer

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7. Februar 2024

Das Recht auf Reparatur kommt

  • Briefing

Co-Autor: Tim-Jonas Löbeth

Das Europäische Parlament und der Europäische Rat haben sich am 2. Februar 2024 auf den von der EU-Kommission vorgeschlagenen Entwurf für eine Richtlinie zum Recht auf Reparatur geeinigt. Was die Richtlinie voraussichtlich vorsehen wird und weshalb betroffene Unternehmen gut beraten sind, sich frühzeitig mit den neuen Vorschriften auseinanderzusetzen, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Ziel der geplanten Richtlinie (zum Entwurf hier) ist es, die Masse des in der EU anfallenden Elektroschrotts zu reduzieren und die Kreislaufwirtschaft von Elektrogeräten zu verbessern, um auf diese Weise Ressourcen einsparen und Treibhausgasemissionen im Rahmen des Klimaschutzes verringern zu können. Die neue Richtlinie ist Teil des European Green Deals.

Im Kern sieht die politische Einigung über die neue Richtlinie Folgendes vor:

  • Die Richtlinie wird Hersteller von Elektrogeräten dazu verpflichten, über die Gewährleistungsfrist hinaus Reparaturen ihrer Geräte anzubieten. Welche Geräte davon erfasst sind, steht noch nicht abschließend fest. Auf jeden Fall erfasst sein werden Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen und Kühlschränke (sog. Weiße Ware), aber auch Alltagsgeräte wie Smartphones und Staubsauger. Der Katalog der betroffenen Produkte wird zurzeit von der EU erarbeitet. Mit der Zeit soll er aber kontinuierlich ausgeweitet werden, sodass sich früher oder später ohnehin jeder Hersteller von Elektrogeräten mit der Reparaturpflicht auseinandersetzen muss.
  • Damit die Verbraucher sich ihrer Möglichkeit zur Reparatur des Gerätes bewusst sind, sollen sie angemessen informiert werden. Zu diesem Zweck wird die EU den Herstellern umfassende Informationspflichten im Wege der neuen Richtlinie auferlegen. Sofern die Hersteller ihre Produkte über Vertriebsketten an den Verbraucher verkaufen, werden womöglich auch die Händler betroffen sein. Ob die EU ihnen von Gesetz wegen ebenfalls Informationspflichten auferlegt oder ob die Hersteller diese an die Händler im Rahmen ihres Vertragsverhältnisses weitergeben müssen, steht derzeit noch nicht fest.
  • Die Reparatur der Geräte muss für den Verbraucher nicht kostenfrei sein. Allerdings werden die Hersteller verpflichtet, den Verbrauchern auf Anfrage ein kostenfreies Reparaturangebot zu unterbreiten. Darüber hinaus müssen Hersteller ihre Richtpreise für Reparaturen online veröffentlichen. Auf diese Weise sollen die Verbraucher die Möglichkeit haben, die Reparaturbedingungen des Herstellers bei ihrer Kaufentscheidung zu berücksichtigen. Den Herstellern wird es darüber hinaus verboten, die Möglichkeiten zur Reparatur, etwa durch bestimmte Hard- oder Softwareeinstellungen oder durch Vertragsklauseln, zu behindern.
  • Damit die Verbraucher die Möglichkeit zur Reparatur des Gerätes auch tatsächlich in Anspruch nehmen, versucht die EU, die Rahmenbedingungen der Reparatur möglichst attraktiv zu gestalten. Aus diesem Grund müssen die Hersteller den Verbrauchern anbieten, während der Reparaturzeit ein Leihgerät zu nutzen oder alternativ ein generalüberholtes Gerät im Tausch gegen das defekte Gerät zu kaufen. Beides bedingt, dass die Hersteller ausreichend Leihgeräte oder generalüberholte Geräte vorhalten und diese den Verbrauchern auf deren Anfordern zur Verfügung stellen. Nach derzeitigem Beratungsstand muss auch die Bereitstellung eines Leih- oder Tauschgerätes nicht kostenfrei erfolgen.
  • Im Rahmen ihrer erweiterten Verantwortung müssen die Hersteller unabhängigen Reparaturstellen künftig ermöglichen, Ersatzteile zu kaufen und an Informationen über die Gerätereparatur zu gelangen. Die Hersteller müssen künftig also ausreichend Ersatzteile nach der Markteinführung des Gerätes herstellen bzw. herstellen lassen und diese den Reparaturstellen zum Kauf anbieten.
  • Einrichtung einer europäischen Reparaturplattform: Darüber hinaus sollen die Mitgliedstaaten verpflichtet sein, eine Online-Plattform zu entwickeln, mit deren Hilfe der Verbraucher Reparaturstellen, Käufer von defekter Ware, Verkäufer von Reparaturware und Reparaturinitiativen, wie etwa Reparatur-Cafés, ausfindig machen kann.
  • Die Gewährleistungsfrist für reparierte Ware soll um ein Jahr verlängert werden. Bislang ist es möglich, die Verjährungsfrist beim Verbrauchsgüterkauf von Gebrauchtwaren durch Rechtsgeschäft auf bis zu ein Jahr zu verkürzen (§ 476 Abs. 2 BGB). Wird diese Mindestverjährungsfrist um ein Jahr verlängert, erfolgt dadurch eine Angleichung an die Verjährungsfrist für Neuware. Voraussichtlich wird die Unterscheidung zwischen Neu- und Gebrauchtware damit für die Länge der Verjährungsfrist zukünftig keine Rolle mehr spielen.
  • Was gilt bei nicht-europäischen Herstellern? Für Hersteller außerhalb der EU und den Importeuren sowie Händlern solcher waren enthält die Richtlinie ebenfalls neues: Hat ein Hersteller seinen Sitz außerhalb der Union, so erfüllt grundsätzlich sein Bevollmächtigter in der Union die Herstellerpflichten aus der Richtlinie zu erfüllen. Existiert jedoch kein Bevollmächtigter, so muss der Importeur der betreffenden Ware die Verpflichtung des Herstellers erfüllen. Gibt es keinen Importeur, so ist der Händler direkt in der Pflicht.

Wie geht es weiter? Auf der Grundlage der erzielten politischen Einigung wird die EU nunmehr einen Rechtstext ausarbeiten. Anschließend muss die Richtlinie vom Europäischen Parlament und vom Europäischen Rat beschlossen und im EU-Amtsblatt verkündet werden. Nach der Verkündung werden die Mitgliedstaaten 24 Monate Zeit haben, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

Ausblick: Da der Aufbau von Reparaturprozessen in finanzieller, logistischer und personeller Hinsicht aufwendig ist, sind betroffene Unternehmen gut beraten, sich möglichst frühzeitig mit den neuen Pflichten auseinanderzusetzen. Dabei werden sich viele Betroffene die Frage stellen müssen, ob sie die Reparaturen selbst ausführen wollen oder ein Outsourcing solcher Leistungen für sie in Betracht kommt. Abgesehen davon, dass viele der betroffenen Unternehmen neue Prozesse entwickeln und in ihren Betriebsalltag implementieren müssen, werden sie auch ihre Vertragsmuster, vor allem ihre AGB und ihre Händlerverträge, auf Aktualität hin zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen haben. Die Verantwortung von Herstellern, Importeuren und Händlern wird durch das Recht auf Reparatur erheblich ausgeweitet.

Weitere Informationen:

Pressemitteilung der EU-Kommission

Vorschlag für eine Richtlinie über gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren

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