1. November 2023
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 28. September 2023 (BVerwG 4 C 6.21) entschieden, dass eine anerkannte Umweltvereinigungen gerichtlich überprüfen lassen kann, ob eine Abweichung von Zielen eines Regionalplans gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstößt. Dies hat das Gericht in einer Pressemitteilung auf seiner Website veröffentlicht.
In dem konkreten Fall hatte die 40 Kilometer nördlich von Frankfurt am Main gelegene Gemeinde Wölfersheim eine Abweichung von den Zielen eines Regionalplans für die Zulassung eines Logistikzentrums erhalten. Die Klage der Umweltvereinigung BUND, die die Aufhebung der Abweichung beantragte, wurde zunächst vom Verwaltungsgericht Gießen (Urt. v. 23. Januar 2019 – 1 K 9645.17.GI) und in der Berufung beim Verwaltungsgerichtshof Kassel (Beschl. v. 31. Mai 2021 – 4 A 610.19) abgewiesen. Beide Gerichte waren der Auffassung, dass der BUND nicht gegen die Zielabweichungsentscheidung zugunsten der Gemeinde Wölfersheim klagen könne. Denn eine Zielabweichungsentscheidung sei keine umweltrechtlich relevante Entscheidung und der Umweltverband könne nach dem UmwRG eben nur gegen umweltrechtliche Entscheidungen vorgehen.
Das Bundesverwaltungsgericht hob das Urteil jedoch auf und verwies den Fall an den Verwaltungsgerichtshof zurück. Es stellte fest, dass die Entscheidung über die Zielabweichung ein statthafter Klagegegenstand sei, wenn anstelle der Zielabweichung eine Änderung des Regionalplans hätte erfolgen müssen. Ob dies in diesem Fall zutrifft und ob erhebliche Umweltauswirkungen auf Raumordnungsebene nicht ausgeschlossen werden können, müsse jedoch vom Verwaltungsgerichtshof genauer geprüft werden. Denn es ließe sich eben nicht – in jedem Fall nicht von vornherein – ausschließen, dass eine Zielabweichungsentscheidung auch umweltrechtliche Belange berühre und eine Umweltvereinigung gegen die Entscheidung klagen könne.
Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Entscheidung bisher noch nicht begründet – eine Einschätzung der Urteilsgründe lässt daher noch auf sich warten. Es ist aber dennoch absehbar, dass das Gericht die Klagemöglichkeiten für Umweltvereinigungen mit seiner Entscheidung deutlich ausgeweitet hat. Nach dem der Gesetzgeber die Abweichung von Zielen der Raumordnung zuletzt erleichtert hat (dies haben wir bereits in unserem Insight vom 13. September 2023 dargestellt), wird das Zielabweichungsverfahren durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts potentiell riskanter – Vorhabenträger sollten das im Rahmen der Projektentwicklung oder beim Ankauf von Vorhaben mit berücksichtigen.
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