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11. Oktober 2023

EuGH-Entscheidung zu Widerrufsrechten bei Online-Probeabos und Vertragsverlängerungen

Was ist passiert?

Das Urteil des Gerichtshofs vom 4. Oktober 2023 befasst sich mit der Frage, ob dem Verbraucher im Falle einer kostenlosen Testphase und einer anschließenden kostenpflichtigen Nutzung sowie im Falle einer automatischen Vertragsverlängerung bei Online-Dienstleistungen das fernabsatzrechtliche Widerrufsrecht wiederholt zusteht. 

Worum geht es?

Der Fall zwischen einem Verbraucherschutzverein und einer Online-Lernplattform, die ihre Dienste in Österreich anbietet, wirft interessante Fragen zum Widerrufsrecht auf: Besteht nach Ablauf einer kostenlosen Testphase oder einer automatischen Vertragsverlängerung erneut ein Widerrufsrecht? Im vorliegenden Fall konnte der Verbraucher eine Lernplattform während einer Testphase von 30 Tagen kostenlos ausprobieren und während dieser Zeit jederzeit fristlos kündigen. Nach Ablauf der Testphase ging das kostenlose Abonnement automatisch in ein kostenpflichtiges Abonnement über. Das kostenpflichtige Abonnement wiederum verlängerte sich automatisch um einen bestimmten Zeitraum, wenn es nicht fristgerecht gekündigt wurde. Der Kläger war der Ansicht, dass dem Verbraucher nicht nur zu Beginn der kostenpflichtigen Phase ein Widerrufsrecht zustehe, sondern auch zum Zeitpunkt der Umwandlung des kostenlosen in ein kostenpflichtiges Abonnement und bei jeder Verlängerung. Im Kern geht es um die Auslegung von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU im Kontext von Fernabsatzverträgen. 

Wie ist die Rechtslage?

Nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU haben Verbraucher bei Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ein 14-tägiges Widerrufsrecht. Hierüber ist unter Beachtung der Formvorschriften zu belehren. Im vorliegenden Fall argumentiert der Kläger, dass dem Verbraucher bei der Umwandlung des Probeabonnements in ein reguläres Abonnement und bei der Verlängerung des regulären Abonnements jeweils ein Widerrufsrecht zustehe, da dieses nicht auf den erstmaligen Vertragsabschluss beschränkt sei. Die bisherigen Entscheidungen der österreichischen Instanzgerichte zeigen unterschiedliche Auslegungen dieser Bestimmungen. 

Was sagt der Gerichtshof?

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 5. Oktober 2023 klargestellt, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers grundsätzlich nur einmal bei Abschluss des ursprünglichen Fernabsatzvertrages besteht. Das Widerrufsrecht soll die Nachteile des Fernabsatzes ausgleichen, die darin bestehen, dass der Verbraucher die Ware vor dem Kauf nicht prüfen und untersuchen kann. Dieses Ziel wird bereits durch ein einmaliges Widerrufsrecht erreicht. Voraussetzung ist allerdings, dass der Verbraucher klar und verständlich darüber informiert wird, dass das Abonnement nach einer kostenlosen Anfangszeit kostenpflichtig wird und wie hoch der Gesamtpreis ist. Ist dies nicht der Fall, muss dem Verbraucher ein erneutes Widerrufsrecht eingeräumt werden.

Der Gerichtshof betonte die Bedeutung des Widerrufsrechts für den Verbraucherschutz und die Notwendigkeit einer klaren, verständlichen und ausdrücklichen Belehrung über das Widerrufsrecht vor Vertragsschluss. Im konkreten Fall muss das vorlegende Gericht nun prüfen, ob die Online-Lernplattform die Verbraucher entsprechend der Richtlinie 2011/83 ordnungsgemäß belehrt hat. 

Welche Konsequenzen hat das Urteil?

Die Entscheidung des Gerichtshofs schafft Rechtssicherheit für Unternehmen, die Verbrauchern zu Beginn eines Abonnements eine kostenlose Testlizenz/Abonnement anbieten wollen. Dennoch sollten vorsorglich die Informationspraktiken überprüft werden, um sicherzustellen, dass die Verbraucher klar und transparent über die Ausübung des Widerrufsrechts und die Gesamtkosten informiert werden.

Wie geht es weiter?

Der Fall wirft wichtige Fragen zur Auslegung und Anwendung des Verbraucherschutzrechts in der digitalen Wirtschaft auf. Das Urteil des Gerichtshofs könnte eine wichtige Klärung dieser Fragen herbeiführen, die sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmen von Bedeutung sind.

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