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11. Oktober 2023

Gruppenversicherungsnehmer als Versicherungsvertreter

  • Briefing

EuGH stuft Gruppenversicherung neu ein

Der Europäischen Gerichtshof (EuGH) hat kürzlich bestätigt, dass der Gruppenversicherungsnehmer eines Gruppenversicherungsvertrags als Versicherungsvermittler und damit als Versicherungsvertreiber im Sinne der EU-Versicherungsvertriebs-Richtlinie 2016/97 (IDD) (ABl.EU Nr. L26 vom 2. Februar 2016, S. 19 ff.) anzusehen ist, wenn er Dritten gegen Vergütung den freiwilligen Beitritt zu einem bestehenden Gruppenversicherungsvertrag anbietet.

Der EuGH verweist auf die Prinzipien des Verbraucherschutzes und der gleichen Wettbewerbsbedingungen zwischen den Vertreibern. Viele Unternehmen bieten ihren Kunden oder auch ihren eigenen Arbeitnehmern im Rahmen von Gruppenversicherungsverträgen Versicherungsschutz an. Mit Aufsichtsmitteilung vom 3. Juli 2023 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nunmehr einige offene rechtliche Aspekte geklärt, aber dadurch besteht jetzt erst recht für sehr viele Unternehmen Handlungsdruck.

Vorgeschichte des EuGH-Urteils

Das EuGH-Urteil vom 29. September 2022 (C-633/20) (EuGH, Urteil vom 29. September 2022 – C-633/20, VersR 2022, 1372 ff.)  geht zurück auf einen Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs (BGH): In dem zugrunde liegenden Verfahren hatte der BGH darüber zu entscheiden, ob das Anbieten des freiwilligen Beitritts zu einem bestehenden Gruppenversicherungsvertrag, wodurch beitretende Versicherte jeweils gegen Vergütung die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen im Fall von Erkrankung oder Unfall im Ausland erhalten, als Versicherungsvermittlung zu qualifizieren ist. Die Beklagte hatte ein Werbeunternehmen damit beauftragt, im Wege der Haustürwerbung Verbrauchern den Beitritt zu dem von ihr bereits abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertrag anzubieten, ohne über die Erlaubnis und Registrierung für die Versicherungsvermittlung gemäß § 34d Gewerbeordnung (GewO) zu verfügen. Kläger in diesem Revisionsverfahren war der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (Deutschland).

Nach der bis dahin herrschenden Meinung schloss die Stellung als (Gruppen-)Versicherungsnehmer stets die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung aus, weil Vermittlung gerade zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer erfolge und der Gruppenversicherungsnehmer bereits selbst der Versicherungsnehmer sei. Durch den Beitritt zu einer echten Gruppenversicherung im Anwendungsbereich des BaFin-Rundschreibens 03/2021 (VA) erhalten versicherte Personen einen eigenen Direktanspruch gegen den Versicherer, werden aber nicht selbst zu Versicherungsnehmern.

Die Verbraucherschützer klagten auf Unterlassung und verwiesen auf das nach Umsetzung der IDD seit 2017 geltende neue Versicherungsvertriebsrecht. Um eine europarechtskonforme Entscheidung herbeizuführen, legte der BGH dem EuGH die Rechtsfrage zur Entscheidung vor. Maßgeblich für die Beantwortung der Frage, ob auf Seiten des Gruppenversicherungsnehmers eine erlaubnis- und registrierungspflichtige Versicherungsvermittlung vorliegt, ist die Definition des Versicherungsvertriebs in Artikel 2 Abs. 1 Nr. 1 IDD: Demnach ist Versicherungsvertrieb im Wesentlichen die Beratung, das Vorschlagen oder das Durchführen anderer Vorbereitungsmaßnahmen zum Abschließen von Versicherungsverträgen, das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Erfüllung oder Verwaltung, insbesondere im Schadenfall. Nach dem bloßen Wortlaut dieser Bestimmung ist die Tätigkeit des Gruppenversicherungsnehmers nicht erfasst, da keine Verträge abgeschlossen werden, sondern Versicherungsverhältnisse durch den Beitritt der versicherten Personen zum bereits bestehenden Gruppenversicherungsvertrag entstehen.

Kernaspekte des EuGH-Urteils

Der EuGH entschied dennoch, dass diese Tätigkeit Versicherungsvertrieb darstellt. Nach dem in der IDD zum Aus-druck gebrachten Willen des europäischen Gesetzgebers sollte das Schutzniveau aller Vertriebskanäle für Versicherungsprodukte einander angeglichen werden. Dies sei nur gewährleistet, wenn auch das Anbieten von Beitritten zu einer echten Gruppenversicherung von der Definition erfasst werde, weil es mit der vergüteten Tätigkeit eines Versicherungsvermittlers vergleichbar sei. Es sei unerheblich, dass es nicht um Versicherungsverträge, sondern Versicherungsverhältnisse geht. Entscheidend sei, dass der Gruppenversicherungsnehmer dem jeweiligen Kunden den Beitritt „gegen Vergütung“ anbietet. Der Begriff der Vergütung ist in Artikel 2 Abs. 1 Nr. 9 IDD gesetzlich definiert und umfasst alle Arten von Provisionen, Gebühren, Entgelten oder sonstigen Zahlungen, einschließlich wirtschaftlicher Vorteile jeglicher Art, oder finanzielle oder nichtfinanzielle Vorteile oder Anreize, die in Bezug auf Versicherungsvertriebstätigkeiten angeboten oder gewährt werden. Die Definition sei laut EuGH erkennbar weit gestaltet und erfasse jede Art von Gegenleistung.

Ob das Urteil wirklich dem Willen des EU-Gesetzgebers entspricht, bleibt unklar. Bei der IDD-Verabschiedung kannte dieser jedenfalls das Konzept des Gruppenversicherungsvertrags, was Erwägungsgrund (49) der IDD belegt. Der EuGH stützt seine Entscheidung aber auf die in den Erwägungsgründen (5) bis (8) der IDD verankerten Zielsetzungen, wonach es für den EU-Gesetzgeber zweifellos von ausschlaggebender Bedeutung gewesen sei, dass Verbraucher in den Genuss vergleichbarer Standards (insbesondere bei Informationen und Beratung) kommen, und dass gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen den Vermittlern gelten. Das Urteil findet demnach keine Anwendung auf den Versicherungsnehmer eines Gruppenversicherungsvertrags, bei dem der Beitritt der versicherten Personen verpflichtend ist, insbesondere bei einer vom Arbeitgeber bereitgestellten nicht-optionalen betrieblichen Altersversorgung, die in Erwägungsgrund (49) der IDD ausdrücklich genannte Ausnahme vom IDD-Anwendungsbereich.

BaFin-Aufsichtsmitteilung vom 3. Juli 2023

Die BaFin nennt in ihrer kürzlich veröffentlichten Aufsichtsmitteilung wenige weitere Ausnahmen: Eine nach bestimmten Kriterien ausgestaltete Gruppenunfallversicherung, die ein Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer als Unternehmensvorteil abschließt, ist demnach z.B. auch ausgenommen, solange der Arbeitgeber keine Vergütung für die Verschaffung dieses Unfallversicherungsschutzes erhält. Dies gilt selbst dann, wenn die Arbeitnehmer keinen Direktanspruch erhalten, sondern der Arbeitgeber Leistungsempfänger der betreffenden Versicherungsleistung ist, weil nur dies nach ständiger finanzgerichtlicher Rechtsprechung (Vgl. BFH, Urteil vom 11. Dezember 2008, - VI R 9/05 -, NZA-RR 2009, 386 ff.; so auch BaFin-Rundschreiben 3/2021 (VA) vom 3. März 2021, B.II.) die Bedingung ist, um die Einkommensteuerbelastung für die Arbeitnehmer auf den Leistungsfall beschränken zu können.

Der Spielraum für Unternehmen, die Versicherungsnehmer einer echten Gruppenversicherung sind und nicht Versicherungsvermittler sein wollen, ist damit sehr begrenzt. Die BaFin stellt fest, dass die EuGH-Entscheidung auch auf B2B-Gruppenversicherungsmodelle übertragbar ist. Sobald der Gruppenversicherungsnehmer also ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt, ist er ein Versicherungsvermittler nach GewO. Ein wirtschaftliches Interesse ist fast immer gegeben, weil den Kunden der Beitritt zu der Police stets in Gewinnerzielungsabsicht angeboten wird. Wenn also Käufern von Konsumgütern wie Smartphones, Fahrrädern oder Brillen Versicherungsschutz für die Beschädigung als Nebenbei-Produkt, Autokäufern Mobilitätsgarantien oder Automietern Insassen-Unfallversicherungsschutz zusätzlich zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung gegen Vergütung angeboten wird, so ist dies eine erlaubnispflichtige Versicherungsvermittlung des Händlers.

Fazit

Das EuGH-Urteil hat also unmittelbar zur Folge, dass Unternehmen als Gruppenversicherungsnehmer eine Erlaubnis nach § 34d Abs.1 GewO benötigen und in das Vermittlerregister einzutragen sind. Die Erlaubnis wird durch die jeweils für die Gruppenversicherungsnehmer örtlich zuständige Industrie- und Handelskammer (IHK) erteilt und setzt unter anderem den Nachweis von Sachkunde im Bereich der Versicherungsvermittlung voraus. Der Nachweis kann durch eine entsprechende bei der IHK abgelegte Sachkundeprüfung oder durch eine abgeschlossene Ausbildung als Versicherungskaufmann erbracht werden. In Betracht kommt auch eine Registrierung als gebundener Versicherungsvermittler nach § 34d Abs. 7 GewO durch den betreffenden Versicherer, der die vollständige Haftung für die Vermittlertätigkeit des gebundenen Vermittlers übernimmt; das Sachkundeerfordernis ist aber auch dann zu erfüllen. Ein gebundener Vermittler darf ausschließlich Versicherungsschutz dieses einen Versicherers vermitteln, was in der Gruppenversicherung ohnehin meist der Fall ist. Ob alle Versicherer jetzt nach dem EuGH-Urteil zur vollständigen Übernahme der Haftung bereit sein werden, bleibt abzuwarten. Denn die Versicherungsvermittler treffen tatsächlich eine Reihe von Beratungs- und Informationspflichten gegenüber den Versicherten. In jedem Fall erstrecken sich die Auswirkungen der EuGH-Entscheidung nicht nur auf zukünftig zustande kommende echte Gruppenversicherungsverträge, sondern sind auch bei Bestandsverträgen schon zu beachten. Bei Verletzung des § 34d Ge-wO besteht das akute Risiko der Abmahnung und wettbewerbsrechtlichen Inanspruchnahme auf Unterlassung, und zukünftig könnte dies nach entsprechender gesetzlicher Ausweitung auf Versicherungsverhältnisse auch als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.

Erschienen in: Zeitschrift Comply, 3/2023, S. 52/53

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