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Dr. Gunbritt Kammerer-Galahn

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5. Februar 2021

Schwierige Zeiten beim Einkauf von D&O-Versicherungen

  • Briefing

Die große Boomzeit der D&O-Versicherung in Deutschland in den sogenannten Nullerjahren (2000 – 2008) bekam ja bereits in der Finanzkrise von 2008 ihren ersten Dämpfer. Nach Jahren mit stetig sinkenden Prämien und immer kundenfreundlicheren (Makler-)Bedingungen steigt seit Jahren das Schadenaufkommen und führte die Sparte in den letzten Jahren in die Verlustzone. Nun auch noch das Jahr 2020: Es stand nicht nur für die Corona-Krise, die noch viele Insolvenzen nach sich ziehen dürfte, sondern brachte auch ein für die D&O-Versicherer sehr unerwünschtes BGH-Urteil (dazu unten mehr). Aus diesen Gründen vollzieht der D&O-Versicherungsmarkt eine Kehrtwende: Bei der Erneuerung zum Jahreswechsel 2020/21 sind die Preise für D&O-Deckungen besonders stark gestiegen, laut Makleraussagen sogar um 25 bis 300 Prozent. Die D&O-Versicherer ließen nicht mit sich verhandeln, sondern verhielten sich teilweise sogar wenig kundenfreundlich, indem sie nur ein einziges unverhandelbares Angebot vorlegten, wenn überhaupt. Die Anbieter stellten zudem deutlich weniger Kapazität zur Verfügung als in der Vergangenheit. Kunden, die bisher stets eine Standarddeckung von EUR 25 Mio. je Versicherer erhalten hatten, bekamen nur noch EUR 15 Mio. Deckung je Versicherer, so dass große D&O-Programme deutlich zusammenschmolzen oder mit weiteren beteiligten Versicherern aufgestockt werden mussten. Bereits zwei Drittel der bislang auf dem deutschen Markt tätigen D&O-Versicherer sind inzwischen aus dem Markt ausgestiegen und zeichnen derzeit kein Neugeschäft; zudem sind aktive D&O-Versicherer des Londoner Lloyds‘ Market teilweise noch damit beschäftigt, ihr Geschäft nach dem Brexit neu aufzustellen.

Die Versicherungsbedingungen der verbliebenen D&O-Versicherer haben sich bereits deutlich verschlechtert und/oder werden sich noch deutlich verschlechtern. Dies hat die AIG, einer der deutschen Marktführer in der D&O-Sparte, bereits unmissverständlich erklärt; und andere Versicherer werden folgen, wie uns bereits von mehreren D&O-Maklern bestätigt wird:

Ausschluss Insolvenzrisiko

Die Versicherer wollen vor allem das Insolvenzrisiko aus den Verträgen ausschließen. Früher war die Konkurrenz unter den Anbietern so hoch, dass die D&O-Deckungen über viele Jahre konstant erweitert wurden und sogar Deckungen für Managerpflichtverletzungen vor und in der Insolvenz standardmäßig gegeben bzw. nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurden. Mit dem Urteil vom 18. November 2020 (IV ZR 217/19) entschied der BGH im Fall einer kleinen D&O-Versicherung (Versicherungssumme von nur EUR 1,5 Mio.), dass das versicherte Unternehmen und die versicherten Geschäftsführer – ähnlich wie dies in der Personenversicherung bei einem privatem Versicherungsnehmer/Verbraucher gilt – die Versicherungsbedingungen nur mit dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers verstehen muss, so dass ohne ausdrückliche Nennung die Insolvenzverschleppung gemäß § 64 GmbHG a.F. unter die D&O-Deckung falle. Auch wenn die Insolvenzzahlen zuletzt in Deutschland rückläufig waren, kann dieses Urteil für D&O-Altverträge noch ein erhebliches Schadenaufkommen bedeuten. Es kommt hinzu, dass wegen der Corona-Krise für dieses Jahr eine erhöhte Anzahl von Insolvenzen in Deutschland erwartet wird. Allerdings ist der § 64 GmbHG a.F. gerade erst zum 1. Januar 2021 durch das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz vom 22. Dezember 2020 weggefallen; zeitgleich eingeführt wurde der neue § 15b InsO zu Zahlungen bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung (dort ist in Absatz 4 die Erstattungs- und Ersatzpflicht etwas anders formuliert als noch im alten § 64 GmbHG).

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat eine Marktanalyse zum deutschen D&O-Versicherungsmarkt bezüglich der Jahre 2017 bis 2019 durchgeführt und festgestellt, dass im Falle einer Insolvenz das Risiko enorm steigt, dass das Unternehmen dem Versicherer einen D&O-Schaden meldet. Insolvenzverwalter suchten gezielt nach Leistungsansprüchen aus einer bestehenden D&O-Versicherung. Laut der GDV-Auswertung von D&O-Schadenfällen mit und ohne Involvierung von Insolvenzverwaltern stellte sich heraus, dass Insolvenzverwalter häufiger und regelmäßig auch zu hohe Haftpflichtansprüche stellten: Die Auswertung ergab, dass Insolvenzverwalter im Schnitt Forderungen von fast EUR 7 Mio. an ehemalige Manager stellten. Gezahlt haben die Versicherer am Ende im Durchschnitt deutlich weniger, nämlich EUR 140.000,00 pro Haftpflichtanspruch. In keinem einzigen Fall mussten die Forderungen in voller Höhe bezahlt werden, sogar in einem Drittel der Fälle wurde die Haftpflichtklage gegen die Geschäftsleiter abgewiesen.

Auf die Frage, wie also in Zukunft das Insolvenzrisiko versichert werden kann, herrscht noch Unklarheit: Bei den Maklern wird gemutmaßt, dass das Insolvenzrisiko in persönliche D&O-Versicherungen ausgegliedert wird, die der Geschäftsleiter dann selbst abschließen und bezahlen muss. Sollte es so kommen – und vereinzelt beobachten wir dies bereits –, so können in der Folge Anpassungen (gegebenenfalls auch Streitigkeiten) zu der in den Dienstversträgen von Geschäftsleitern zumeist enthaltenen sogenannten D&O-Verschaffungsklausel erforderlich werden.
Eine andere Möglichkeit sind nach Aussage von Maklern separate Insolvenzschutzdeckungen, die aufgrund des hohen Schadenaufkommens auch entsprechend hoch bepreist würden. Weitere nicht ganz so tiefgreifende Möglichkeiten für die D&O-Versicherer, mit dem Risiko umzugehen, wären die Einführung von Sublimits und/oder eine erhöhte Sorgfalt beim Underwriting, indem die Unternehmen oder sogar deren Gesellschafter vor der Policen-Zeichnung umfangreiche Garantien (z.B. zur finanziellen Solidität des zu versichernden Unternehmens – dies insbesondere bei sogenannten Start-up-Unternehmen) gegenüber den D&O-Versicherern abgeben müssen.

Epidemie-/Pandemie-Ausschlussklauseln

Ebenso wie das Insolvenzrisiko wird auch der Ausschluss des Epidemie-/Pandemie-Risikos zum Standard in D&O-Versicherungsbedingungen werden. Der GDV rechnet aufgrund der Corona-Krise für das Jahr 2021 mit einer großen Zahl von Ansprüchen insbesondere von Insolvenzverwaltern gegen ehemalige Manager wegen Pflichtverletzungen der Geschäftsleitung im Umgang mit der COVID-19-Pandemie.

Nachmeldefristen und eingeschränkte Rückwärtsdeckung

Nachmeldefristen sollen künftig verfallen, anstatt automatisch weiterzulaufen. Die Kunden sollen zudem keine automatische Rückwärtsdeckung für neu dazugekaufte Tochterunternehmen mehr bekommen, und die Anzeigepflichten der Kunden bei Gefahrhöhung etwa durch Zukäufe, Fusionen oder Insolvenzen soll ausgeweitet werden. Es ist umstritten, ob das von AIG geplante härtere Vorgehen bei Nachmeldefristen und Rückwärtsdeckung rechtlich zulässig ist. Das OLG München hatte mit Urteil vom 8. Mai 2009 (25 U 5136/08) die Regelung von Nachmeldefristen und Rückwärtsdeckung für notwendig erachtet, um einen Ausgleich im Sinne von § 307 Abs. 1 und 2 BGB zu dem für die Versicherten nachteiligen Claims made-Prinzip (im Gegensatz zu dem ansonsten im deutschen Versicherungsvertragsrecht üblichen Ereignis-Prinzip) zu schaffen. Es steht zu vermuten, dass die D&O-Versicherer es in Zukunft mehr darauf ankommen lassen werden, Streitfragen von Gerichten klären zu lassen als den Vergleich mit den Versicherten zu suchen.

Schwere Zeiten auch für D&O-Makler

Nicht zuletzt stehen auch die deutschen D&O-Makler unter Druck. Die Kosten für Makler-Courtagen sind aus Sicht der D&O-Versicherer zu hoch. Im Geschäft mit kleinen und mittleren Unternehmen werden im Markt Courtagen in Höhe von bis zu 30 Prozent der Bruttoversicherungsprämie gezahlt. Der Regelcourtagesatz liegt bei 17,5 bis 20 Prozent. Auch das wird als zu hoch angesehen, und die D&O-Versicherer haben bereits mit der Neuverhandlung der Courtagesätze mit den Maklern begonnen.

Wer ist insbesondere betroffen:

  • Geschäftsleiter und deren betroffenen Unternehmen
  • Insolvenzverwalter
  • D&O-Versicherungsmakler
 
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