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4. Juli 2023

Neue Maschinenverordnung: Die wichtigsten Änderungen und was Unternehmen beachten sollten

  • Briefing

Es ist soweit: Die europäische Maschinenverordnung VO (EU) 2023/1230 („Maschinen-VO“) ist im Amtsblatt der europäischen Union veröffentlicht. Die Maschinen-VO wird die altbekannte Maschinenrichtlinie 2006/42/EG („Maschinen-RL“) ersetzen. Die Maschinen-VO ist von höchster Relevanz für Unternehmen, die mit „Maschinen“ in Berührung kommen, diese etwa herstellen, importieren, anderweitig vertreiben oder betreiben.

Der Anwendungsbereich der Maschinen-VO ist weitreichend, vgl. etwa die Maschinendefinition in Art. 3 Abs. 1 Maschinen-VO, aber auch die „dazugehörigen Produkte“, Art. 2 Abs. 1 Maschinen-VO. Die maschinenbezogene Verrechtlichung erreicht ihren aktuellen Höhepunkt. Von aktuell 30 Erwägungsgründen und 29 Artikeln schwillt das Maschinenrecht an auf 86 Erwägungsgründe und 54 Artikel. Die große Revolution bleibt aber aus. Viele der besonders intensiven „Umwälzungen“ des ersten Entwurfs vom 21. April 2021 (COM (2021) 202 final) wurden wieder entfernt oder zumindest abgeschwächt. Dieser Artikel stellt ausgewählte, wichtigste Änderungen der Maschinen-VO vor, um einen ersten Überblick über die Neuerungen zu geben.

Anwendungszeitpunkt und Stichtagsregelung

Die Verordnung tritt am 19. Juli 2023 in Kraft und wird ab dem 20. Januar 2027 („Stichtag“) anwendbar sein, sprich 42 Monate nach Inkrafttreten, Art. 54 Maschinen-VO. Allen Akteuren – v.a. Hersteller, Importeure, Bevollmächtigte, Händler, Betreiber – bleibt Zeit, sich auf die neuen Anforderungen vorzubereiten. Zum Stichtag indes gilt es die neuen Bestimmungen vollständig zu erfüllen. Das heißt: Unternehmen sollten sich frühzeitig vor dem Stichtag mit den neuen Anforderungen auseinandersetzen. Die Erstellung der Dokumentation und Zertifizierungen nach den neuen Regelungen ist zeitintensiv.

Welcome to the New Legislative Framework

Die Maschinenverordnung ist nach dem New Legislative Framework strukturiert. Wie aus der europäischen Product Compliance bestens bekannt, erhalten nunmehr ausdrücklich alle Wirtschaftsakteure Pflichten zugewiesen. Eine der praktisch „sichtbarsten“ Auswirkung: Maschinenimporte sind mit dem Namen und der Anschrift des Importeurs zu kennzeichnen. Wir hoffen, dass das Maschinenrecht und die restlichen Product Compliance-Regularien in Zukunft besser ineinandergreifen.

Verordnung statt Richtlinie

Als Verordnung beansprucht die Maschinen-VO unmittelbar Geltung in allen EU-Mitgliedstaaten. Eine Umsetzung in nationales Recht ist überflüssig. Wir erwarten, dass die aktuelle nationale Umsetzung der Maschinenrichtlinie in Deutschland, die 9. ProdSV, noch mehr zu einer reinen Rumpfnorm wird. Künftig wird sie aller Voraussicht nach lediglich Marktüberwachungszuständigkeiten sowie Strafvorschriften und Ordnungswidrigkeiten enthalten.

Klar(er) regulierter Anwendungsbereich

Die neue Maschinenverordnung umfasst ausdrücklich Maschinen, dazugehörige Produkte sowie unvollständige Maschinen, Art. 2 Maschinen-VO. Der europäische Gesetzgeber versucht, bisher bestehende Unklarheiten bezüglich des Anwendungsbereichs der Maschinenrichtlinie mit anderen harmonisierten Rechtsakten, insbesondere mit der Niederspannungsrichtlinie und der Funkanlagenrichtline, auszumerzen. So stellt beispielsweise Art. 2 Abs. 2 lit. p Maschinen-VO klar, dass für konkret in der Verordnung bestimmte elektrische und elektronische Produkte der Anwendungsbereich der Maschinen-VO nicht eröffnet sein soll, soweit sie der Niederspannungsrichtlinie oder der Funkanlagenrichtline unterliegen.

Neue Nummerierung der Anhänge

Die Maschinen-VO hat die Anhänge umgestellt. Die bekannten Themen bleiben aber geregelt. Folgende Tabelle ermöglicht eine Übersicht:

Thema

Bislang geregelt in Künftig geregelt in
Grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen Anhang I Maschinen-RL Anhang III Maschinen-VO
Konformitäts- und Einbauerklärung  Anhang II Maschinen-RL
Anhang V Maschinen-VO
CE-Kennzeichnung
Anhang III Maschinen-RL
Eigener Anhang entfallen, Anforderungen in Artikel 23 f. Maschinen-VO
Maschinen, die potentiell ein besonderes Risiko darstellen können
Anhang IV Maschinen-RL
Anhang I Maschinen-VO, nunmehr unterteilt in Teile A und B
Sicherheitsbauteile – Beispielliste
Anhang V Maschinen-RL
Anhang II Maschinen-VO
Montageanleitung für unvollständige Maschinen
Anhang VI Maschinen-RL
Anhang XI Maschinen-VO
Technische Unterlagen
Anhang VII Maschinen-RL
Anhang IV
Konformitätsbewertungsverfahren
Anhänge VIII bis X
Anhänge VI bis X
Mindestkriterien für benannte Stellen
Anhang XI
Eigener Anhang entfallen, nunmehr in Artikel 30

Definition der „wesentlichen Veränderung“

Die Maschinen-VO kodifiziert den Begriff der „wesentlichen Veränderung“ in Art. 3 Abs. 16. Personen, die eine „wesentliche Veränderung“ an einer Maschine vornehmen, haben die Rolle des Herstellers mitsamt aller ihm obliegenden Pflichten zu erfüllen, insbesondere eine erneute Konformitätsbewertung durchzuführen. Die Pflicht zur erneuten Bewertung beschränkt sich grundsätzlich auf den modifizierten Maschinenteil. Etwas anderes gilt dann, wenn sich die Modifikation auf die Maschine als Ganzes auswirkt, siehe Art. 18 und Erwägungsgrund 26 der Maschinen-VO. Unternehmen werden künftig die Schwelle zur wesentlichen Veränderung leichter überschreiten: Anders als vom Interpretationspapier des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aus dem Jahr 2015 vorgesehen, liegt auch dann eine wesentliche Veränderung vor, wenn die Maschine durch eine „einfache Schutzeinrichtung“ wieder in einen sicheren Zustand gebracht werden kann.

Digitales Maschinenrecht

  • Die digitale Bedienungsanleitungen
    Endlich können Hersteller Ihre Betriebsanleitungen digitalisieren. Zumindest grundsätzlich. Hersteller haben zu gewährleisten, dass Händler dem Maschinennutzer zum Zeitpunkt des Maschinenerwerbs eine gedruckte Version kostenlos in Papierform zur Verfügung stellen können (vgl. Erwägungsgrund 40). Entscheidet sich der Hersteller für eine digitale Betriebsanleitung, hat der Hersteller (i) auf der Maschine anzugeben, wie auf die Betriebsanleitung zugegriffen werden kann und (ii) die Betriebsanleitung in einem „druckbaren Format“ (PDF) bereitzustellen, Art. 10 Abs. 7 Maschinen-VO.
  • Künstliche Intelligenz
    Der Entwurf der KI-Verordnung und die Maschinen-VO wurden entkoppelt. Besondere Anforderungen gelten nun an Maschinen(teile), die „über eingebettete Systeme mit vollständig oder teilweise selbstentwickelndem Verhalten unter Verwendung von Ansätzen des maschinellen Lernens verfügen“, vgl. Anhang I Teil A Nr. 6 Maschinen-VO. Wann von einem „selbstentwickelndem Verhalten“ die Rede sein kann, bleibt abzuwarten. Die Maschinen-VO definiert Anforderungen zum Schutz gegen Beeinflussung und zur Resilienz von Steuerungen, vgl. Anhang III Abschnitte 1.1.6 lit. f), 1.2.1 Unterabsatz 2 lit. d), 1.2.1 Unterabsatz 3.
  • Cybersicherheit
    Weiterer Digitalisierungsbaustein der Maschinen-VO sind ihre Anforderungen an die Cybersicherheit. Hersteller haben künftig (nun auch ausdrücklich auf Gesetzesebene) angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit ihrer Maschinen vor potenziellen Cyberbedrohungen sowie Schutz gegen Beeinflussung zu gewährleisten. Dies beinhaltet die Implementierung von Sicherheitsvorkehrungen, um unbefugten Zugriff, Manipulation oder Diebstahl von Daten zu verhindern, vgl. Anhang III Abschnitt 1.1.9, 1.2.1 Maschinen-VO.

Geänderte Verfahren für Maschinen auf die bestimmte Konformitätsbewertungsverfahren anzuwenden sind

Der Begriff „Hochrisikomaschine" hat es nicht in die Maschinen-VO geschafft. Es sollte eine Stigmatisierung solcher Maschinen verhindert werden. Unter dem Strich sind die Maschinen des Anhang IV der Maschinen-RL nun – mit einigen Ergänzungen – in Anhang I der Maschinen-VO genannt. Stehen die Maschinen in Teil A des Anhang I (etwa Maschinen, deren Sicherheitsfunktionen vom System mit „selbstentwickelndem Verhalten“ gewährleistet werden), ist auf sie eines der folgenden, aufwendigeren Konformitätsbewertungsverfahren anzuwenden: Entweder (i) die EU-Baumusterprüfung gefolgt von der internen Fertigungskontrolle, die (ii) Einzelprüfung oder (iii) die umfassende Qualitätssicherung, Art. 25 Abs. 2 Maschinen-VO. Für Maschinen in Anhang I Teil B der Maschinen-VO gilt das dann, wenn der Hersteller sie nicht vollständig nach einschlägigen harmonisierten Normen oder gemeinsamen Spezifikationen konstruiert und gebaut hat, Art. 25 Abs. 3 Maschinen-VO. Die Regelung nach Art. 25 Abs. 3 Maschinen-VO für Maschinen in Anhang I Teil B der Maschinen-VO ist bereits aus Art. 12 Abs. 4 Maschinen-RL bekannt.

Nachmarktpflichten für Hersteller

Getreu der Umsetzung des NLF sieht die neue Maschinen-VO nun auch explizit Nachmarktpflichten für Hersteller vor. Art. 10 Abs. 9 der Maschinen-VO legt ausdrücklich fest, dass Hersteller „unverzüglich die erforderlichen Korrekturmaßnahmen ergreifen“ müssen, um ihre Konformität mit der Verordnung sicherzustellen. Dies schließt die Verständigung nationaler Behörden sowie die Produktelimination bzw. -rückruf mit ein.

Schlussfolgerung

Die große Umwälzung des Maschinenrechts ist ausgeblieben. Der Teufel steckt aber sehr wohl im Detail. Die neue Maschinenverordnung bringt eine Reihe wichtiger Änderungen mit sich. Ob der Stichtagsregelung gilt es vor allem rechtzeitig den „Absprung“ zu schaffen – neue Dokumente sowie Zertifikate kosten Mühe sowie Geld und wollen vorbereitet sein.

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