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DDr. Wolfgang Gabler, M.E.S., LL.M.

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4. April 2023

Auswirkungen der Taxonomie-Verordnung auf die Immobilienbranche

  • Briefing

Etwa 38 % der weltweiten CO2-Emissionen entfallen auf den Bausektor. Angesichts des Klimawandels erlangt nachhaltiges Wirtschaften daher auch im Immobilienbereich einen immer größeren Stellenwert. Nicht nur der nationale Gesetzgeber, sondern auch die Europäische Union erlässt immer mehr umweltpolitische Regelungen, die auch Folgen für die Immobilienbranche haben. In diesem Zusammenhang soll die Taxonomie-Verordnung der Europäischen Union ein Instrument darstellen, um die Verpflichtungen der Gemeinschaft nach dem Pariser Klimaabkommen, nämlich das Erreichen der CO2-Neutralität bis zum Jahre 2050, zu erfüllen. Im Folgenden werden die Auswirkungen der Taxonomie-Verordnung auf den Immobiliensektor beleuchtet:

1. Ziele der Taxonomie-Verordnung

Mit der Taxonomie-Verordnung sollen Investitionsströme aus dem Finanzsektor an Unternehmen gefördert werden, die nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten setzen. Kern der Verordnung ist die Schaffung eines Klassifikationssystems, das regelt, welche Wirtschaftstätigkeiten unter welchen Voraussetzungen als ökologisch nachhaltig angesehen werden können. Den Bewertungsmaßstab hierfür stellen sechs Umweltziele dar:

1. Klimaschutz
2. Anpassung an den Klimawandel
3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
5. Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung 
6. Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme

Um dem Ziel einer Taxonomie konformen Wirtschaftstätigkeit zu entsprechen, muss diese einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines oder mehrerer Umweltziele leisten und darf dabei die anderen Umweltziele nicht erheblich beeinträchtigen. Weiters muss der Mindestschutz bestimmter internationaler Abkommen bzw. Leitprinzipien eingehalten werden und den von der Europäischen Union festgelegten technischen Bewertungskriterien muss entsprochen werden.

In sogenannten delegierten (ausführenden) Rechtsakten zur Taxonomie-Verordnung werden jene Wirtschaftsaktivitäten beschrieben, die einen Beitrag zu einem der genannten Umweltziele leisten. In diesem Zusammenhang werden technische Bewertungskriterien angeführt, die keine negativen Auswirkungen auf andere Ziele haben, wenn sie eingehalten werden. Bei deren Einhaltung wird die wirtschaftliche Aktivität als Taxonomie konform angesehen.

Zu den ersten beiden Umweltzielen, nämlich Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel, ist bereits eine Delegierte Verordnung in Kraft getreten.

2. Adressaten der Taxonomie-Verordnung

Unternehmen, die nach der „Non-Financial Reporting Directive“ (NFRD) der Europäischen Union zu einer nicht-finanziellen Berichterstattung verpflichtet sind, müssen im Zuge ihres Reportings den Anteil an Umsatzerlösen und Investitionsausgaben, den sie mittels der Taxonomie ausgerechneten Tätigkeiten erwirtschaften, angeben. Ihre Nachhaltigkeitsleistung wird somit maßgeblich durch die Taxonomie gemessen. Die Offenlegung ist im Lage- bzw. Geschäftsbericht oder in einem speziellen nicht-finanziellen Bericht vorzunehmen. Zur Berichterstattung sind große Kapitalgesellschaften verpflichtet, die Unternehmen von öffentlichem Interesse sind und an den Abschlussstichtagen das Kriterium erfüllen, im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Arbeitnehmer zu beschäftigen.

Durch die „Corporate Sustainability Reporting Directive“ (CSRD) wird der Kreis der zur Berichterstattung verpflichteten Unternehmen in der Europäischen Union ab 2024 deutlich ausgeweitet. Ab 01.01.2025 gilt die Verpflichtung für solche Unternehmen, die zwei der drei folgenden Kategorien erfüllen:

  • Mehr als 250 Mitarbeiter im Durchschnitt während des Geschäftsjahres
  • Mehr als EUR 20 Mio. Bilanzsumme
  • Mehr als EUR 40 Mio. Nettoumsatzerlöse  

Ab 01.01.2026 gilt die Verpflichtung dann auch für börsennotierte KMUs, für kleine und nicht komplexe Kreditinstitute sowie für Versicherungsunternehmen.

Indirekt von der Taxonomie-Verordnung betroffen sind aber auch Unternehmen, die zwar nicht der Berichtspflicht unterliegen, deren Geschäftspartner aber Auskunft über Taxonomie relevante Merkmale ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten, beispielsweise bei Liefer- und Wertschöpfungsketten, verlangen.

3. Berichtspflicht nach der Taxonomie-Verordnung

Die der Berichtspflicht unterliegenden Unternehmen haben folgende Informationen zu veröffentlichen:

  • Anteil der Umsatzerlöse, die mit ökologisch nachhaltigen Waren oder Dienstleistungen erzielt werden
  • Anteil der Investitionen für längerfristige Anlagegüter (CAPEX)
  • Anteil der laufenden Ausgaben für den operativen Geschäftsbetrieb (OPEX), die im Zusammenhang mit ökologisch nachhaltigen wirtschaftlichen Aktivitäten stehen

Für Finanzunternehmen bestehen noch weitergehende Veröffentlichungspflichten.

Die Berichtspflicht besteht erstmals für das Geschäftsjahr 2022.

4. Auswirkungen der Taxonomie-Verordnung auf den Immobiliensektor

Praktische Auswirkungen auf den Immobiliensektor ergeben sich für Unternehmen, die der Berichtspflicht nach der Taxonomie-Verordnung unterliegen und damit gezwungen sind, ihre Immobilienportfolios auf eine Taxonomie-Konformität zu prüfen. Wenn in Portfolios von in der Europäischen Union gehandelten Fonds auch Immobilien enthalten sind, die außerhalb des Unionsgebietes gelegen sind, dann unterliegen auch diese der Taxonomie.

Folgende Maßnahmen kommen für die Herstellung einer Taxonomie-Konformität in Betracht:

1. Zertifizierung von bestehenden Immobilien:

Bestehende Gebäude können nach den Anforderungen der Taxonomie zertifiziert werden. Kommt es zu keinen Investitionen, um Immobilien klimaneutral zu machen, droht eine Wertminderung.

2. Bauprojekte:

Die Erfordernisse der Taxonomie-Verordnung können in Ausschreibungen von Bau- und Infrastrukturprojekten einfließen und in Bauverträgen umgesetzt werden.

3. Liegenschaftstransaktionen:

Käufer können von den Verkäufern entsprechende Zertifizierungen verlangen und mittels Gewährleistungen vertraglich sicherstellen, dass Gebäude Taxonomie konform sind. Stellen sich diesbezügliche Zusagen durch die Verkäufer als unrichtig heraus, können von den Käufern je nach rechtlich zulässiger Vereinbarung die Rückabwicklung des Vertrages, Preisminderung oder Schadenersatz begehrt werden.

4. Mietverträge:

Hier rücken „Green Lease“-Vereinbarungen oder „grüne Mietverträge“ in den Fokus. Es handelt sich dabei um Verträge, die den Mieter zu einer möglichst nachhaltigen Nutzung und den Vermieter zu einer möglichst nachhaltigen Bewirtschaftung veranlassen sollen.

Nach der Definition des deutschen Zentralen Immobilien Ausschusses e.V. muss ein solcher Vertrag zumindest jeweils eine Regelung zur nachhaltigen Nutzung und Bewirtschaftung des Objektes, zur Reduktion von Abfällen, Verbräuchen und Emissionen sowie darüber hinaus zur Durchführung von Instandhaltungs-, Modernisierungs- und anderen baulichen Maßnahmen in ökologisch unbedenklicher Art enthalten. Typischerweise enthalten „grüne Mietverträge“ neben diesen drei Hauptkriterien weitere Regelungsgegenstände, wie Vereinbarungen über die Erstellung eines Energieoptimierungskonzeptes oder eines Nachhaltigkeitsbuches, welches eine Art „Green Code of Conduct“ darstellt. Diese Grundsätze können auch für die Taxonomie herangezogen werden.

Die Erfordernisse an einen „grünen Mietvertrag“ können vertraglich vereinbart werden, sofern dem nicht zwingende mietrechtliche Bestimmungen entgegenstehen. Verstößt eine Vertragspartei gegen Verpflichtungen aus dem „Green Lease“, können je nach rechtlich zulässiger Vereinbarung die Auflösung des Vertrages, Vertragsanpassung, Schadenersatz oder Vertragsstrafen begehrt werden.

5. Ausblick

Investitionen in Immobilien werden künftig immer stärker unter dem Aspekt der Taxonomie beurteilt werden. Aus diesem Grund muss die Taxonomie in bestehende Nachhaltigkeitsstandards, Labels und Zertifizierungssysteme integriert werden.

Die Taxonomie wird damit für Immobilienbesitzer, Anleger und Bauunternehmer zum Maßstab für die Bewertung von Neubauprojekten und die Sanierung des Gebäudebestandes. Unternehmen haben die Möglichkeit, sich bei der Umsetzung der Taxonomie als Spezialisten der Innovation und Nachhaltigkeit zu positionieren. Die Taxonomie ist somit einerseits Herausforderung, andererseits aber auch Chance für die Immobilienbranche.

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