21. Februar 2023
Unternehmen haben bereits heute und erst recht in Zukunft mehr und mehr mit Anforderungen an nachhaltiges Wirtschaften umzugehen. Das verlangt teilweise der Markt, teilweise steigen aber auch die diesbezüglichen regulatorischen Anforderungen, jedenfalls hinsichtlich der Transparenz. Das gängige Stichwort hier ist: „Aus der Kür wird Pflicht“ und Anforderungen finden sich in der CSRD (Corporate Sustainablility Reporting Directive) oder der Taxonomie-VO. Unternehmen setzen sich dementsprechend Nachhaltigkeitsziele (zB: Klimaneutralität ab einem bestimmten Zeitpunkt) und berichten der Öffentlichkeit über ihre Aktivitäten, zB zur Reduzierung von CO2. Dabei reicht es nicht aus, den Blick alleine auf das eigene unmittelbare Handeln zu richten, sondern die gesamte Wertschöpfungs- und Lieferkette ist zu berücksichtigen. Zum sogenannten Scope 3 gehören dabei Emissionen zB von Transport- und Logistikdienstleistern, die ein Unternehmen entlang seiner Wertschöpfungskette einsetzt. Zwar ist in der Branche für Transport- und Logistikdienstleistungen sogenannte „Green Logistic“ in aller Munde, aber nicht nur in Deutschland bleibt der Verkehrsbereich weit hinter den Erwartungen an die Reduzierung von Treibhausgasemissionen zurück. Dies ist Grund dafür, hier einen Blick darauf zu werfen, welche Kriterien die Auswahl eines Logistikers beeinflussen können oder sollten und wie solche in vertraglichen Regelungen mit diesem Niederschlag finden.
Größere Logistikaufgaben werden heute zumeist aufgrund eines Tenderverfahrens vergeben. Der Auftraggeber gibt dabei seinen Bedarf vor und lädt ausgesuchte Dienstleister ein, Angebote abzugeben (Request for Proposal). Bereits darin sollte der Auftraggeber abfragen, wie nachhaltig der Anbieter wirtschaftet. Nur auf dieser Basis, und zB auch mit Aussagen zur Haftung, sind wirtschaftliche Angebote der sich bewerbenden Dienstleister wirklich vergleichbar. Dabei können konkrete Kriterien abgefragt werden, aber es kann auch ergänzend eine Stellungnahme dazu eingefordert werden, welche Nachhaltigkeitsziele der Dienstleister sich selbst gesetzt hat, mit was für einem Team er diese angeht und was er zu deren Erreichung wann verspricht. Ähnlich kann vorgegangen werden, wenn Aufgaben ohne Ausschreibung vergeben werden.
Die relevanten Merkmale, die hier natürlich nicht erschöpfend behandelt werden können, sind abhängig davon, welche Leistungen eingekauft werden sollen. Sie lassen sich den Bereichen (a) Transport, (b) Lagerhaltung und Kommissionierung und (c) allgemeine Anforderungen zuordnen.
(a) Im Transportbereich spielen vor allem die eingesetzten Kraftstoffe (Diesel, LNG, LBG, E-Fuels, Wasserstoff und Elektrizität) eine Rolle. Teilweise können die beim Transport entstehenden Emissionen indirekt über die Abgasnormen der Fahrzeuge und die Mautklassen bewertet werden. Belastbare Aussagen von Speditionen sind hier schwierig zu bekommen, weil viele der großen Spediteure Subunternehmer einsetzen, die zumeist alleine nach den Kosten ausgesucht werden und für deren Nachhaltigkeitsansätze sich die direkten vertraglichen Dienstleister oft nicht stark machen wollen oder können. Das gilt erst recht, wenn die Subunternehmer über Frachtbörsen ausgesucht werden. Aber auch die Frage, welche Kapazitätsauslastung ein Transport wahrt, spielt natürlich eine Rolle, wenn der CO2-Footprint je Gewicht oder Volumen eines transportierten Gutes zu bewerten ist. Weiter kann sich durch kombinierten Verkehr die Ökobilanz eines Transportnetzwerkes verbessern.
(b) Im Lagerbereich spielen zunächst all die Merkmale eine Rolle, die aus der Immobilienwirtschaft bekannt sind (Gebäudedämmung, Photovoltaik auf dem Dach, nachhaltige Baumaterialien, Regenwasserverwertung, smarte Gebäudetechnik, etc.). Genauso wichtig ist, ob der Dienstleister (echten) Ökostrom zum Betrieb seines Logistikzentrums verwendet, denn viele Läger sind im Betrieb besonders energieintensiv (zB Tiefkühlläger, Stapler, automatisierte Anlagen). Hinsichtlich des Fulfillments kommt es darauf an, ob der Dienstleister (automatisiert) in der Lage ist, die Transportverpackungen zu nutzen, die den Nachhaltigkeitsanforderungen des Auftraggebers entsprechen. Schließlich kann der Standort einer Logistikanlage eine wichtige Rolle spielen, weil dieser ggf. geeignet ist, die Wegestrecken für den Inbound ebenso wie für Distributionstransporte und folglich die Emissionen zu reduzieren.
(c) Übergreifend ist von Relevanz, ob der anbietende Dienstleister über (einschlägige) Zertifizierungen verfügt (zB GHG-Protokoll, ISO-Normen, DGNB für Gebäude etc.), ob und ggf. wie er einschlägig gerankt ist (zB Ecovadis), ob er Nachhaltigkeitsauszeichnungen erwerben konnte, ob er Mitglied in Nachhaltigkeitsorganisationen ist. Ganz fundamental stellt sich oft die Frage, ob der Logistikdienstleister überhaupt in der Lage ist, über die Nachhaltigkeit seines Wirtschaftens qualifiziert Auskunft zu geben, entsprechende Daten also (belastbar) erhebt und (digital) verarbeitet. Nur dann wird es dem Auftraggeber seinerseits ermöglicht, seine Emissionen des Scope 3 zu erfassen, zu steuern und darüber zu berichten und sich nicht dem Vorwurf des „Greenwashings“ auszusetzen.
Hat der Auftraggeber eine Auswahl seines künftigen Dienstleisters nach solchen Kriterien der Nachhaltigkeit getroffen, so kommt es darauf an, die Grundlage seiner Auswahl auch vertraglich abzusichern. Erich Kästner wird der Spruch zugeschrieben: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ Es kommt also darauf an abzusichern, dass Nachhaltigkeitsversprechen tatsächlich eingelöst werden.
Dem Dienstleister sind zunächst regelmäßig Reportingpflichten über die Kriterien aufzuerlegen, die für die Auswahl des Auftraggebers erheblich sind. Ebenso ist an Auditierungsrechte des Auftraggebers zu denken. Die Einhaltung von besonders relevanten Kriterien kann zur echten vertraglichen Pflicht erhoben und bei Verstoß mit Vertragsstrafen belegt werden. Viele Dienstleister unterwerfen sich für andere Leistungsmerkmale einem sogenannten Service Level Agreement, in welchem anhand von definierten KPI’s über pekuniäre Aspekte (Bonus/Malus) einzelne Leistungsversprechen sichergestellt werden sollen (Einzelheiten dazu hier: Service Level Agreements). Aus anwaltlicher Sicht spricht nichts dagegen, auch Kriterien der Nachhaltigkeit zu solchen KPI’s zu machen und deren Einhaltung so für den Dienstleister besonders erstrebenswert zu machen, oder sogar, bei wiederholtem Verfehlen der KPI’s, dem Auftraggeber eine vorzeitige Beendigung der Zusammenarbeit möglich zu machen.
Getreu dem Motto „Der Weg ist das Ziel“ kann auch an vertraglich fixierte Zielvereinbarungen gedacht werden, wenn der Dienstleister noch nicht anbieten kann, was der Auftraggeber an nachhaltigem Wirtschaften für seinen Scope 3 erwartet, der Dienstleister aber bereit ist, entsprechende Verbesserungen vorzunehmen. Auch hier ist zur Absicherung an Vertragsstrafen oder KPI’s zu denken.
Wer seine Nachhaltigkeitsbilanz im Scope 3 und damit insgesamt verbessern will, sollte beim Einkauf von Logistikleistungen von Anfang an nicht nur planvoll vorgehen, sondern die Einhaltung seiner Anforderungen durch den Dienstleister vertraglich absichern. Nachhaltige Logistikleistungen sind dabei sicher nicht kostenneutral zu bekommen, aber der sich aus besonderer Nachhaltigkeit ergebende Wettbewerbsvorteil kann gewisse Mehrkosten aufwiegen. Die praktische anwaltliche Beratungserfahrung zeigt indessen, dass es bislang schwierig ist, Logistikunternehmen auf Nachhaltigkeit zu verpflichten. Dessen ungeachtet ist es einen Versuch wert und ohne First Mover wird der Verkehrssektor auch weiter hinter den an ihn gesetzten Nachhaltigkeitszielen zurückbleiben.