Autor

Dr. Gregor Staechelin

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8. September 2020

Service Level Agreements in (Kontrakt-) Logistikverträgen

Logistikverträge, insbesondere Verträge über Kontrakt- oder Produktionslogistik, enthalten neben den typischen Klauseln zur Leistungsbeschreibung, Vergütung, Laufzeit, Haftung und Versicherung, etc., häufig auch sog. Service Level Agreements. Deren Bedeutung und typische Inhalte sollen im Folgenden kurz beleuchtet werden, denn sie sind für beide Vertragsparteien von erheblicher Bedeutung.

 

In auf Dauer angelegten Logistikverträgen übernimmt der Logistiker eine Vielzahl sich wiederholender Leistungen für seinen Auftraggeber. Dieses Massengeschäft ist regelmäßig fehleranfällig. Die Verträge sind häufig typengemischte Verträge, so dass gesetzliche Leitbilder für andere als die beispielsweise im HGB beschriebenen Leistungen (Transport, Spedition und Lagerhaltung) fehlen. Service Level Agreements (SLA’s) konkretisieren daher die vom Logistiker geschuldeten Leistungen und stellen Regeln auf, welche Rechtsfolgen die Nichterfüllung oder Schlechterfüllung einzelner Leistungsbestandteile haben sollen.


Key Performance Indicators


Dies erfolgt durch Festlegung der vom Auftraggeber verlangten und vom Logistiker versprochenen Qualität, insbesondere Fehlerfreiheit der Leistung mittels Zielvorgaben, sogenannte Key Performance Indicators (KPI‘s). Solche setzen zunächst voraus, dass die vom Logistiker zu erbringenden Leistungen im Vertrag oder typischerweise seinen Anlagen im Detail und vollständig beschrieben sind. Nur dann ist deren Erfüllung überprüf- und messbar.

Typische KPI’s für Kontraktlogistikleistungen betreffen zeitliche Vorgaben für den Wareneingang, zeitliche Vorgaben für die Erfüllung von Versendungsaufträgen, Richtigkeit der Kommissionierung, Einhaltung des FIFO Prinzips, etc. In den KPI’s definieren die Parteien dann für bestimmte Zeiträume prozentuale Anforderungen an die Einhaltung des Leistungsversprechens des Logistikers (z.B. 99,75% der bis 15:00 Uhr eingehenden Versandaufträge sind am folgenden Werktag versandfertig).

 

Dabei kommt es darauf an, die KPI’s so bestimmt auszugestalten, dass Zweifel an ihrer Erfüllung oder Verfehlung nicht aufkommen können. KPI’s sollten mit den Mengengerüsten korrelieren, die ebenfalls vertraglich vereinbart werden müssen, zB über Forecasts. Denn der Logistiker wird Probleme mit der akkuraten Leistungserbringung bekommen, wenn z.B. ein ihm nicht angekündigter roll-out eines neuen Produktes des Auftraggebers plötzlich die Anzahl der zum Versand an einem Tag bereit zu machenden Sendungen vervielfacht. SLA’s sollten auch regeln, auf der Basis welcher Daten die Erfüllung der KPI’s gemessen werden. Typischerweise auferlegt der Auftraggeber seinem Dienstleister insofern auch Reportingpflichten.

Rechtsfolgen


Service Level Agreements sollten präzise Rechtsfolgen an die Nichteinhaltung der KPI’s, ggf. auch an deren Erfüllung oder Übererfüllung knüpfen.

 

Typisch sind insoweit vor allem Bonus/Malus-Regelungen, die im Falle der Schlechterfüllung letztlich Vertragsstrafen festlegen, um dem Auftraggeber den Schadensnachweis im Einzelnen zu ersparen und zugleich um den Logistiker zur Erfüllung der vertraglichen Leistungserfüllung auf dem Niveau der definierten KPI’s zu motivieren. Manche Auftraggeber gewähren daher auch Boni, wenn die Leistung über einem bestimmten Schwellenwert liegt.

 

Einzelne SLA’s bestimmen, dass die bei Verfehlung der KPI’s zu entrichtenden Vertragsstrafen (zumindest zunächst) nicht an den Auftraggeber ausgezahlt werden, sondern der Logistiker die entsprechenden Beträge in die Verbesserung seiner für den Auftraggeber eingerichteten Prozessabläufe investiert. Dies kann zu nachhaltigen Verbesserungen der Qualität der Supply Chain führen, die unter Umständen mittel- und langfristig interessanter sind, als eine sich aus Malus-Zahlungen letztlich ergebende Kostenreduktion für den Auftraggeber.

 

Zu Recht sehen viele Service Level Agreements aber auch als weitere Eskalationsstufe im Falle wiederholter Nichterfüllung der KPI’s oder besonders schwerwiegender Abweichungen von den Zielen ein Sonderkündigungsrecht des Auftraggebers vor. Damit konkretisieren die Vertragsparteien letztlich das allgemeine gesetzliche Leistungsstörungsrecht für Verträge, welches wegen seiner unbestimmten Rechtsbegriffe und Wertungsspielräume sich oft in der Praxis für typengemischte Verträge als eher sperrig darstellt.

Spiegelbild Inventurdifferenzen


In Logistikverträgen, die auch Lagerleistungen umfassen, spiegelt sich der Umgang mit der Fehleranfälligkeit des Massengeschäfts auch in Regelungen zu Inventurdifferenzen. Meistens einmal jährlich schuldet der Lagerhalter die Durchführung einer körperlichen Inventur, bei der es mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu Differenzen zwischen Soll- und Ist-Bestand kommt. Oft werden dabei Mehr- und Minderbestände nach Bewertungsschlüsseln saldiert. Außerdem toleriert der Auftraggeber in manchen Fällen bestimmte, begrenzte Inventurverluste, die anhand des Leistungsumfangs im Referenzzeitraum bewertet werden (z.B. Wert der im Warenein- und Warenausgang behandelten Güter).

 

Praxishinweis


Entscheidend für ein gutes Service Level Agreement, also ein solches, das in der Praxis funktioniert, ist eine präzise Darstellung der Zielvorgaben und der an die Erfüllung bzw. Nichterfüllung der KPI’s geknüpften Rechtsfolgen. Übernimmt der Logistiker seine Aufgabe neu, so wird ihm der Auftraggeber unter Umständen eine gewisse Karenzzeit einräumen, in der nur abgemilderte KPI’s gelten. Insgesamt können KPI’s überhaupt dynamisch gestaltet werden, weil der Auftraggeber vom Logistiker erwartet, dass dieser seine Prozessabläufe ständig überwacht und, zB durch vermehrte Digitalisierung bis hin zum Einsatz von KI verbessert. Die Praxiserfahrung im Streitfalle zeigt jedoch, dass Service Level Agreements nur dann eine professionelle Handhabung von Leistungsstörungen erlauben, wenn sie den oben skizzierten Anforderungen entsprechen.

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