Aus aktuellem Anlass stellen wir im Folgenden das Urteil des OLG Hamm vom 21.12.2023, Az. 18 U 127/23, vor. In dem zugrundeliegenden Fall hatte sich eine Versenderin mit ihrer Gerichtsstandsklausel im Dickicht der internationalen Zuständigkeitsregeln von CMR, ADSp 2017 und dem deutschen AGB Recht verloren. Ihre beim Landgericht Arnsberg erhobene Klage auf Schadenersatz wurde vom OLG als unzulässig abgewiesen. Eine Revision wurde nicht zugelassen. Die Begründung des Senates zeigt, dass im internationalen Warengüterverkehr der Versuch einen Gerichtsstand im Heimatland zu begründen, leicht scheitern kann. „Zu viel des Guten“ kann auch zum Nachteil gereichen.
Sachverhalt
Die deutsche Versenderin beauftragte die in Polen ansässige Beklagte mit einem Transport von Gütern von Belgien nach Udanin in Polen. Das Transportgut kam unterwegs durch einen Brand zu Totalschaden. Die deutsche Versenderin klagte auf Schadenersatz beim Landgericht Arnsberg.
Die vertraglichen Vereinbarungen
Die Parteien hatten für den fraglichen Transport wirksam die Anwendung deutschen (Sach-) Rechts vereinbart. Dazu gehört, da sich sowohl der Absendeort, wie auch der Empfangsort in einem CMR Staat befinden, auch die CMR als Teil des deutschen Rechtes. Weiter hatten die Parteien die Anwendung der ADSp 2017 vereinbart. Diese sieht in Ziff. 30.3 vor, dass Gerichtsstand für Streitigkeiten aus einem Verkehrsvertrag unter Kaufleuten entweder der Ort der Niederlassung des Versenders ist, oder aber derjenige der Niederlassung des Spediteurs, an die der Auftrag gerichtet ist. Satz 2 der Ziffer 30.3 stellt aber auch klar, dass es sich insoweit im Geltungsbereich der CMR um zusätzliche Gerichtsstände handelt, nicht um ausschließliche. Im konkreten Transportauftrag vom 23.07.2021 wiederum, den die Beklagte annahm, bestimmte die Klägerin mit der Klausel „Gerichtsstand ist 59821 Arnsberg“ diesen Ort als Gerichtsstand. Weiter bestimmte die Klägerin Arnsberg in dem Transportauftrag auch noch als „Erfüllungsort für Lieferung und Zahlung“.
Vorrangige Gerichtsstandsbestimmung und deren Unwirksamkeit
Die Klägerin ging also davon aus, dass sie sowohl aufgrund der Einbeziehung der ADSp 2017 (Ziff. 30.3), wie auch aufgrund der konkreten Bestimmung des Gerichtsstandes und des Erfüllungsortes (Art. 7 Nr. 1 EuGVVO) im Transportauftrag die Beklagte in Arnsberg in Anspruch nehmen zu können. Dieser Einschätzung folgte das OLG Hamm jedoch nicht.
Die Bewertung der Prorogation unterliegt hier deutschem Recht, da die Parteien dieses in Abweichung von Art. 5 der Rom-I VO wirksam vereinbart haben (im Anschluss an BGHZ 223, 269, Rn. 21). Nach deutschem Recht geht die Gerichtsstandsbestimmung „Gerichtsstand ist 59821 Arnsberg“ als spezielle Klausel derjenigen der Ziff. 30.3 ADSp 2017 vor. Das Problem ist aber, dass diese Gerichtsstandsbestimmung im Transportauftrag ihrem Wortlaut nach abschließend ist, also keinen anderen Gerichtstand zulässt. Zweifel an der Ausschließlichkeit des so bestimmten Gerichtsstandes gehen nach § 305c Abs. 2 BGB im Zweifel zu Lasten des Verwenders der Klausel, hier also der Klägerin. Ein ausschließlicher Gerichtsstand in Deutschland ist in diesem Fall mit Art. 31 Abs. 1 Satz 1 CMR, der zwingendes Recht ist (Art. 41 Abs. 1 CMR), nicht vereinbar. Danach sind jedenfalls auch die Gerichte zuständig, in dessen örtlicher Zuständigkeit die Beklagte die Niederlassung betreibt, durch deren Vermittlung der Verkehrsvertrag geschlossen wurde (Art. 31 Abs. Satz 1) a)), sowie die Gerichte am Ort der Übernahme des Gutes und der (geplanten) Ablieferung ((Art. 31 Abs. Satz 1) b)). Weitere Gerichtsstände können die Parteien zwar nach überwiegender Meinung begründen, aber nur zusätzlich und nicht verdrängend (zB Koller, Transportrecht, 10. A., Rz. 5 zu 31 CMR). Die im Transportauftrag enthaltene Gerichtsstandsklausel „Gerichtsstand ist 59821 Arnsberg“ ist mithin unwirksam.
Der 18. Zivilsenat des OLG Hamm hat auch einem Wiederaufleben der Ziff. 30.3 der ADSp 2017 als Bestandteil der vertraglichen Einigung, die eine Klage in Arnsberg als dem Sitz der Klägerin erlaubt hätte, eine Absage erteilt. Denn dagegen spricht das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion und es war den Gesamtvereinbarungen zwischen den Parteien nicht mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen, dass Im Falle der Unwirksamkeit der Klausel im Transportauftrag „Gerichtsstand ist 59821 Arnsberg“ die Regelung der Ziff. 30.3 der ADSp 2017 zu den neben Art. 31 Abs. 1 CMR zusätzlichen Gerichtsständen wiederaufleben sollten. Auch hier trägt die Klägerin, die die ADSp 2017 und die Klausel im Transportauftrag vorgegeben hatte, nach AGB Recht das Risiko der Unklarheit (§ 305c BGB).
Kein Rückgriff auf den (fiktiven) Erfüllungsort
Schließlich rettete auch die Bestimmung von Arnsberg als Erfüllungsort nicht die Zulässigkeit der Klage dort. Eine Zuständigkeit deutscher Gerichte wird dadurch nicht begründet. Art. 31 Abs. 1 CMR knüpft mit der Formulierung des „für die Ablieferung vorgesehenen Ort“ gerade an den Ort der Erfüllung des geschuldeten Transportauftrages an, der hier Udanin in Polen war. Daran ändert die einseitige Bestimmung eines fiktiven Erfüllungsortes durch die Klägerin nichts, den auch dies würde dem zwingenden CMR-Recht zuwiderlaufen.
Fazit
Die grenzüberschreitende Natur vieler Transportaufträge ruft immer wieder interessante Fragen der internationalen Zuständigkeit hervor, denen es im Einzelfall nachzugehen lohnt. Denn oft ist bereits Verjährung eingetreten, wenn sich herausstellt, dass eine Klage international oder örtlich unzulässig ist. Im vorliegenden Fall ist die Klägerin mit Ihrer Klausel „Gerichtsstand ist 59821 Arnsberg“ wohl über das gewollte Ziel hinausgeschossen. Denn bei grenzüberschreitenden Transporten, also im Geltungsbereich der CMR, ist strikt darauf zu achten, dass, soweit Gerichtsstände vereinbart werden, diese lediglich zusätzlich eröffnet werden, nicht aber ausschließlich und damit verdrängend. Ziff. 30.3 ADSp 2017 trägt diesen Anforderungen in Satz 2 Rechnung. Die Klägerin hätte also in Arnsberg wirksam klagen können, wenn sie auf die Extraklausel „Gerichtsstand ist 59821 Arnsberg“ im Transportauftrag verzichtet hätte. Die alltägliche Beratungspraxis zeigt übrigens, dass derart gut gemeinte aber im Ergebnis schädliche Gerichtsstandsbestimmungen gerade in Transportaufträgen gar nicht so selten sind.