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12. September 2022

Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim: Ausgabe von Arzneimitteln mittels Ausgabeautomaten

  • Briefing

Einer niederländischen Versandapotheke wurde es im Jahr 2017 durch einen Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe untersagt apotheken- und verschreibungspflichtige Arzneimittel mittels eines ferngesteuerten Ausgabeautomaten ohne Apothekenerlaubnis an ihre Kunden abzugeben.

Mit seinem Urteil vom 21. Oktober 2021 (Az. 9 S 527/20) bestätigte der Verwaltungsgerichtshof Mannheim diese behördliche Untersagung. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim lasse sich der von der Klägerin praktizierte Vertriebsweg nicht unter den Numerus Clausus der zulässigen Formen des Inverkehrbringens von apotheken- und verschreibungspflichtigen Arzneimitteln an Endverbraucher subsumieren. Die Ausgabe von Arzneimitteln mittels Ausgabeautomaten unter Einschaltung eines Videoberaters stelle keine neue Form des Inverkehrbringens von apotheken- bzw. verschreibungspflichtigen Arzneimitteln dar, sondern sei lediglich eine technisch modifizierte Form der Arzneimittelabgabe in einer faktischen Präsenzapotheke.

Die Arzneimittelabgabe aus Apothekenbetriebsräumen durch pharmazeutisches Personal sei bereits mangels Apothekenerlaubnis nach § 1 Abs. 2 ApoG unzulässig. Außerdem handele es sich auch um keinen zulässigen Versandhandel aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nach § 73 Abs. 1 Nr. 1a AMG. Hierfür fehle es an der unmittelbaren Versendung der Arzneimittel von der Apotheke an den Endverbraucher.

Das maßgebliche Abgrenzungskriterium zwischen dem Versandhandel und der Arzneimittelabgabe aus einer Präsenzapotheke seien gerade der Transport und die Auslieferung der Arzneimittel beim Kunden. Dieses Kriterium werde durch die von der Klägerin praktizierte Vertriebsmethode aber gerade nicht erfüllt, so der Verwaltungsgerichtshof.

Die Versendung der Arzneimittel aus den Geschäftsräumen in den Niederlanden nach Deutschland erfolge zur Bestückung des Medikamentenlagers bereits im Vorfeld der Vertragsanbahnung mit dem Endverbraucher. Diese bloße Vorratshaltung werde, nach Ansicht des VGH, vom Begriff des Inverkehrbringens aber gerade nicht umfasst. Hieran ändere sich auch durch den Transport „auf der letzten Meile“ zwischen Medikamentenlager und Endverbraucher über ein Förderband nichts, wie die Klägerin argumentiert hatte.

Insbesondere stelle auch die in § 17 Abs. 1 b S. 1 und 3 ApoBetrO geregelte Abgabe von apotheken- und verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch automatisierte Ausgabestationen keine eigenständige Vertriebsform dar. Hierin sei lediglich eine besondere Vertriebsmodalität zu sehen, die jeweils den Vertriebsformen der Abgabe in Apothekenräumen bzw. im Wege des zugelassenen Versandhandels zugeordnet sei. Das Erfordernis entweder über eine Apothekenerlaubnis nach § 1 Abs. 2 ApoG zu verfügen, oder nach § 11a ApoG bzw. § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a AMG in zulässiger Weise am Versandhandel mit Arzneimitteln teilzunehmen, sei nach dem gesetzgeberischen Willen gerade nicht obsolet.

Schließlich betont der Verwaltungsgerichtshof mit Verweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Vereinbarkeit der Beschränkungen des Inverkehrbringens von apotheken- und verschreibungspflichtigen Arzneimitteln an Endverbraucher mit dem Unionsrecht. Auch hierin ein Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV läge, sei dieser nach Art. 36 AEUV gerechtfertigt. In Anbetracht des hohen Rangs der betroffenen Rechtsgüter des Lebens und der Gesundheit von Menschen stehe den Mitgliedstaaten ein Wertungsspielraum hinsichtlich der Frage zu, auf welchem Niveau der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten werden soll und wie dieses Schutzniveau erreicht werden soll. Diesem Wertungsspielraum entspreche der Numerus Clausus der zulässigen Formen des Inverkehrbringens von apotheken- und verschreibungspflichtigen Arzneimitteln an Endverbraucher.

Autoren: Dr. Daniel Tietjen, Farina Simon

 

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