1. November 2021
Das am 11. August 2021 in Kraft getretene zweite Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II) bringt für das Gesellschaftsrecht vor allem diese drei Neuregelungen:
Bei börsennotierten und sogleich (paritätisch/montan-) mitbestimmten Gesellschaften sowie bei im Merheitsbesitz des Bundes stehenden Aktiengesellschaften gilt nun auch für den Vorstand eine geschlechterspezifische Mindestbeteiligungsquote;
weitere Pflichten bei der Festsetzung von geschlechterspezifischen Zielgrößen; sowie
ein Recht von Vorständen/Geschäftsführern auf Widerruf der Bestellung und auf Zusicherung der Wiederbestellung zur Wahrnehmung von Mutterschutz, Elternzeit, Pflegezeit oder zur eigenen Genesung.
Die nachfolgende Zusammenfassung konzentriert sich auf die diesbezüglichen Änderungen des Aktienrechts.
Gemäß dem neu eingefügten § 76 Abs. 3a Satz 1 AktG gilt nun auch eine geschlechterspezifische Mindestbeteiligungsquote für den Vorstand börsennotierter und sogleich (paritätisch/montan-) mitbestimmter Gesellschaften.
Sobald der Vorstand einer solchen Gesellschaft aus mehr als drei Mitgliedern besteht, muss er mindestens mit einem Mann und mit einer Frau besetzt sein. Ein Bestellungsbeschluss des Aufsichtsrates, der dieser Mindestquotenvorgabe nicht Rechnung trägt, ist (wie § 76 Abs. 3a Satz 2 AktG nun explizit anordnet) nichtig. Wichtiger Hinweis: Gemäß § 26l Abs. 1 EGAktG gilt § 76 Abs. 3a AktG erst für die Bestellung von Vorständen, die nach dem 1. August 2022 vorgenommen werden.
Für den Vorstand von Gesellschaften, die i.S.v. § 393a AktG im Mehrheitsbesitz des Bundes stehen, gilt § 76 Abs. 3 AktG unabhängig von ihrer Börsennotierung oder ihrem Mitbestimmungsstatus (§ 393a Abs. 2 AktG).
§ 289 f Abs. 2 Nr. 5 HGB sieht für Gesellschaften, bei denen gem. § 76 Abs. 3a AktG mindestens ein Mann und eine Frau im Vorstand vertreten sein müssen, nun auch Berichtspflichten für die Erklärung zur Unternehmensführung vor, wobei diese Berichtspflichten – wie bereits dargelegt – aufgrund der Übergangsregelung des § 26l Abs. 1 EGAktG – erst für Erklärungen zur Unternehmensführungen gelten werden, die den Zeitraum ab dem 1. August 2022 abdecken. Bei einer Übereinstimmung des Geschäftsjahres der Gesellschaft mit dem Kalenderjahr ist diese Berichtspflicht daher also erst für die Erklärung zur Unternehmensführung des Geschäftsjahres 2022 zu berücksichtigen.
Für eine nach dem 12. August 2021 erfolgende Festlegung von unternehmensindividuellen Zielgrößen für die beiden dem Vorstand nachgeordneten Führungsebenen werden mit dem geänderten § 76 Abs. 4 AktG nunmehr die Anforderungen an die Entscheidung über diese Zielgrößen, ihre Begründung und der damit verbundenen Publizität verschärft. Auch wenn hier weiterhin die Festlegung einer Zielgröße von „Null“ möglich bleibt, wird dafür jetzt eine klare und verständliche Begründung verlangt, wobei die Begründung nun auch ausführlich die Erwägungen darzulegen hat, die der Entscheidung über diese Zielgröße zugrunde lagen. Vor dem 12. August 2021 erfolgte Festlegungen, die diesen verschärften Anforderungen noch nicht Rechnung tragen, brauchen vor Ablauf der für sie jeweils festgelegten Umsetzungsfrist, welche bis zu fünf Jahren betragen darf, nicht wiederholt zu werden. Das FüPoG II sieht insoweit keine Aktualisierungspflicht vor.
Eine vergleichbare Regelung diesbezüglicher Pflichten sieht der ergänzte § 111 Abs. 5 AktG für die Festlegung von unternehmensindividuellen Zielgrößen für den Aufsichtsrat und für den Vorstand von Gesellschaften vor, für die nicht bereits die gesetzlich normierten Mindestbeteiligungsquoten für den Aufsichtsrat gem. § 96 Abs. 3 AktG bzw. für den Vorstand gem. § 76 Abs. 3a AktG gelten.
In der Erklärung zur Unternehmensführung sind die diesbezüglichen Berichtspflichten des § 289f Abs. 2 Nr. 4 HGB zu erfüllen.
Gemäß dem im Aktienrecht durch das FüPoG II eingefügten § 84 Abs. 3 AktG (vgl. zum GmbH-Recht auch den neu eingefügten § 38 Abs. 3 GmbHG) haben Vorstandsmitglieder nunmehr ein gesetzlich verankertes Recht, einen Widerruf ihrer Bestellung sowie eine Zusicherung ihrer danach zu erfolgenden Wiederbestellung zur Wahrnehmung von Mutterschutz, Elternzeit, Pflegezeit oder zur eigenen gesundheitlichen Genesung zu verlangen. Keine Anwendung findet das Recht auf Widerruf der Bestellung für Vorstände, die nur mit einem Organmitglied besetzt sind (§ 84 Abs. 3 Satz 1 AktG).
Die Anforderung des § 76 Absatz 2 Satz 2, wonach der Vorstand aus mindestens zwei Personen zu bestehen hat, gilt während des Zeitraums eines Widerrufs der Bestellung auch dann als erfüllt, wenn diese Vorgabe ansonsten (also ohne den Widerruf) eingehalten worden wäre (§ 84 Abs. 3 Satz 6 AktG). Ein Unterschreiten einer statuarisch festgelegten Mindestanzahl von Vorstandsmitgliedern ist während des Zeitraums des Widerrufs unschädlich (§ 84 Abs. 3 Satz 7 AktG). Die Mindestbeteiligungsquotenreglungen des § 76 Abs. 3a AktG und des § 393a Abs. 2 Nr. 1 AktG finden während des Widerrufszeitraums keine Anwendung (§ 84 Abs. 3 Satz 8 AktG).
Verlangt das Vorstandsmitglied den Widerruf zur Wahrnehmung von Elternzeit, für die Pflege eines Familienangehörigen oder zur eigenen Genesung kann der Aufsichtsrat von einem Widerruf der Bestellung absehen, sofern dafür ein wichtiger Grund vorliegt (§ 84 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AktG). Dieses Ablehnungsrecht des Aufsichtsrates besteht nicht für die Fälle des Mutterschutzes (§ 84 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AktG).
Ausweislich der Gesetzesbegründung soll ein Widerruf der Bestellung nach § 84 Abs. 3 Akt nicht zu Unzeiten verlangt werden können, weshalb – auch wenn das Gesetz keine Geltendmachungs- und Ausübungsfristen verlangt, ein Widerruf der Bestellung immer nur innerhalb einer angemessen kurzen Zeit verlangt werden könne.
Aus Transparenzgründen sind auch ein Widerruf der Bestellung sowie eine anschließend erfolgende Neubestellung zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Eintragungen sind auch hier jeweils nur deklaratorisch.
Zur Klärung einzelner Themen (u.a. bezüglich Informationsrechten, Auskunftspflichten, Fortzahlung der Vergütung, D&O-Versicherung und Haftungsfreistellung) empfehlen sich klarstellende Ergänzungen im Anstellungsvertrag. Mandatspausen eines Vorstandsmitgliedes sollten der jeweiligen D&O-Versicherung mitgeteilt werden.
#stayonboard – Gesetzgeber ermöglicht Mandatspause für Vorstände und andere Geschäftsleiter:innen
Insight von Dr. Sebastian Beyer
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